Kartensammel- und Mehrheitenspiel von Paolo Mori für 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren. Spieldauer: etwa 60 Minuten. Preis: etwa 54 Franken. Verlag: Asmodee, Studios: CoolMiniOrNot (Cmon)
Auf dem weit entfernten Kontinent Ethnos ringen zwölf Stämme in sechs Königreichen um die Vorherrschaft.
Karten ziehen und sammeln. Kombinationen von Karten offen auslegen und entsprechend Einfluss-Steine in Königreiche auf dem Spielbrett legen. Deren Mehrheiten werden in drei Wertungen gepunktet.
Die Grafik stammt vom bekannten «Herr der Ringe»-Illustrator John Howe. In jeder Partie sind nur 6 der 12 Stämme mit unterschiedlichen Fähigkeiten im Spiel. Dadurch entsteht eine grosse Spiel-Varianz.
Gelegenheitsspieler und spielgeübte Familien, die Kartenspiele mit Rommé-Charakter und Brettspiele mit Mehrheiten-Charakter mögen.
Zugegeben, das sieht schon ziemlich grob und unzivilisiert aus, was der Illustrator John Howe da auf den Schachteldeckel gezeichnet hat. Wie Trolle, Minotauren, Riesen, Zentauren, Meereswesen und Elben mit Leidenschaft aufeinander losgehen, um sich gegenseitig Ohrfeigen zu verteilen, wird bestimmt Erziehungsberechtigte im Spieleladen von einem Kauf abhalten. Umso erstaunter ist die Runde dann, wenn «Ethnos» erst einmal ausgepackt auf dem Tisch liegt und die Spielregel verstanden ist: Da geht nämlich überhaupt niemand aufeinander los. Kämpfe werden nicht einmal simuliert. Es ist schlichtweg ein taktisches Kartenspiel, bei dem man Karten von der gleichen Farbe oder gleichen Sorte sammeln muss, um damit Mehrheiten auf einem Spielbrett zu erreichen. «Das ist ja eigentlich wie Rommé!» ruft plötzlich ein Mitspieler. – Ja, ein bisschen, aber eigentlich auch nicht so wirklich, aber Unrecht hat er auch nicht.
Irgendwann vor Tausenden Jahren, in einer fernen Welt, müssen sich die Evolutionslinien von «Rommé» und «Ethnos» getrennt haben. Auch wenn auf der Box eine Altersangabe «ab 14 Jahren» prangt, (dies um nicht mit länderspezifischen Konsumentenschutzgesetzen in Konflikt zu geraten), ist «Ethnos» problemlos schon mit Zehnjährigen spielbar. Die Spielregeln sind wesentlich kürzer als sie auf den ersten Blick erscheinen und bestehen vor allem aus Beispielen und Abbildungen. Hinten folgen noch ethnologische Abhandlungen über die zwölf Stämme, die um die Vorherrschaft auf dem Kontinent Ethnos rangeln. Denn dort bricht ein neues Zeitalter an, wird uns erzählt, und man muss die versprengten Anhänger der verschiedenen Stämme anwerben und ihre Fähigkeiten geschickt ausnutzen. Warum der Kontinent auf dem Spielbrett ganz genau die Umrisse der real existierenden Slowakei hat, wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Da haben die Entwickler den Kreativ-Prozess wohl einfach etwas abgekürzt.
In der Schachtel liegen Karten von zwölf verschiedenen Stämmen, die unterschiedliche Fähigkeiten haben. In einer Partie ist aber immer nur eine Kombination von sechs Stämmen im Spiel. So eröffnen sich unzählige Möglichkeiten, die Stämme zu kombinieren und andere Spielverläufe mit anderen Taktiken zu ermöglichen. Der Spielablauf ist relativ simpel. Kurz und ungenau: Man zieht Karten auf die Hand, versucht Sets von gleichen Farben oder gleichen Stämmen zu sammeln und darf diese dann vor sich auslegen. Falls die Sets genug stark sind, darf man mit Einflussmarkern Gebiete auf dem Spielbrett besetzen. Während drei Wertungen nach drei Runden im Spiel gibt es Siegpunkte für die Mehrheiten auf dem Spielbrett. Punkte kann man aber auch noch auf vielfältige andere Weise – je nach Sonderfähigkeiten der verschiedenen Stämme – gewinnen.
Tricky wird das Ganze, weil man beim Auslegen eines Sets – im Gegensatz zu Rommé – immer alle anderen Karten in der Hand offen in die Tischmitte abwerfen muss, wo sie wieder für alle Spieler zum Nachziehen zur Verfügung stehen. Deshalb sollte man sich wirklich gut überlegen, was man sammelt und wann man ausspielt. Die Sonderfähigkeiten der Karten verändern die Regeln zum Teil. Der Stamm der Zauberer zaubert zum Beispiel die Fähigkeit, dass man sofort wieder genau so viele Karten nachziehen darf, wie man gespielt hat. Die Halblinge überzeugen durch pure Masse. Ihr Kartensatz ist doppelt so gross wie jener der übrigen Stämme, dafür dürfen sie aber keine Einflussmarker aufs Spielbrett setzen, sondern punkten nur direkt in der Tischauslage.
Wie geschrieben: Der Spielablauf ist eigentlich recht simpel. «Ethnos» ist absolut familientauglich, hat als Kartenspiel, bei dem Karten zufällig verdeckt aus einem Stapel gezogen werden, natürlich auch einen ziemlich hohen Glücksfaktor. Welche Karte man verdeckt bekommt, ist halt nicht beeinflussbar. Das Spiel hat jedoch ein ziemlich hohes Spannungspotenzial. Da herrscht eine fiebrige Stimmung am Tisch: Ständig steht man vor der Wahl, ob man nun auf Farben oder Stämme setzen soll, und vor dem Dilemma: Auslegen oder Weitersammeln? Mehrheiten auf dem Brett werden oft sehr knapp entschieden. Der Wiederspielreiz ist jedenfalls sehr hoch, «Ethnos» macht auch nach vielen Partien immer noch Lust auf mehr, da man ja auch noch unbedingt die Kombinationen anderer Stämme ausprobieren will.
Das Spiel wurde vom 40-jährigen Italiener Paolo Mori kreiert, der an der Universität in Parma als Webcontent-Manager arbeitet. Sein bekanntestes Spiel bisher ist «Augustus», das 2013 zum «Spiel des Jahres» nominiert war, aber nicht gewann. Weitere Titel sind «Die unüblichen Verdächtigen», «Libertalia», «Memento», «Vasco da Gama» und «Dogs of War».
Die Illustrationen stammen von John Howe. Der kanadische Illustrator, der seit Jahren mit seiner Familie in der Schweiz lebt, gilt als einer der bedeutendsten Illustratoren der Werke J. R. R. Tolkiens. Er arbeitete auch als Conceptual Artist an der Produktion der Herr-der-Ringe- und der Hobbit-Filmtrilogie mit.
Ja, dafür gibt es spezielle Regeln: Es wird nur mit fünf Stämmen gespielt. Die Partie geht nur über zwei Runden. Es gibt abgeänderte Regeln für das Setzen von Einflussmarkern, und in einem Königreich erhält nur der Sieger mit den meisten Einflussmarkern Punkte. Durch diese Änderungen wird das Spiel zu zweit sehr interessant und natürlich konfrontativer, weil man sich mit seiner ausgeklügelten Taktik auf einen einzigen Gegner konzentrieren kann.
Als Jurymitglied ist Tom Felber verpflichtet, sämtliche relevanten neuen Spiele mehrfach auszuprobieren. Dazu benötigt er natürlich auch immer wieder neue Mitspieler. Wer Lust hat, mitzuspielen, kann sich über spieleabende@bluewin.ch für seinen Newsletter anmelden. Die Spiele-Testrunden finden jeweils in Zürich statt.