Liebe Wirtinnen, liebe Wirte
Viel hat man gehört und gelesen von Ihrem obersten Branchenvertreter die letzten Tage. Gastro-Suisse-Präsident Casimir Platzer kämpfte wie ein Löwe um ein Zeichen des Bundesrats. Wann dürfen Restaurants, Bars und Clubs wieder öffnen? Und in welcher Form?
Genützt hat es nichts. Der Gesamtbundesrat hat sich zu Lockerungs-Aussichten für die Gastro überhaupt nicht geäussert. Nicht einmal anhören wollte er den obersten Schweizer Wirt bis jetzt.
>> Coronavirus: Alle aktuellen Meldungen im Liveticker
Das ist ungerecht. Und Platzer beschwert sich zu Recht. Warum sollen die Coiffeusen, Masseure und Floristen der Kundschaft nahe kommen dürfen, Servicepersonal aber nicht?
Mit dieser Wut im Bauch ist er nicht allein.
Die Mode-Geschäfte finden es ungerecht, dass die Migros im Gegensatz zu ihnen bald wieder Hemden und Hosen verkaufen dürfen. Die Fitnessstudio-Betreiber finden es ungerecht, dass die Kraftmaschinen in Physiotherapie-Praxen benutzt werden dürfen, ihre aber nicht. Und die Veranstalter von Gross-Events finden es ungerecht, dass Sie im Gegensatz zu Clubs kein rechtlich wasserdichtes Verbot ihrer Anlässe erhalten und somit für ihre Absagen vollumfänglich haften müssen.
Solche Fingerzeig-Reflexe sind im Angesicht des finanziellen Ruins verständlich. Aber sie sind wohl nicht zielführend.
Der Bundesrat, das BAG und die herbeigezogenen Epidemiologie-Experten achten nicht auf Gerechtigkeit. Sie machen keine Güterabwägungen «Probleme Branche A vs. Probleme Branche B», um Gerechtigkeit in den wirtschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Vielmehr machen sie ein grosses Experiment und das ist rein epidemiologischer Natur: Wie viel können wir lockern, ohne die Hospitalisierungsquote über die Kapazitätsgrenzen hinausschiessen zu lassen? Die Übungsanlage ist dabei einigermassen ungünstig, weil unübersichtlich und methodisch schlecht erprobt.
Noch sind zu wenig Reagenzien vorhanden, um massenhaft bis flächendeckend auf Corona oder Antikörper zu testen. Noch sind zu wenig Masken vorhanden, um die Ansteckungsgefahr in dichteren Menschenansammlungen zu reduzieren. Noch gibt es zu viele Neuansteckungen, um all deren Kontakte von Hand ausfindig zu machen. Und flächendeckendes technologisches Tracing via Handy- und Kreditkartendaten ist aufgrund des Datenschutz-Fetischismus westeuropäischer Prägung von vornherein chancenlos.
Solange das so ist, wird man hauptsächlich darauf achten, Menschenansammlungen in unkontrollierbarer und unnachvollziehbarer Zusammensetzung so gut wie möglich zu verhindern. Wenn das nicht gelingt, dann sind auch die vom Bundesrat bereits kommunizierten Lockerungspläne sofort wieder Makulatur.
Wie Ischgl, Mülhausen oder Daegu gezeigt haben, braucht es nicht viel. Schon ein, zwei illegale Raves mit erkrankten Teilnehmern können ausreichen, um die bisher getätigten Bemühungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie zunichte zu machen.
Noch schlimmer wäre nur, wenn die Ankündigung übermässiger Lockerungen subkutan die Botschaft transportierte, dass wir zur Normalität zurückkehren können. Genau das aber würde die Öffnung der Gastro-Branche und anderer als Signal bewirken: Wir können zurück zum gewohnten Lebensstil mit allen seinen Annehmlichkeiten, wie Shopping, Training oder Abendessen im Restaurant.
Dafür ist es leider noch lange zu früh.
Liebe Grüsse
Maurice Thiriet
Die Bauwirtschaft hat auch reklamiert. Hört man etwas von denen? NEIN
Metallbau (Swissmem) hat auch reklamiert. Hört man etwas von denen? NEIN.
Swissretail hat auch reklamiert. Hört man etwas von denen? NEIN
Warum? Weil Sie mit Respekt (!) gute Lösungen aka Kompromisse eingegangen sind.
Platzer hat in schier unglaublicher Arroganz ohne Not 200'000 Mitarbeiter der Gastronomie kaltgestellt. Merci
Das ist wohl die dümmste Aussage seit langem. Völlig unüberlegt, kurzfristig und oberflächlich. Ohne auch nur das grundlegendste Verständnis dessen, was Freiheit und Demokratie definiert.