
Der Schweizer Finanzplatz weist laut einer neuen Studie ein hohes Geldwäscherisiko auf.Bild: KEYSTONE
Der Länderindex des Basel Institute on Governance ergibt ein trübes Bild. Auch die Schweiz hat sich in
der entsprechenden Rangliste verschlechtert und gilt nun als Land mit «signifikanten Risiken».
16.10.2018, 04:1216.10.2018, 11:08
daniel zulauf / az
Bis vor kurzem galten Länder wie Dänemark
oder die Niederlande als vorbildlich
im Kampf gegen Geldwäsche.
Doch diese Wahrnehmung hat sich in
den vergangenen Monaten gründlich
verändert. Die Danske Bank, das
grösste dänische Finanzinstitut, ist
über die Filiale in Estland in einen
Geldwäsche-Skandal von beispiellosem
Ausmass geraten. In den Niederlanden
musste der renommierte Finanzkonzern
ING mit der Staatsanwaltschaft in
einen Vergleich über 775 Millionen
Euro einwilligen, um einen Strafprozess
wegen gravierender Verfehlungen
im Umgang mit dubiosen Kunden und
deren Vermögen aus kriminellen oder
mindestens obskuren Quellen zu vermeiden.
Die Entzauberung der vermeintlichen
Musterschüler kommt nicht zufällig,
schreibt das Basel Institute on Governance,
eine gemeinnützige, der Universität
Basel angegliederte Organisation.
Diese hat sich dem Kampf gegen
die weltweite Korruption und Finanzkriminalität
sowie der Verbesserung
der institutionellen Gouvernanz verschrieben.
Das Institut hat kürzlich
zum siebten Mal einen Index veröffentlicht,
an dem sich die Geldwäsche-Risiken
in 129 Ländern auf allen Kontinenten
ablesen lassen. Der Index basiert
auf 14 Indikatoren, darunter die Länderberichte
der Financial Action Task
Force (FATF). Das 1989 von den G7-Staaten gegründete zwischenstaatliche
Gremium überprüft im Rahmen
der OECD die internationalen Standards
zur Abwehr von Geldwäsche und
legt diese fest. Seit 2013 nimmt die
FATF nicht mehr nur die Implementierung
der insgesamt 40 Standards unter
die Lupe, sondern bewertet auch deren
Umsetzung.
Diese Politikänderung lässt die Qualität
der Anti-Geldwäsche-Dispositive vieler
Länder in einem deutlich weniger
günstigen Licht als vorher erscheinen.
Die überwiegende Mehrheit der Staaten,
die in den vergangenen zwölf Monaten
nach der verschärften Methode
der FATF geprüft wurden, figurieren
jetzt mit «dramatisch tieferen» Bewertungen
im Index, stellt das Basel Institute
on Governance fest. Der Index gewichtet
die Umsetzung der Massnahmen
zur Vermeidung von Geldwäsche
nun doppelt so hoch wie die reine Implementierung
von Gesetzen und Vorschriften.
Nicht mehr als eine Fassade?
Tatsächlich seien in der Mehrheit der
unter der neuen Methode bewerteten
Länder die Polizei- und Strafbehörden
gar nicht oder nur in einem sehr geringen
Mass nachweislich in den Kampf
gegen Geldwäsche eingestiegen. Unter
Berücksichtigung der ungenügenden
Fortschritte seit Beginn der Indexmessung
vor sieben Jahren sei zu
befürchten, dass viele Regierungen
rund um die Welt im Kampf gegen die
Geldwäsche immer noch zu wenig
unternähmen.
Schlimmer noch: Die Entwicklung
zeige, dass Regierungen solche Anstrengungen
absichtlich unterliessen
und sich hinter der rein formalen
Einhaltung von Massnahmen versteckten,
die der Geldwäsche-Abwehr einen
ernsthaften Anstrich gäben, schreibt
das Basler Institut. Die Organisation
sieht sich in ihrer Kritik unter anderem
durch den jüngsten Vorschlag der
Europäischen Kommission bestätigt,
der vorsieht, die Kontrollen in der EU
über eine Ausweitung des Mandates
der europäischen Bankenaufsicht (EBA)
zu verschärfen.

Bild: zvg az
Zwei Drittel der vom Index mit 0
(kein Risiko) bis 10 bewerteten Länder
(siehe Grafik) weisen eine Punktzahl
von fünf oder höher aus. Sie haben
damit ein signifikantes Risiko, für die
Zwecke von Geldwäsche und Terrorfinanzierung
missbraucht zu werden.
Zwei von fünf Ländern stehen 2018
schlechter da als vor einem Jahr. Verglichen
mit 2012 hat sich mehr als ein
Drittel der Länder verschlechtert.
So war es damals mit dem ersten Geldautomaten der Schweiz:
Video: srf
Beunruhigend ist die Liste der diesjährigen
Absteiger. Von den zehn Ländern
mit den grössten Indexeinbussen
stammen nicht weniger als acht aus
Europa beziehungsweise aus der EU.
Vier der grössten Absteiger (Dänemark,
Island, Slowenien und Portugal)
wurden in den vergangenen zwölf
Monaten erstmals nach der verschärften
FATF-Methode geprüft – die
Umsetzung der Abwehrmassnahmen
ist in diesen Ländern offensichtlich
ungenügend. Im Zuge der Geldwäscheskandale
in der Danske Bank und
der inzwischen in Abwicklung befindlichen
lettischen Grossbank ABLV im
laufenden Jahr könnte sich die Rangliste
2019 weiter zuungunsten Europas
verändern.
Im aktuellen Rating gehören Länder
wie Estland, Litauen, Finnland oder
Schweden noch zu den zehn Musterschülern.
Die Schweiz musste im laufenden
Jahr eine deutliche Verschlechterung
ihrer Bewertung um 0,48 Punkte
und die Hochstufung in die Kategorie
der Länder mit «signifikanten Risiken»
(über 5) hinnehmen. Grund dafür
ist gemäss Auskunft des Institutes der
Umstand, dass das Land im März 2018
im jährlichen Bericht des US-Aussenministeriums
zur Entwicklung des Drogenhandels
(«International Narcotics
Control Strategy Report») im Bereich
Geldwäsche in die Gruppe der 100 am
meisten gefährdeten Länder Aufnahme
gefunden hat.
Kaum Sanktionen in der Schweiz
Der Bericht kritisiert unter anderem,
dass es in der Schweiz bislang kaum
zu strafrechtlichen Sanktionen wegen
Geldwäsche-Vergehen gekommen sei.
Eine Ausnahme bildet die Strafuntersuchung
gegen die Bank HSBC Suisse,
welche die Genfer Staatsanwaltschaft
im Jahr 2015 gegen Bezahlung von
40 Millionen Franken eingestellt hatte.
Neben der Schweiz stehen auch Länder
wie Belgien, Kanada, Italien, Portugal,
Spanien, Grossbritannien oder
die Niederlande auf dieser amerikanischen
Liste.
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