«RTS, ATS, même combat!»: Mit dieser Parole solidarisierten sich am Donnerstag Mitarbeiter des Westschweizer Rundfunks RTS mit ihren streikenden Kollegen von der SDA (französisch: ATS). Diese demonstrierten vor den Studios des welschen SRG-Ablegers in Lausanne für ihre Forderungen.
Beide Redaktionen kämpften den gleichen Kampf, so die Logik hinter der Parole: Die SRG-Mitarbeiter gegen die No-Billag-Initiative, diejenigen der SDA gegen das Sparprogramm der Geschäftsleitung. Beim Kampf der SDA-Redaktion ist Bewegung in die Sache gekommen: Am Freitagnachmittag sistierte sie ihren Streik und tritt nun in Verhandlungen mit dem Verwaltungsrat.
Die Solidarität zwischen beiden Redaktionen ist nicht überraschend. Das Berufsverständnis der SDA-Journalisten und jenes der Kollegen bei der öffentlich-rechtlichen SRG ist ähnlich geprägt: Service public, Präsenz in allen Sprachregionen, regionale Berichterstattung in allen Landesteilen. Mit diesen Schlagworten wirbt die SRG denn auch gegen die No-Billag-Initiative.
Somit müssten die streikenden Redaktoren der SDA einen natürlichen Verbündeten im Verwaltungsrat haben. Denn auch die SRG ist darin vertreten. Ihr Generalsekretär Walter Bachmann vertritt dort die Interessen der SRG. Sie ist mit rund zehn Prozent Anteilen drittgrösster Aktionär.
Bevor das Anfang Januar kommunizierte Sparprogramm für Unmut sorgte und schliesslich zum Streik führte, gab im letzten Oktober bereits ein anderer Entscheid des Verwaltungsrats zu reden. Er beschloss, die SDA mit der Bildagentur Keystone zum neuen Unternehmen Keystone_SDA zu fusionieren. Keystone gehörte bisher zu je 50 Prozent der SDA und der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Beide Entscheide – Fusion und Sparprogramm – sollen einstimmig getroffen und somit auch von der SRG mitgetragen worden sein.
Deren Verteter Walter Bachmann war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die SRG gibt sich einen Monat vor der No-Billag-Abstimmung in Sachen SDA äusserst wortkarg. Eine Anfrage von watson zum Stimmverhalten im Verwaltungsrat beantwortet SRG-Sprecher Edi Estermann folgendermassen: «Wir stehen der Fusion mit Keystone positiv gegenüber, weil damit den SDA-Kunden ein zeitgemässes konvergentes Angebot gemacht werden kann.»
Zu den Abbauplänen und dem Streik lässt Estermann lediglich verlauten, dass eine sozialverträgliche Umsetzung der Sparmassnahmen Aufgabe des SDA-Managements sei. Dafür sei vom Verwaltungsrat entsprechender Spielraum eingeräumt worden.
Fusion und Abbaupläne haben einen direkten Zusammenhang. Wegen des drohenden Defizits 2018 müsse die älteste Nachrichtenagentur des Landes fit für den Zusammenschluss mit Keystone gemacht werden. «Ich kann nicht mit einem strukturellen Loch in eine Fusion gehen», sagt CEO Markus Schwab gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Die Unterstützung der SRG für die Pläne des SDA-Verwaltungsrats sorgt sogar im bürgerlichen Lager für Kritik: «Es ist fragwürdig, dass die SRG diese Strategie mitträgt», sagt der Waadtländer FDP-Nationalrat Olivier Feller.
«Weil sie nicht gewinnorientiert sind, spielten beide Unternehmen in unserem mehrsprachigen Land bisher eine wichtige Rolle in der Berichterstattung, gerade im regionalen Bereich», so Feller. Beide seien von «systemischer Wichtigkeit» für die Medienlandschaft.
Die österreichische Nachrichtenagentur APA wird nach der Fusion zur grössten Einzelaktionärin des neuen Unternehmens Keystone_SDA. Damit die APA keinen Zugriff auf das von der SDA angehäufte Eigenkapital erhält, zahlen sich die bisherigen Aktionäre laut Medienberichten einen Grossteil der 20 Millionen Franken Reserven aus. Für die SRG dürften dabei rund 1,5 Millionen Franken herausspringen. SRG-Sprecher Estermann bezeichnet die Auszahlung gegenüber watson als «Voraussetzung für die geplante Fusion». Über die konkrete Höhe und den Zeitpunkt einer allfälligen Auszahlung habe die SRG noch keine Angaben erhalten.
Die SRG sei kein privates Unternehmen, sondern öffentlich-rechtlich verfasst, kritisiert FDP-Nationalrat Feller die Auszahlung des SDA-Eigenkapitals an die SRG: «Es ist nicht ihre Aufgabe, für Profitmaximierung zu sorgen – auch nicht bei der SDA.»
Feller sieht die wichtige Rolle der SDA für den Service public in Gefahr. Alarmiert haben ihn die Äusserungen von SDA-CEO Schwab in der «NZZ am Sonntag». Die SDA als private Aktiengesellschaft sei ausschiesslich ihren Aktionären etwas schuldig, sagte Schwab: «Wieso kommt man auf die Idee, dass wir eine Verpflichtung für einen Service public haben?»
Dass die SRG solchen Äusserungen ihre Rückendeckung gibt, ist für Feller «unverständlich». Schliesslich stehe in den Richtlinien der SDA weiterhin, dass der Basisdienst der Agentur ein Service public sei. In der No-Billag-Debatte weise die SRG zu Recht auf die Bedeutung des Service public hin: «Dass ihr Vertreter im SDA-Verwaltungsrat eine Strategie unterstützt, welche diesen akut gefährdet, ist nicht sehr kohärent.»
Geht es nach Olivier Feller, soll sich das jetzt ändern: «Ich erwarte von SRG-Vertreter Walter Bachmann, dass er sich bei den kommenden Verhandlungen mit der Redaktion für eine stärkere Berücksichtigung der Service-public-Aufgaben der SDA einsetzt.»
SP-Nationalrätin Jacqueline Badran kommt bei einem Gespräch mit watson – noch vor Sistierung des Streiks – zu einem anderen Schluss als ihr Ratskollege Feller: «Ich glaube nicht, dass die SRG den beschlossenen Abbau bei der SDA begrüsst.» Denn sie sei auf die Leistungen der SDA angewiesen, so die Zürcherin: «Allerdings gehe ich davon aus, dass die SRG den Ball vor der No-Billag-Abstimmung flach halten will.»
Badran betont, dass auch die anderen Schweizer Medienhäuser in der Verantwortung stehen. Der Abbau sei für alle schädlich: «Aus unternehmerischer Sicht brauchen die Schweizer Verleger in diesen schwierigen Zeiten mehr Kooperation und eine starke SDA.»