Sport
Der Eismeister-Check

Gottéron in der Saison 2024/25: Alles zu Spieler, Trainer und Klub

Gerd Zenhaeusern, directeur sportif du HC Fribourg-Gotteron, a gauche, et John Gobbi, directeur general du HC Fribourg-Gotteron, a droite, reagissent lors d'un echange avec les differents represe ...
Gerd Zenhäusern (links) hat Christian Dubé entlassen. Bild: keystone
Der Eismeister-Check

Der König Gottérons ist tot, es lebe der Zwischen-König

Nach neun sportlich mageren, aber wirtschaftlich durchaus fetten Jahren mit einer einzigen gewonnen Halbfinalpartie gegen Lausanne hat Gottéron den Mut gefunden, sich von Christian Dubé zu trennen. Aber Wunschtrainer Roger Rönnberg übernimmt erst im Sommer 2025. Und doch: Wir sollten nicht den Fehler machen, Gottéron für die Saison 2024/25 abzuschreiben.
12.09.2024, 09:2512.09.2024, 16:18
Mehr «Sport»

«Le roi est mort, vive le roi»; mit dieser Heroldsformel wird in Frankreich bis 1824 der neue König ausgerufen. Ganz so dramatisch ist es bei Gottéron nicht. Aber mit Christian Dubé ist im Juni nach fast einem Jahrzehnt ein Alleinherrscher mit durchaus royalem Selbstverständnis abberufen worden. Allerdings gibt es einen Unterschied zur französischen Monarchie: Der neue Sportchef hat zwar das Ende der Regierungszeit von «König Dubé» verkündet, aber den neuen König erst für 2026 angekündigt.

Das führt zur kuriosen Situation, dass Gottéron nach der Absetzung des alten Königs sportlich erst einmal von einem Zwischen-König regiert wird. Sein Name: Patrick Émond. Er war letzte Saison Assistent von Christian Dubé und ist sozusagen vom Prinzen zum König befördert worden. Sportchef Gerd Zenhäusern, ein schlauer Walliser, war zuvor Büro-Assistent von Christian Dubé gewesen. Ein Büro-Assistent, der als erste Amtshandlung nach der Beförderung zum Sportchef seinen Chef feuert, und ein neuer Trainer, der schon weiss, dass er am Ende der Saison gehen muss: Das alles passt wunderbar zur Hockey-Traumfabrik Gottéron.

Hier spielt das wahre Leben. Aber das Publikum will auch auf dem Eis unterhalten sein. In der sportlichen Führungsetage mag es eine Zwischensaison sein. Auf dem Eis aber muss es rocken und rollen, wenn wieder jedes Spiel in einem ausverkauften Stadion zelebriert werden soll. Für die alternden Leitwölfe Julien Sprunger (38), Raphael Diaz (38) und Ryan Gunderson (39) ist es womöglich das letzte Hurra ihrer Karriere. Die Motivation wird gross sein und es wäre ein Fehler, den «Zwischen-König» an der Bande und seine Mannschaft zu unterschätzen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Christian Dubé kann Patrick Émond Playoff. Er hat Servette im Frühjahr 2021 in den Final geführt. Und bereits im November 2021 den Job verloren. Er kann auch Entlassung.

Kaderübersicht mit Einzelnoten

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
player_image

Nation Flag

Aktuelle
Note

info
  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

  • Erwarte

Trainer: Note 5

Benotung: 1 bis 10.

Christian Dubé hat in den sozialen Medien mutmasslich unfreiwillig einen Einblick in sein Seelenleben gegeben, als er – als Gottéron-Trainer noch in Amt und Würden – ein Bild mit dem Spruch «I’m the Best, Fuck the Rest» veröffentlichte. Womit wir sofort beim Thema sind. Dem Kanadier fehlte es nie an Selbstvertrauen, aber auch nie an Selbstironie. Seine Zuversicht war ansteckend. Für die Fans, die Chefetage, die Chronistinnen und Chronisten, die Sponsoren und eigentlich alle, die rund um Gottéron etwas zu sagen haben. Deshalb hat er neun Jahre als Sportchef und zuletzt viereinhalb Spielzeiten zusätzlich als Trainer Gottéron geprägt.

Man mag kritisieren, dass es Christian Dubé auch mit der teuersten Mannschaft der Klubgeschichte nie über den Halbfinal hinausgebracht hat. Aber er hat Gottéron eine Seele gegeben und letzte Saison waren zum ersten Mal in der Geschichte sämtliche Spiele ausverkauft. Nur einer hat sich von seinem Charisma nicht blenden lassen: sein Assistent im Büro. Der schlaue Walliser Gerd Zenhäusern. Seine erste Amtshandlung nach der Beförderung zum Sportchef (er sollte Christian Dubé durch diese Amtsübernahme entlasten): Er hat den Trainer Christian Dubé gefeuert. Die Nachfolgeregelung ist allerdings nicht ohne Risiko. Patrick Émond ist zwar auch Frankokanadier. Aber ansonsten der Gegenentwurf zu seinem modebewussten Vorgänger: Ein freundlicher und bescheidener Hockey-Nerd, der es ganz und gar nicht mag, im Mittelpunkt zu stehen. Ein Gentleman, der es unanständig fände, sich selbst zu überhöhen. 2019 hat ihn Chris McSorley zum Cheftrainer befördert, er führte Servette in seiner zweiten Saison 2021 in den Final und musste im November seinen Job Jan Cadieux überlassen.

Trainer Patrick Emond spricht neben einem Filmplakat waehrend einer Medienkonferenz von Fribourg-Gotteron zur neuen Saison, am Montag, 2. September 2024, in Fribourg. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Émond ist der neue Chef – aber nur für ein Jahr.Bild: keystone

Yves Sarault, als rauer Leitwolf 2004 mit Bern und 2007 mit Davos Meister, ist nun sein Assistent und wird das tun, was sein Chef nicht kann und mag: bei Bedarf toben, dass die Wände wackeln. Alles gut und recht und weise und logisch. Aber diese Trainerlösung ist ein Kuriosum, das es in unserem Hockey noch nie gegeben hat: Patrick Émond weiss nicht nur bereits bei seinem Amtsantritt, dass er im nächsten Frühjahr gehen muss. Er weiss auch schon, wer dann sein Nachfolger wird: der Schwede Roger Rönnberg.

Das bedeutet: Es bleibt den Spielern nur noch eine Saison, um nach Lust und Laune zu spielen, dem Spektakel zu frönen, Eishockey zu spielen, statt zu arbeiten. Im Sommer 2025 wird der Hockey-Frühling zu Ende gehen und es kommt unter dem schwedischen Trainer der taktische Winter mit kühlem Schablonenhockey. Gottérons Trainerlösung ist eine Walliser Schlaumeierei, die allerhöchsten Unterhaltungswert hat. Auf dem Eis und wahrscheinlich auch neben dem Eis.

Hockey haut dich um!
Auch in dieser Saison können die Schweizer Eishockeyfans ausgewählte Spiele im Free-TV mitverfolgen.

Das ganze Programm von TV24, 3+ und oneplus findest du hier.
TV24 Logo 3plus Logo

Torhüter: Note 7

Auch eine Rückenoperation hat Reto Berra nichts von seinem Leistungsvolumen eingebüsst. Er ist und bleibt auch mit bald 38 Jahren einer der Top-Goalies in dieser Liga. Aber es wäre riskant, den doppelten WM-Silberhelden und HCD-Meister von 2009 wieder so stark zu forcieren wie letzte Saison und erneut in 41 Spielen mehr als 1000 Pucks abwehren zu lassen. Sage mir, ob Bryan Rüegger dazu in der Lage ist, Reto Berra für mindestens 20 Partien zu entlasten, und ich sage dir, ob Reto Berra im Frühjahr immer noch in Bestform sein wird.

le gardien Reto Berra (HCFG) encaisse le 2-0 marque par Theo Rochette (LHC), lors de l'acte 3 des demi-finales des play-off du championnat suisse de hockey sur glace de National League entre Frib ...
Reto Berra braucht ab und an auch eine Pause.Bild: keystone

Abwehr: Note 8

Nur 124 Gegentore – weniger waren es seit dem Qualifikationssieg von 2012/13 nie. Und doch gibt es Anlass zur Sorge: Die Verteidigungsminister sind Graubärte geworden: Ryan Gunderson ist inzwischen 39, sein Abwehrpartner Raphael Diaz wird im Januar gleich alt. Keiner kann in den defensiven Schuhen dieser beiden Leitwölfe stehen. Aus Biel kommt zwar Yannick Rathgeb. Aber wird an der offensiven und nicht an der eigenen blauen Linie patrouillieren. Mehr als 140 Gegentore? Es wäre keine Überraschung.

Le defenseur fribourgeois Raphael Diaz, le defenseur fribourgeois Benoit Jecker, le PostFinance Top Scorer PostFinance fribourgeois Christopher Didomenico, le defenseur fribourgeois Ryan Gunderson, l& ...
Können Gunderson und Diaz die Gottéron-Abwehr nochmals zusammenhalten?Bild: keystone

Sturm: Note 9,5

Was für eine offensive Herrlichkeit: 175 Tore. Nicht nur der beste Angriff der Liga. Es sind sogar so viele wie nie mehr seit 1994/95 (177), als mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow zwei der besten Stürmer der Welt für die unvergesslichen russischen Flugjahre sorgten. Gibt es Grund zur Sorge? Nein.

Le Top Scorer PostFinance Marcus Soerensen (HCFG) est photographie, lors de l'acte 3 des demi-finales des play-off du championnat suisse de hockey sur glace de National League entre Fribourg-Gott ...
Kann Marcus Sörensen seine geniale letzte Saison wiederholen?Bild: keystone

Es mag zwar sein, dass Chris DiDomenico (35), Marcus Sörensen (32) und Julien Sprunger (38) ein wenig in die Jahre gekommen sind. Aber das offensive Personal ist geblieben und unter dem freundlichen neuen Gentleman-Trainer wird es mehr offensive Freiheiten geben. Allerdings gilt: Die Offensive entscheidet Spiele, aber die Defensive und die Torhüter die Meisterschaft.

Management: Note 10

Präsident Hubert Waeber ist es als erstem Präsidenten der Klubgeschichte gelungen, die Emotionen dauerhaft von den Büros aufs Eis zu verlagern. Das ist in dieser Hockey-Traumfabrik eine wahre Meisterleistung. Die Kombination aus klugem Management und emotionalem Hockey zinst in einem Rekord: Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Hockeys ist es einem Klub gelungen, ein Stadion zu 100 Prozent auszulasten. Die wirtschaftliche Basis ist so stabil wie nie in der Klubgeschichte (seit 1937) und es fehlt nur die sportliche Krönung.

Lausannes Torhueter Kevin Pasche, links, Lukas Frick, rechts, und ihre Teamkollegen stehen vor der Choreographie der Fribourg Fans mit einem grossen Bild des Freiburger Mixed Martial Arts MMA Kaempfer ...
Immer ausverkauft – bei Gottéron kommen die Fans in Scharen ins Stadion.Bild: KEYSTONE

Aber wenn es einen Klub gibt, der ohne Meistertitel glücklich sein kann, dann ist es Gottéron. Wovon sollen die leidenschaftlichen Fans denn träumen, wenn sie einmal Meister geworden sind? Eben. Der neue Sportchef Gerd Zenhäusern hat unser Hockey zum Start gleich mit einer Walliser Schlaumeierei in der Trainerfrage bereichert. Kein Problem: Führt diese unkonventionelle Lösung nicht zum Erfolg, dann wird die Unterhaltung eine vortreffliche sein. Und um gute Unterhaltung geht es bei Gottéron in erster Linie. Oder?

Deine Meinung

Wo landet Fribourg?

Eine Saisonvorschau von Eismeister Zaugg mit Rang-Prognosen zu allen Teams folgt kurz vor dem Saisonstart.

Die weiteren Eismeister-Checks

Idee, Konzept und Inhalt: Klaus Zaugg. | Redaktionelle Betreuung: Adrian Bürgler, Olivier Meier. | Technische Umsetzung: Nicole Christen, Carlo Natter, Philipp Reich, Jelle Schutter. | Spielerportraits: nationalleague.ch.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
1 / 13
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Despacito mit Eishockey-Spielern
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Pacha Mama
12.09.2024 10:56registriert Dezember 2018
Ich denke es könnte eine schwierige Saison für Gottéron werden. Das Team ist für die Dreifachbelastung nicht breit genug. Es ist auch nicht zu erwarten, dass sie nochmal so wenig Verletzungspech hat wie letzte Saison. Im Gegensatz zum Eismeister sehe ich das Problem aber eher im Angriff als in der Verteidigung. Schon letzte Saison war die Abhängigkeit von den Ausländern und Bertschy zu gross. Es wird diese Saison aber auch sehr wichtig sein, die Jungen in der Mannschaft zu integrieren. Gottéron steht für die übernächste Saison vor einem sehr grossen Umbruch.
250
Melden
Zum Kommentar
25
Zwei Brüder entthronen Tony Hawk. Jahre später ist der eine im Knast und der andere tot
6. Oktober 1996: Mit dem WM-Sieg wird Tas Pappas vor seinem Bruder Ben zur Nr. 1 der Halfpipe-Skater. Doch dann beginnt der gnadenlose Abstieg der australischen Pappas Brothers.

Eine gute Sportgeschichte braucht Protagonisten, die möglichst gegensätzlich sind: Roger Federer vs. Rafael Nadal, Ayrton Senna vs. Alain Prost, Lionel Messi vs. Cristiano Ronaldo. Mitte der 90er Jahre sah es eine kurze Zeit danach aus, als würde auch das Duell Pappas vs. Hawk Legendenstatus erhalten. Denn die Voraussetzungen dafür waren perfekt.

Zur Story