Machtspiel von Shem Phillips für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren. Spieldauer: etwa 60 bis 90 Minuten. Verlag: Schwerkraft. Preis: etwa 70 Franken.
Als Wikinger stellen wir effiziente Schiffs-Besatzungen zusammen und plündern Siedlungen und Klöster
Worker Placement – das Setzen von Figuren auf bestimmte Felder löst Aktionen aus: Im eigenen Dorf werden Ressourcen und Mannschaften optimiert. Auf Plünderfahrten holt man sich Gold, Vieh, Eisen und Siegpunkte.
Nicht nur das Setzen, sondern auch das Entfernen von Figuren löst Aktionen aus. Tolle Grafik der Wikinger-Charaktere.
Leute, die gerne im Wettstreit mit anderen um Ressourcen rangeln und schon etwas Erfahrung mit Brettspielen haben.
Wer erinnert sich noch an das hochdramatische Musik-Thema, das im Trickfilm «Wickie und die starken Männer» immer genau dann gespielt wurde, wenn der schreckliche Sven auftauchte? Wir zuckten jedenfalls immer vor dem TV-Gerät zusammen und duckten uns. Es gibt das passende Spiel zu dieser Melodie: «Räuber der Nordsee». Es galt lange als Geheimtipp, war im deutschsprachigen Raum nur in einer sehr kleinen Auflage präsent und ziemlich schwer erhältlich. Jetzt ist es aber in den Läden.
Sein Erfinder, Shem Phillips, sieht selber aus wie ein bärtiger Wikinger, lebt aber mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Neuseeland.
Seit 2007 veröffentlicht der ehemalige Betriebsleiter einer Textildruckerei Spiele in seinem eigenen Verlag Garphill Games, wo er sich auf das Wikinger-Thema spezialisiert hat. In seiner «Nordsee Saga» sind bisher drei Titel erschienen, die schon rein optisch aus dem oft nach Verniedlichung strebenden deutschen Spielegrafik-Einheitsbrei völlig herausstechen.
Die deutsche Version ist im Schwerkraft-Verlag erschienen. Die Wikinger in «Räuber der Nordsee» sind raue, langhaarige, tätowierte Gesellen mit grimmigen Gesichtszügen. Für ihre spezielle Optik ist der Grafiker Mihajlo Dimitrievski («The Mico») aus Mazedonien verantwortlich. Das Spiel sieht nicht nur wunderbar aus, sondern es spielt sich auch wirklich toll, so dass es dieses Jahr sogar zu einem der drei Finalplätze in der Nomination zum «Kennerspiel des Jahres» gereicht hat.
«Räuber der Nordsee» ist ein typisches Worker-Placement-Spiel: Die Spieler platzieren Figuren auf bestimmten Feldern des Spielplans und dürfen je nach Feld unterschiedliche Aktionen ausführen. Dabei gibt es aber zwei Besonderheiten: Nicht nur das Hinstellen, sondern auch das Wegnehmen von Figuren löst Aktionen aus. Und nicht alle Figuren können auf alle Felder gestellt werden. Um lukrativere Aktionen auslösen zu können, muss man erst Figuren mit höheren Leveln erobern und quasi «freischalten».
Das Spielbrett ist in zwei Zonen aufgeteilt. Im friedlichen Wikingerdorf zu Hause wird in den verschiedensten Gebäuden erst einmal aufgerüstet: In der Silberschmiede gibt es Geld, in der Mühle Proviant, beim Torhaus am Dorfeingang kommen neue Wikinger an, die man anheuern kann. Die Charaktere haben unterschiedlichste Fähigkeiten. Die einen geben Ressourcen-Bonusse, andere beklauen die Gegner, wieder andere sind von einer tiefen Todessehnsucht beseelt und bringen Vorteile, wenn man sie nach Walhall schickt. In der «Baracke» (okay, da hat der Übersetzer aus dem Englischen ein bisschen vor sich hin geträumt) werden dann möglichst schlagkräftige Schiffsbesatzungen ausgebildet und zusammengestellt.
Ist ein Spieler der Meinung, dass sein Schiff genug Power hat, geht es auf Plünderfahrt in die grosse weite Welt. Häfen sind noch relativ einfach einzunehmen. Gegen Aussenposten, Klöster und Festungen wird es aber immer schwieriger. Als Belohnungen winken im Spiel unterschiedlich verwertbare Beute wie Vieh, Eisen und Gold sowie Siegpunkte.
Plündern ist aber wie im richtigen Leben auch gefährlich: Denn in den Küstenorten lauern auch todbringende Walküren auf die Bootsbesatzungen, die Wikinger unwiderruflich nach Walhall mitnehmen. Aber selbst das gibt Siegpunkte und kann als Strategie forciert werden.
Schon vom Thema her ist «Räuber der Nordsee» natürlich kein typisches Familienspiel. Es ist aber auch nicht besonders schwierig und richtet sich an Leute, die schon etwas Spielerfahrung gesammelt haben. Die Regeln sind sehr logisch und überhaupt nicht schwer zu begreifen. Entgegen der Schachtelangabe ist das Spiel bereits ab 12 Jahren spielbar. Es ist ein doch relativ zügiges und kurzweiliges Abenteuer, bei dem man genau darauf achten muss, was die Mitspieler tun. Immer wieder schnappen sie einem Ressourcen oder Plünderorte vor der Nase weg, während man aus ihren Ohrmuscheln heraus den Soundtrack zum schrecklichen Sven zu vernehmen glaubt. Eine gute Planung und das richtige Timing sind auf dem Weg zum Wikinger aller Wikinger unentbehrlich.
Als Jurymitglied ist Tom Felber verpflichtet, sämtliche relevanten neuen Spiele mehrfach auszuprobieren. Dazu benötigt er natürlich auch immer wieder neue Mitspieler. Wer Lust hat, mitzuspielen, kann sich über spieleabende@bluewin.ch für seinen Newsletter anmelden. Die Spiele-Testrunden finden jeweils in Zürich statt.