Die Befürchtungen bei Fans, Spielern und Funktionären waren gross: Wie würde der Videobeweis auf der grossen WM-Bühne wohl ankommen? Bilder von wütenden Spielern, enttäuschten Fans und überforderten Schiedsrichtern wurden gezeichnet.
Erstmals wird der VAR («Video Assistant Referee») bei einer WM eingesetzt. Bei der Hauptprobe am Confed Cup vor einem Jahr gab es gleich mehrfach Konfusion. Auch in der deutschen Bundesliga sorgten kuriose Ausgeburten der Video-Technologie wie der Pausen-Penalty von Mainz und drastische Fehlentscheide immer wieder für Kopfschütteln.
Nach drei WM-Tagen in Russland ist dagegen festzuhalten: Der Videobeweis macht bislang keinerlei Probleme. Im Gegenteil: Die Spiele wurden sogar merklich fairer.
Frankreich feierte dank der Technik sogar einen verdienten Sieg, statt sich zum WM-Start gegen Australien gleich zu blamieren. Im gestrigen Mittagsspiel entschied Schiedsrichter Andres Cunha nach Rücksprache mit dem Video-Schiedsrichter und Studium der Bilder auf Penalty für die Franzosen, den Antoine Griezmann zum 1:0 verwertete. Später gab er das Siegtor von Paul Pogba nur dank der Torlinientechnik.
In der Partie zwischen Dänemark und Peru (1:0) hatte Schiedsrichter Papa Bakary Gassama aus Gambia nach einem Foul von Yussuf Poulsen am Peruaner Christian Cueva im Strafraum zunächst weiterlaufen lassen. Nach der Intervention des Videoschiedsrichters schaute sich Gassama die Szene aber noch einmal am Spielfeldrand an und gab Penalty. Den Elfmeter schoss der Gefoulte jedoch über die Latte.
Das heisst aber nicht, dass Fehlentscheidungen damit komplett verhindert werden können. Wo Menschen arbeiten und entscheiden, wird es immer Fehler geben. Nach dem grenzwertigen Ellbogen-Einsatz von Diego Costa gegen Pepe vor Spaniens 1:1-Ausgleich gegen Portugal, hätte man durchaus abpfeifen können. Doch der VAR meldete sich nicht. Ebenso wenig wie bei einem ersten Foul an einem Peruaner im Strafraum der Dänen.
Trotz dieser kleinen Mängel ist der erste Eindruck durchwegs positiv. Der Videobeweis macht, was er soll und das ganze Prozedere geht in einem annehmbaren Tempo über die Bühne. Auch die Transparenz ist gewährleistet: Der Zuschauer im Stadion und am TV-Gerät sieht, wie sich der Hauptschiedsrichter die Szene an der Seitenlinie noch einmal zu Gemüte führt und wie er sich dann entscheidet. Und – das ist auch wichtig – der Fan im Stadion und zuhause kriegt die genau gleichen Bilder zu sehen.
Noch wurde der Videobeweis allerdings erst bei Penalty-Szenen angewandt – und erst noch bei ziemlich klaren. Aber was passiert nach einer kniffligen 50:50-Entscheidung? Was, wenn das erste Tor wegen eines Fouls oder Abseits erst Sekunden oder gar Minuten später aberkannt wird und die Emotionen bei Fans und Spielern hochgehen? Läuft dann immer noch alles so transparent und geregelt ab?
Der FIFA kann das vorerst egal sein. Als «sehr zufriedenstellend» bewertet der Weltverband nach den ersten drei Spieltagen die Premiere des Videobeweises. «Es ist so gelaufen, wie es laufen soll. Wir hoffen, dass es so weitergeht», sagte ein Sprecher nach den ersten sichtbaren Einsätzen der Video-Assistenten. Genau das hoffen wir auch! (pre/sda)