Nicht einmal nach Ralph Kruegers Demission als nationaler Trainer (2010) sind in unserem Hockey so viele Psalmen gesungen worden wie in den letzten Tagen für Arno Del Curto.
Ja, General Henri Guisan nach der Demobilisierung der Armee und Bundesrat Adolf Ogi nach dem Adieu aus der Politik sind bei weitem nicht so gerühmt worden wie der «ewige» HCD-Trainer.
Das ist erfreulich. Arno Del Curto hat jeden Buchstaben der Lobeshymnen verdient. Aber zugleich sind diese Lobgesänge beunruhigend. Der grandiose Abgang könnte den Nonkonformisten ja dazu verleiten, nicht mehr ins Hockey zurückzukehren. Meidet er fortan die Banden, ist ihm ewiger Ruhm sicher.
Aber Eishockey ohne Frontmann Arno Del Curto ist wie die Rolling Stones ohne Mick Jagger. Etwas fehlt. Und es kann ja nicht sein, dass der grösste Schweizer Trainer aller Zeiten künftig nur noch irgendwo in einem TV-Studio als Experte den «Louis de Funès des Hockeys» gibt.
Inzwischen haben sich die Weihrauchwolken verzogen. Der nüchterne Verstand beginnt wieder zu funktionieren. Der Blick wird frei auf das Hockey-Tagesgeschäft. Und wir erkennen: Die Hockeygötter haben eine wunderbare Situation arrangiert: Die ZSC Lions und Lugano sind unter dem Strich klassiert und Arno Del Curto ist arbeitslos.
Ach, wie oft haben wir in den letzten 20 Jahren das Gerücht verbreitet, der HCD-Trainer könnte Bandengeneral in Lugano oder Zürich werden. Und nur er weiss, wie oft sich die Autoritäten dieser Klubs um seine Dienste bemüht haben. Egal. Er hat immer «nein» gesagt.
Der Chronist wagt es als Laie nicht, die Arbeit von Serge Aubin im Hallenstadion und Greg Ireland in Lugano zu kritisieren. Da seien die Hockey-Götter davor! Aber er kann erzählen, was er sieht.
Greg Ireland und Serge Aubin haben keinerlei Charisma. Würde einer der beiden neben Arno Del Curto in einem Kabinengang stehen, so würde man ihn für den Assistenten des Materialwartes halten. Alleine die Präsenz von Arno Del Curto würde in Lugano oder in Zürich für einen eruptiven Energieschub sorgen. Und, natürlich, für beste Unterhaltung.
Lassen wir einmal Lugano aussen vor. Lugano hat zwar in seiner Geschichte immer wieder grossen Trainern alle Macht überlassen. Aber die Gefahr wäre gross, dass die «welsche Mafia» um «Don Vauclair» gegen einen so fordernden und kompromisslosen Trainer erfolgreich intrigieren würde. Mit ziemlicher Sicherheit ist Arno Del Curto für Lugano zu gross.
Aber bei den ZSC Lions könnte er noch einmal so richtig rocken. Noch erlaubt es die Eitelkeit Sportchef Sven Leuenberger nicht, «seinen» Trainer Serge Aubin nüchtern und kritisch zu beurteilen. Natürlich wird der Gedanke an Arno Del Curto in Zürich noch verworfen. Den Trainer bis im nächsten Frühjahr im Amt zu halten, ist ja Pflicht.
Aber es braucht nicht mehr viele Niederlagen, bis sich die ZSC Lions ernsthaft um die Playoff-Qualifikation Sorgen machen müssen. Dann könnte die «Versuchung Arno Del Curto» Sven Leuenberger heimsuchen. Und einer Trainerentlassung, um Platz für Arno Del Curto zu machen, könnte vielleicht sogar Präsident Walter Frey zustimmen.
Für Arno Del Curto würde sich bei einer Rückkehr zu den ZSC Lions der Kreis schliessen. Die Zürcher haben ihn einst am 23. Oktober 1993 zu Unrecht entlassen. Mit einer Heimkehr in den Zürcher Hockeytempel wäre diese Schmach nach 25 Jahren getilgt.
Aber es gibt noch einen anderen «ewigen Hockeytraum»: Arno Del Curto und Marc Lüthi vereint beim SC Bern. Rock im Büro und Roll auf dem Eis. Bei Lichte besehen eigentlich der perfekte Karriere-Schlusspunkt für den ehemaligen HCD-Trainer. Eigentlich ist ein Lebenslauf im Schweizer Eishockey ohne eine Anstellung beim SCB unvollendet.
Spätestens im Sommer 2020 braucht der SCB einen Nachfolger für Kari Jalonen. Vielleicht auch früher. Arno Del Curto wird 2020 erst 64 Jahre als sein. Noch nicht einmal im AHV-Alter. Bei weitem nicht zu alt, um ein Meistertrainer zu sein. Scotty Bowman war 69, als er 2002 mit Detroit den Stanley Cup gewann. Eine NHL-Saison ist noch ein bisschen anstrengender als eine in der höchsten Liga unseres Landes.
Wäre die Hockeywelt ein Ponyhof, dann würde Arno Del Curto jetzt eine ausgedehnte Selbstfindungs-Auszeit antreten, alle Jobangebote ablehnen, eine NHL-Tour machen, Rockkonzerte und Pokerturniere besuchen, seinen Lebensmittelpunkt ganz in den schönen Oberaargau verlegen, viel «Ich-Zeit» nehmen, sich in langen Wanderungen über die Hügel und durch die Wälder erholen, die einst schon Albert Bitzius zu Werken der Weltliteratur inspiriert haben, und sich für den Anruf von SCB-Sportchef Alex Chatelain (oder dessen Nachfolger) bereithalten.
Aber er weiss ja selbst noch nicht, wie es weitergehen soll …