Solarstrom in der Schweiz: Es braucht zusätzlichen Schub
Die News von der «Solarfront» waren zwiespältig. Von einer Flaute nach dem rasanten Wachstum der letzten Jahre war zuletzt die Rede. Beim Branchenverband Swissolar hält man nichts davon: «Der Photovoltaik-Zubau wird unterschätzt, er geht auf sehr hohem Niveau weiter», sagte Geschäftsführer Matthias Egli an einem Online-Mediengespräch.
Nach dem Rekordjahr 2024 werde er dieses Jahr etwas geringer ausfallen, räumte er ein. Dennoch ist Solarenergie aus der hiesigen Stromerzeugung nicht mehr wegzudenken. Sie deckt 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs ab, was der Jahresproduktion des AKW Gösgen entspricht. Und dieses steht wegen technischer Probleme mindestens bis Ende Februar still.
«Ohne Solarstrom hätten wir eine deutliche Unterdeckung», betonte der Berner Nationalrat Jürg Grossen, Präsident von Swissolar und der GLP Schweiz. Insgesamt sei man auf Kurs: Bis 2050 sollen 45 Terawattstunden Solarstrom pro Jahr produziert werden. Heute sind es bereits 8 TWh. «Mit dem heutigen Ausbautempo erreichen wir die Ziele», sagte Grossen.
Unerwünschte Störgeräusche
Das bedeutet aber auch: Ein «Bremsszenario» mit einem weiter rückläufigen Ausbau können wir uns nicht leisten, hiess es am Mediengespräch vom Donnerstag. Einige «Störgeräusche» kommen deshalb ungelegen. So habe das Stimmvolk im letzten Jahr ein «sehr gutes Stromgesetz» verabschiedet, «aber die Umsetzung war lange unklar», sagte Matthias Egli.
Nächstes Jahr soll es in Kraft treten, doch es gibt weitere Unwägbarkeiten. Dazu gehört die Debatte über neue Atomkraftwerke, die von Energieminister Albert Rösti selbst befeuert wird. Er ist kein Solar-Gegner, zweifelt aber daran, dass die Erneuerbaren die benötigte Strommenge liefern werden. «Es geht nicht ohne Kernkraft», sagte er der NZZ am Sonntag.
Minimalvergütung soll bleiben
Im Gegenvorschlag zur Blackout-Initiative will der Bundesrat das 2017 vom Stimmvolk beschlossene AKW-Verbot streichen, zum Ärger von Swissolar, wie Vizepräsidentin Gabriela Suter betonte. Zwei weitere Punkte bereiten der Aargauer SP-Nationalrätin Sorge: das Stromabkommen mit der EU und das Entlastungspaket 27 (EP27) des Bundes.
So ist Swissolar für das EU-Abkommen: «Es trägt zur Versorgungssicherheit und zur Netzstabilität bei», sagte Suter. Die von Röstis Departement UVEK geplante Streichung der Minimalvergütung für Solarstrom wegen der damit verbundenen Marktöffnung aber lehnt der Verband entschieden ab: «Sie wurde mit dem Stromgesetz beschlossen und ist wichtig für die Planungssicherheit.»
Grosse Lernkurve bei Fassaden
Die Streichung des Gebäudeprogramms im Entlastungspaket wurde von Gabriela Suter ebenfalls kritisiert: «Es ist ein Erfolgsmodell, auch weil mit jeder Dachsanierung der Anreiz für die Installation einer PV-Anlage entsteht.» Der Bundesrat hat seinen Vorschlag auch wegen des Widerstands der Kantone abgeschwächt, doch weitere Diskussionen sind programmiert.
Verbesserungspotenzial gibt es auch in anderen Bereichen. So sind rund 90 Prozent der für Solarstrom geeigneten Gebäudeflächen noch ungenutzt. Besonders bei den Fassaden sei «die Lernkurve enorm gross», meinte Mattias Egli. Dabei seien die Kosten für Solarmodule stark gesunken, und auch die Installation von Batteriespeichern habe «rasant zugenommen».
Lokale Produktion fördern
Vieles läuft richtig, aber es gibt noch Luft nach oben. Deshalb hat Swissolar am Donnerstag den Aktionsplan 2030 vorgestellt. Er soll die Politik dazu bewegen, den vom Volk mehrfach bestätigten Pfad in Richtung Vollversorgung mit erneuerbaren Energien konsequent weiterzuverfolgen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die dezentrale Stromproduktion.
Solarenergie soll lokal produziert und verbraucht werden, forderte GLP-Chef Jürg Grossen. Ermöglichen sollen dies die mit dem Stromgesetz eingeführten Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) und virtuellen Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (vZEV). Damit liessen sich auch teure Netzausbauten vermeiden, betonte Grossen.
Falsche Anreize
Strom aus der Nachbarschaft sei günstiger als aus dem Netz, meinte der Swissolar-Präsident und präsentierte sogleich eine Rechnung: «Strom aus dem Netz kostet 31 Rappen pro Kilowattstunde und vom eigenen Dach 10 bis 12 Rappen.» Doch der Bundesrat schaffe noch nicht genügend Anreize: «Er muss nachbessern.»
Im Mediengespräch zeigte sich, dass auch die Elektrizitätswerke selbst noch nicht auf der Höhe sind. Die Konzerne wollen am liebsten Strom aus Grosskraftwerken verkaufen und «fremdeln» mit der lokalen Produktion. Und die mehr als 600 Stromversorger setzen noch zu oft falsche Anreize, etwa mit Nachttarifen. Dabei wird der Solarstrom tagsüber produziert.
Weltweiter Boom
Hinzu kommen veraltete Strukturen. So sei die Schweiz einmal führend gewesen bei steuerbaren Stromsystemen, sagte Jürg Grossen: «Das ist sie heute überhaupt nicht mehr.» Die Entwicklung beim Solarstrom in der Schweiz mag insgesamt erfreulich sein, doch es liegt mehr drin, auch weil der Bedarf wegen Rechenzentren eher zunehmen wird.
Solarstrom boomt weltweit. So kommt auch global eine Jahresproduktion in der Grössenordnung des AKW Gösgen hinzu – und zwar jede Woche. Jetzt müsste nur noch die Schweizer Politik die richtigen Weichen stellen, statt für Verunsicherung zu sorgen mit einer AKW-Debatte, die auch den Ausbau von Wind- und Wasserkraft behindert.
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