Aufgrund des Mordfalls am regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul ist Saudi-Arabien international stark unter Druck geraten. Auch der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis kündigte an, der Vorfall werde Konsequenzen haben für das Verhältnis zwischen den beiden Staaten. Zahlreiche Politiker forderten ein sofortiges Exportverbot für Schweizer Waffen ins wahhabitische Königreich.
Gründe für ein Waffenexportverbot für Saudi-Arabien gibt es nicht erst seit der Ermordung Khashoggis in Istanbul Anfang Oktober. Seit 2015 fliegt ein von Saudi-Arabien geführtes Militärbündnis Luftangriffe auf Ziele im Nachbarland Jemen, wo ein Bürgerkrieg tobt. Die Bombardierungen treffen oft zivile Ziele wie Hochzeitsfeste oder Busse voller Schulkinder. Tausende Kinder sind den Luftangriffen des Bündnisses unter saudischer Führung bereits zum Opfer gefallen.
Von der Forderung nach einem kompletten Waffenexport-Verbot will man beim Wirtschaftsdepartement (WBF) von Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP) trotzdem nichts wissen. Gegenüber dem Tages-Anzeiger sagt ein Sprecher des für Exportbewilligungen zuständigen Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, Saudi-Arabien sei seit 2016 für Rüstungsexporte «quasi gesperrt». Man liefere höchstens Ersatzteile für defensive Waffen, etwa Flugabwehrsysteme, bei welchen keine Gefahr bestehe, dass sie im Jemen-Konflikt zum Einsatz kämen.
Gemäss «Tages-Anzeiger» ist diese Darstellung durch das Seco allerdings unvollständig. Die Zeitung verweist auf einen bisher unbekannten Vertrag zwischen den Pilatus-Flugzeugwerken in Stans NW und der saudischen Luftwaffe. Die Vereinbarung wurde Anfang 2017 unterzeichnet, also fast zwei Jahre nach Beginn des Jemen-Konflikts. Es handelt sich um einen so genannten Supportvertrag.
Laut Vertrag erbringt die Pilatus Flugzeugwerke AG Unterstützungsleistungen für die 55 Trainingsflugzeuge vom Typ PC-21, welche die saudische Regierung 2012 bei Pilatus gekauft hat. Um den Supportvertrag zu erfüllen, hat Pilatus seine Belegschaft in der Hauptstadt Riad ausgebaut. Die Zusammenarbeit zwischen Pilatus und der saudischen Luftwaffe ist vorerst auf fünf Jahre befristet.
Für den «Tages-Anzeiger» wirft dieser Vertrag die Frage auf, ob Saudi-Arabien nur dank Schweizer Hilfe so zahlreiche und zerstörerische Einsätze über dem Jemen fliegen kann. Was genau Pilatus in Saudi-Arabien tut und ob das Schweizer Unternehmen die Bombardierungen der Luftwaffe im Jemen direkt oder indirekt unterstützt, bleibt unklar. Auf Anfrage der Zeitung will sich Pilatus weder über Umfang noch Inhalt der Zusammenarbeit äussern.
Auch das Seco wollte am Dienstag keine spezifischen Angaben zum Pilatus-Auftrag für die saudische Luftwaffe machen. Im Umfeld des Wirtschaftsdepartementes sei jedoch zu vernehmen, dass der Auftrag den Bundesbehörden bekannt ist und auch bewilligt wurde. In öffentlich zugänglichen Quellen ist lediglich zu erfahren, dass Pilatus-Mitarbeiter die Trainings der saudischen Armeepiloten auf der PC-21 begleiten, die Flugzeuge unterhalten und die Flugsimulatoren betreuen.
Der Supportvertrag stösst in der Politik auf Kritik. CVP-Aussenpolitikerin Kathy Riklin spricht im «Tages-Anzeiger» von einem «klaren No-Go». Saudi-Arabien profitiere bei seinem Luftkrieg womöglich direkt vom Pilatus-Support. In einem solchen Fall mache es keinen Unterschied mehr, ob ein Rüstungsgut oder eine Dienstleistung exportiert werde. «Der Bundesrat muss die Erbringung dieser Leistung stoppen», fordert sie.
Für Grünen-Präsidentin Regula Rytz liegt möglicherweise sogar ein Verstoss gegen das Söldnergesetz vor. Dieses verbietet Schweizer Firmen die Beratung und Ausbildung von Angehörigen von Streitkräften, falls diese schwere Menschenrechtsverletzungen begehen könnten. «Die Ausbildung von Militärpiloten, die später im Jemen zivile Ziele bombardieren, wäre aus meiner Sicht also bereits verboten.» Darauf verweist auch Beat Gerber von Amnesty International Schweiz: «Ohne intensives Training könnten die Kampfpiloten der saudischen Koalition im Jemen keine Ziele angreifen und Bomben abwerfen.»
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) fordert derweil griffigere Mittel zur Überwachung des Exports von militärischen Dienstleistungen. Für GSoA-Sekretär Lewin Lempert zeigt der Fall, dass auch der Export von Fachwissen und Unterstützung extrem problematisch sein könne: «Es ist zu befürchten, dass mit Schweizer Hilfe Piloten ausgebildet werden, die für Tausende zivile Opfer verantwortlich sind.» Der Bund müsse den Support-Einsatz der Pilatus sofort stoppen. (cbe)