Wie spektakulär das Interview von Petra Gössi war, zeigte sich am Schluss. Sie sei sich bewusst, dass sie sich weit aus dem Fenster lehne und den Totalbsturz riskiere, sagte die FDP-Präsidentin am Samstag in den Tamedia-Zeitungen. Und fügte fast schon trotzig an: «Ich will aber die Menschen an die Tradition des Freisinns erinnern.»
Petra Gössi hat eine Mission. Sie will eine grünere FDP. Der Umweltschutz gehöre zur DNA des Freisinns, man habe diese Thematik aber «etwas aus der Hand gegeben», gab Gössi zu. Die Schwyzer Nationalrätin kündigte nicht nur eine aufwendige Befragung ihrer 120 000 Mitglieder an, um herauszufinden, wo die FDP-Basis umweltpolitisch steht – im Juni widmet die Partei der Umwelt dann gar eine Delegiertenversammlung.
Gössi machte auch konkrete Ansagen zum CO2-Gesetz. Sie spricht sich neu für ein Reduktionsziel im Inland und eine Flugticket-Abgabe aus. Beides lehnte die Partei im Dezember noch ab.
Eine spektakuläre Kehrtwende also. Ein eigentlicher Befreiungsschlag. Er erfolgte nach schwierigen Wochen für die Partei. Die FDP steht in der Kritik, weil sie für den Absturz des CO2-Gesetzes im Nationalrat mitverantwortlich gemacht wird. Versenkt haben die Vorlage zwar SP, Grüne, GLP und SVP. Doch weil die FDP mitgeholfen hat, ein verbindliches Reduktionsziel für das Inland zu verhindern, steht sie am Pranger. Schüler protestieren mit Plakaten «FDP: Fuck de Planet».
Das ist – gerade in einem Wahljahr – unangenehm. In den letzten Wochen kam bei der FDP denn auch einiges in Bewegung. Der Öko-Flügel muckte auf und liebäugelte mit der Gründung einer Gruppe FDP Nachhaltigkeit. Auf dem Parteisekretariat häuften sich die Rückmeldungen aus den Kantonen – etwa Zürich, Graubünden, Schwyz und Luzern –, die eine umweltfreundlichere Positionierung forderten.
Ein Blick in die aktuelle Ausgabe der Parteizeitung der «Freisinn» legt das Ringen schonungslos offen. Der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen verteidigt die Haltung zum CO2-Gesetz. Er fordert Lösungen statt Emotionen und prangert – wegen des Konflikts um das Inlandziel – den linken «Klimanationalismus» an. In der gleichen Ausgabe mahnt der Luzerner Ständerat Damian Müller, die Klimapolitik als «Chance» zu begreifen. Die Schweiz müsse ihre Verantwortung wahrnehmen.
Nun hat Petra Gössi öffentlich ein Machtwort gesprochen. Quasi im Alleingang. Abgesprochen hat sie sich nur mit Fraktionschef Beat Walti und einigen Kantonalpräsidenten. Nicht konsultiert hat sie das Parteipräsidium und auch nicht die dossierführenden Parlamentarier, die Mitglieder der Umwelt- und Energiekommission (Urek) sind.
Dazu gehört Christian Wasserfallen, notabene auch Vizepräsident der FDP Schweiz. Er reagierte wirsch auf Gössis Ankündigungen. Auf Twitter forderte er, auch im Wahlkampf einen kühlen Kopf zu bewahren. Und er stellte klar: «Wir sind nicht für eine wirkungslose Flugticketabgabe.»
Was man alles aus der Zeitung erfährt:
— Christian Wasserfallen (@cwasi) 16. Februar 2019
❌Wir sind nicht für wirkungslose #Flugticketabgabe. International handeln ist besser.
✅Kühlen Kopf im Wahljahr bewahren
✅Position im #CO2Gesetz halten & gezielt Kompromisse z.B. beim Inlandziel suchen
✅clevere Lösungen statt Verbote
Diese lehnt auch FDP-Nationalrat Peter Schilliger ab – ebenfalls Urek-Mitglied und Wortführer. Der Luzerner verweist darauf, dass die freisinnige Haltung gerade beim Inland-Reduktionsziel zu Unrecht kritisiert werde: «Entscheidend ist nicht das deklaratorische, übergeordnete Ziel, sondern es sind die konkreten Teilziele in den Bereichen wie Gebäude oder Treibstoff.»
Nationalrat Thierry Burkart (FDP/AG) wiederum begrüsst, dass Gössi Hand zu einem Kompromiss bietet. Aber: «Die einzelnen Massnahmen lehne ich ab.» Er glaubt auch nicht, dass die Partei den Umweltschutz vernachlässigt habe. «Wir brauchen keine programmatischen Änderungen. Wir müssen aber die Nachhaltigkeit stärker betonen und die Kommunikation verbessern.»
Die politischen Gegner reagierten teilweise mit viel Hohn auf Gössis Aussagen. In den sozialen Medien kursierte ein Interview ihres Vorgängers Philipp Müller. Der Aargauer stellte bereits 2013 fest: «Die FDP muss ein ökologisches Profil entwickeln.»