Das Nein zur Selbstbestimmungs-Initiative war noch nicht amtlich, da rechnete SVP-Nationalrat Thomas Matter schon ab. Die Gegner hätten eine «Märchenstundekampagne mit unlimitierten Budgets» geführt, sagte der Zürcher gestern Mittag gegenüber Radio SRF. «Wir waren auf dieses Nein vorbereitet.» Allein: Eine kurz vor dem Urnengang veröffentlichte Analyse der Uni Bern zeigt ein anderes Bild. Demnach investierten die Befürworter der Initiative deutlich mehr Geld in Inserate als die Gegner des Begehrens.
Matter verantwortete die Kampagne der SVP. Sie endete zwar in einer Niederlage, zeigte aber eindrücklich, wer sich anschickt, im Kräftegefüge der Partei das Sagen zu haben: Neben Matter kämpfte auch die Bündner Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher an der vordersten Front. Beide sind Unternehmer; er hat Millionen und sie sogar Milliarden auf dem Konto. Beide gehören der Parteileitung an; er ist Finanzchef und sie Vizepräsidentin der SVP. Und beide befassten sich bislang eigentlich vor allem mit Wirtschaftspolitik.
Doch nun gaben die beiden plötzlich bei einem staatspolitischen Thema den Ton an. Ähnlich präsent im Abstimmungskampf waren qua ihrer Funktion bloss noch die Zürcher Nationalräte Hans-Ueli Vogt, Rechtsprofessor und Verfasser der Selbstbestimmungs-Initiative, und Roger Köppel, «Weltwoche»-Verleger und verantwortlich für das Europa-Dossier. Als sich die SVP-Delegierten im September einstimmig für die Selbstbestimmungs-Initiative aussprachen und die Kampagne lancierten, referierten Martullo und Matter auf der Bühne.
Die Alphatiere boten den Medien von sich aus Interviews zur Initiative an, und die Organisatoren von Podien waren zuweilen mit der skurrilen Situation konfrontiert, dass sich beide Politiker eine Teilnahme vorstellen konnten. Matter verpasste der Partei eine ungewohnt soft daherkommende Plakatkampagne, Martullo weibelte mit einem Unternehmerkomitee für die Initiative. Sie sprach von der «wohl wichtigsten Abstimmung seit dem EWR-Nein von 1992», ihr Vater Christoph Blocher erklärte das Volksbegehren zur Herzensangelegenheit.
In der Tat ging es für die SVP gerade mit Blick auf die Wahlen 2019 um viel. Bringen sich Matter und Martullo für höhere Weihen in Stellung? Beide politisieren noch nicht sehr lange im Bundeshaus. In der Fraktion und in der Parteileitung geben sie jedoch regelmässig den Tarif durch, wie SVP-Politiker hinter vorgehaltener Hand erzählen.
Das Duo steht auf der Liste möglicher Bundesratskandidaten. «Das ist offenkundig», erklärt ein SVP-Nationalrat. Parteichef Albert Rösti sagt derweil: «Das ist derzeit überhaupt kein Thema, Ueli Maurer sitzt fest im Sattel und wird noch lange Bundesrat bleiben.» Der Finanzminister will nächstes Jahr wieder antreten, wie er stets betont. Allerdings rechnen viele nicht damit, dass Maurer, der kommende Woche seinen 68. Geburtstag feiert, die ganze Legislatur bleibt.
«Es wäre der Worst Case, wenn ich auch noch Bundesrätin werden müsste»: Obwohl sich Magdalena Martullo seit Monaten nicht mehr entlocken lässt als solche Aussagen im blocherschen «Wenn es denn sein muss»-Duktus, dürfte sie parteiintern die besten Karten haben – nicht nur kraft ihrer Herkunft, die im Gegenteil auch Bürde sein kann.
Im Bundeshaus hat sich Martullo einigen Respekt erarbeitet, allen voran bei ihren Kollegen aus der nationalrätlichen Wirtschaftskommission. Sie kenne ihre Dossiers auswendig, heisst es von Vertretern aus allen Lagern. Und während die einen auf ihren mitunter ruppigen Tonfall verweisen, zeigen sich andere von ihren humorvoll-geselligen Seiten überrascht.