Es war wirklich nichts für schwache Nerven, was sich am Sonntagabend im etwas heruntergekommenen englischen Seebad Minehead abspielte. Im Final der UK Open im Darts forderte der krasse Aussenseiter Andrew Gilding den haushohen Favoriten Michael van Gerwen heraus.
Ein Siegercheck mit dem Betrag von 110'000 Pfund (rund 122'000 Franken) ging an denjenigen Spieler, der zuerst elf Legs für sich entscheiden konnte. Nach zwanzig Legs stand es 10:10 – im letzten Durchgang ging es somit um Alles oder Nichts.
🏆 GLORY FOR GOLDFINGER! 👍
— PDC Darts (@OfficialPDC) March 5, 2023
HE HAS DONE IT!
Andrew Gilding defeats Michael van Gerwen in a thrilling deciding leg to become the 2023 Cazoo UK Open CHAMPION!!
It's a first ever televised title for the 52-year-old, what a moment for Goldfinger! pic.twitter.com/4MOuYkRxDW
«Goldfinger» Gilding setzte van Gerwen unter Druck, doch mit seinen ersten drei Match-Darts verpasste er den Sieg. So bekam der erfolgsverwöhnte «Mighty Mike» die Gelegenheit, den Turniersieg an sich zu reissen. Weil aber auch der Niederländer das Doppelfeld verfehlte, durfte Gilding doch noch einmal ans Oche schreiten – und es gelang ihm, sich mit einem Wurf auf die Doppel-20 den Triumph in diesem Duell zweier Glatzköpfe zu sichern.
Angetreten war Andrew Gilding als Nummer 41 der Welt, bei der WM im legendären Alexandra Palace in London war er noch nie über die 2. Runde hinausgekommen. Erfolge waren so rar wie Banknoten im Portemonnaie des Dartsprofis. «Ich hatte mein Leben lang nie Geld», sagte Gilding, nachdem er den Jackpot geknackt hatte.
Mit dem Preisgeld wolle er sich einen Umzug finanzieren, erzählte er der BBC. Seit 30 Jahren wohne er in der Grafschaft Suffolk schon in der gleichen Ein-Zimmer-Wohnung, aus der er nun endlich raus wolle.
Das Leben meinte es nicht immer gut mit dem Brillenträger. Er hielt sich mit Arbeit in einem Schlachthof und einer Geflügelfabrik über Wasser. Als er den Job verlor, zog er sich in die eigenen vier Wände zurück. «Ich hatte psychische Probleme und ging nicht mehr nach draussen», schilderte er.
Besser wurde es, als er in einer Kirchenband zur Gitarre griff. «Dadurch kam ich wieder mit anderen Leuten in Kontakt und jemand riet mir, ich solle doch einem Team beitreten.» Und so begann Gilding, mittlerweile Anfang 30, im örtlichen Pub mit dem Darts-Spiel.
Der Erfolg am Gibraltar Open 2011 blieb bis am Sonntag sein einziger Turniersieg. «Ich war buchstäblich am Ende und fühlte mich miserabel, jetzt bin ich ganz oben. Was für ein Umschwung, unglaublich!» Sein Leben lang träume er schon von einem eigenen Snooker-Tisch im Haus. «Aber das wird dann erst bei einem WM-Titel etwas», ist ihm bewusst.
Er hoffe, er gewöhne sich an sein neues Leben mit etwas Geld im Sack, betonte Andrew Gilding. «Ich muss mit den Füssen auf dem Boden bleiben.» Er wolle sowieso gar nicht unbedingt ein Superstar sein. «Es ist einfach toll, seinen Lebensunterhalt mit etwas zu verdienen, das man nicht hasst. Das ist der Traum und diesen Traum lebe ich.»