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In dem Film stecken jetzt also 5,73 Millionen unserer Gebühren. Deshalb sagt SRG-Generaldirektor Roger de Weck am Dienstagabend auf der Piazza Grande auch: «Liebe Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler, das ist Ihr Film! Sie haben den finanziert!»
Insgesamt kostet «Gotthard», eine Co-Produktion der Schweiz mit Deutschland und Österreich, 11 Millionen Franken. Damit ist der Zweiteiler oder Dreistünder (halt, nein, man muss jetzt «Miniserie» dazu sagen) der teuerste Schweizer Film aller bisherigen Zeiten. Was natürlich ein Klacks ist. In Hollywood heisst teuer ab 200 Millionen. Im Vergleich: Eine «Tatort»-Folge kostet 2,2 Millionen, der neue «Heidi»-Film 8,5 Millionen.
Im Fernsehen wird die Miniserie (Regie: Urs Egger) erst im Dezember zu sehen sein. Das Filmfestival Locarno schenkt der lokalen Bevölkerung und allen anwesenden Touristen vor dem offiziellen Festivalstart eine Gratisvorstellung. Wär ja auch krass, wenn wir für unseren gebührenfinanzierten Film auch noch Eintritt zahlen müssten.
Versprochen werden: Emotionen, ergreifende Schicksale, Explosionen, viel, viel Personal, «tuusigi vo Rösser und Schtatischte» (die Schauspielerin Miriam Stein), geile Kulissen, Spannung ohne Ende. Und: Dass wir in Zukunft alle mit einem erweiterten Bewusstsein durch den Gotthard fahren werden. Aber ein bisschen ist das alles auch egal, denn man weiss ja eh, das im Dezember, wenn noch Monate der gebührenfinanzierten Werbung über den Sender gegangen sein werden, alle schauen. Dass die Quote stimmt, ist jetzt schon klar.
Nach zehn Minuten denk ich mir (es ist ja auch «mein» Film): Schweizer Fernsehen, lass es doch einfach sein mit den Schweizer Drehbüchern, stell lieber einen dänischen oder isländischen Autor an, die können das. Was ist das hier? Der mühsam überkonstruierte Schwank einer Laienbühne?
Es ist zu viel Komödie im ersten Teil, zu viel Anbändeln einer dazu erfundenen Romanze zwischen einer Urnerin, einem Italiener und einem Deutschen, die sich zufälligerweise in Göschenen treffen. Zu wenig Tunnel (der ist nämlich toll), zu wenig Baustellen-Epos, zu wenig Mut zum Realismus, zu wenig Mut überhaupt. Das ist allerkonventionellstes Kostümfernsehen.
Leider ist der Drehbuchautor von «Gotthard» aber kein Schweizer, sondern der Deutsche Stefan Dähnert. Und leider ist der normalerweise gut. Okay, er hat mal für den «Tatort» die grässliche Bodensee-Ermittlerin Klara Blum entwickelt, aber er hat auch das Buch zur «Tatort»-Miniserie «Wegwerfmädchen» geschrieben. Nun kann man sich fragen: Was ist schief gegangen auf dem Weg von Herrn Dähnert über das Schweizer Fernsehen bis hin zum Endprodukt? Ist SRF wirklich der grosse Kreativitätskiller, als den es Autoren und Regisseure immer beschreiben?
Nach zwei Stunden hab ich begriffen: Ach so! Es ist «Les Misérables» ohne Musik! Um etwas positiv vorweg zu nehmen: Der zweite Teil ist viel besser. Da ist die ganze Theäterli-Exposition erledigt, da geht es um den gewaltsam nieder geschossenen Arbeiterstreik, um die böse Kraft des Staubs, um Seuchen, Sex, den unglaublichen Tod von Tunnelbauer Louis Favre. Und schliesslich um den Durchbruch, die erlösende Begegnung zweier Männer am Loch, der eine fragt: «Göschenen?», der andere: «Airolo?»
Da überwältigt die Grösse der Ereignisse endlich jeden schwankhaften Wankelmut des Drehbuchs. Da kann man sich das Ding anschauen. Die Sache mit dem neuen Bewusstsein angesichts des Gotthards braucht bis Dezember allerdings noch einiges an Beschwörungs-Rhetorik von Roger de Weck.