Eine der erfolgreichsten Filmkomödien der Neunzigerjahre trägt den Titel «The Full Monty», auf Deutsch übersetzt «Ganz oder gar nicht». Sie spielt in der nordenglischen Industriestadt Sheffield und zeigt die Misere von arbeitslosen Stahlarbeitern, die sich mit einem Striptease-Programm à la Chippendales ein Einkommen erhoffen.
«Ganz oder gar nicht» lautet offenbar die Devise der SVP, wenn es um Donald Trump geht. Sie äffen ihn bis ins Detail nach: Wie die «Republik» kürzlich aufgezeigt hat, bringt es Magdalena Martullo-Blocher fertig, in einer kurzen Rede über das Rahmenabkommen 30 Lügen einzubauen.* Das sind wahrhaft Trump’sche Werte.
Der Banker und Goldküsten-Vertreter Thomas Matter klaut derweil nicht nur Trumps Sumpf-Titel für seine YouTube-Videoclips. Er führt auch die These, dass es die Klimaerwärmung gar nicht gibt, eines obskuren Physikers an.
Einmal mehr geht jedoch die Goldmedaille im Trump-Nachäffer-Wettbewerb an Roger Köppel. In einem NZZ-Interview hat der Möchtegern-Ständerat alle Register der Demagogie gezogen: Von einer «Umweltdiktatur» ist die Rede. Die EU wird als «Imperium» bezeichnet, das «herrschen, befehlen (und) uns Regeln aufzwingen (will)».
Der Spass hört allerdings dort auf, wo Köppel von einer «rot-grünen Klimakolchose» faselt. Der Mann hat Geschichte studiert. Er weiss daher, was hinter dem Begriff «Kolchose» steckt, nämlich die zwangsweise Kollektivierung der Landwirtschaft, die Stalin in den Dreissigerjahren durchgeführt hat. Allein in der Ukraine sind dabei mindestens fünf Millionen Menschen verhungert.
Trump setzt bei seiner Wiederwahl auf die Mauer und die rote sozialistische Gefahr. Pausenlos schwafelt er von einem Notstand an der südlichen Grenze, einem Notstand notabene, den er mit seiner grausamen Politik weitgehend selbst verursacht hat.
Ebenso will er mit gütiger Hilfe von Fox News glauben machen, die demokratische Partei sei das Opfer eines sozialistischen Coups geworden und Rädelsführer wie die junge Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez seien im Begriff, die USA in ein zweites Venezuela zu verwandeln.
Die SVP wird im kommenden Herbst die gleiche Strategie verfolgen. Sie will zwar keine Mauer gegen unwillkommene Immigranten bauen – wäre auch angesichts der geografischen Lage der Schweiz nicht ganz einfach –, aber sie bezeichnet das Rahmenabkommen als «Knechtschaftsvertrag» und Köppel warnt, dass die Schweizer Wirtschaft «kaputt geht, wenn wir uns einem fremden Gesetzgeber unterstellen».
Allerdings ist es fraglich, ob diese Hysterie Erfolg haben wird. Jüngste Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer das Rahmenabkommen begrüsst und die Angst vor «fremden Richtern» nicht verfängt.
Dazu kommt, dass der Brexit uns täglich die Absurdität eines Alleingangs im Zeitalter der Vernetzung vor Augen führt. Wer möchte schon wie die Briten wirtschaftlichen Selbstmord begehen und sich dabei nicht einmal einig über das Wie sein?
Schwierig dürfte es auch sein, die Schweizer von der roten Gefahr zu überzeugen. Was Trump als «Sozialismus» bezeichnet, ist bei uns längst normal. Typisch dafür ist die endlose Diskussion über die Krankenkasse. Dass sie für alle obligatorisch ist und dass junge Gesunde alte Kranke teilweise unterstützen, ist hierzulande unbestritten – ausser bei ein paar wenigen Vertretern des extrem libertären Flügels. Unsere Krankenkassen als «sozialistisch» zu bezeichnen, kommt nicht einmal diesen Wirrköpfen in den Sinn.
Der Green New Deal hat auch in den Reihen der SVP zumindest versteckte Sympathien. Das Gewerbe profitiert davon, deshalb hört man vom Gewerbeverband keine Kritik, selbst von Direktor Hans-Ulrich Bigler, einem neoliberalen Hardliner, nicht.
Anders als der Banker Matter erleben die Bauern die Klimaerwärmung direkt und folgen immer weniger den Parolen der SVP-Oberen. Gemäss «NZZ am Sonntag» hat Christoph Blocher nach der forschen Absetzung des gemässigten Zürcher Parteipräsidenten, dem Landwirt Konrad Langhart, eine Rebellion in der Partei nur mit Mühe verhindern können.
All dies wird die SVP nicht daran hindern, im kommenden Herbst auf die Karte Trump zu setzen. Wir müssen uns daher auf einen dreckigen, mit Lügen und überdrehter Demagogie durchsetzten Wahlkampf einrichten.
*Gegendarstellung von SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher zum Artikel «Die SVP will den ganzen Trump» auf watson.ch (9.4.2019):
«Selbstverständlich sind meine an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz gemachten Aussagen zu den zu erwartenden Beeinträchtigungen aus dem Rahmenabkommen auf die Schweiz alle durch unabhängige Rechtsgutachten und Erlasse belegt. Die entsprechenden Rechtsgutachten wurden von den Kantonen und der nationalrätlichen Wirtschaftskommission bei renommierten Europarechtsprofessoren in Auftrag gegeben. Zusätzlich wurden sie durch deren Auskünfte in der nationalrätlichen Wirtschaftskommission belegt. Unglaublich – aber leider wahr!»