Auf einmal sind Zweifel da. Der erste offizielle Auftritt des neuen ZSC-Trainers im Rahmen einer Medienkonferenz provoziert eine Frage: War das der wahre Arno Del Curto, der auch schon mal als «Rockstar» der Hockeytrainer bezeichnet worden ist?
Der neue ZSC-Trainer sitzt vorne auf dem Podium im Medienraum des Hallenstadions brav im Veston neben den ZSC-Machern und beantwortet artig und leise die Fragen aus dem Plenum. Das soll ein Rebell sein? Ein Nonkonformist? Ein Hockey-Sozialromantiker?
Er trägt einen Tschopen und darunter ein schickes Hemd mit dem Sponsorenlogo auf dem Kragen. So brav und konventionell ist er noch gar nie aufgetreten. Einen Tschopen hat er bis heute erst im Rahmen der Champions League Spiele mit Davos getragen. Aber sicher nicht bei einem helvetischen Anlass. Da tritt er in Pullover und Jeans auf. Wie ein alter, der Roten Fabrik entflohener 68er.
Hockeytechnisch ist im Hallenstadion nun für einen Sturm auf die Titelverteidigung angerichtet. Dass Arno Del Curto ein meisterliches Feuer der Leidenschaft zu entfachen vermag wie vor einem Jahr Hans Kossmann steht ausser Frage. Aber was wir noch nicht bedacht haben: er kann es nur, wenn er der wahre Arno Del Curto sein darf wie oben in Davos. Der Arno, der schalten und walten darf wie der will. Der Arno, der es wagt, zu schalten und zu walten wie er will. Die Trainerpersönlichkeit Arno Del Curto ist eben auch ein Produkt der HCD-Welt.
Die Frage ist also: kann er in diesem neuen Umfeld sich selbst treu bleiben? Zum ersten Mal in seiner Karriere muss sich der Kulttrainer an die Strukturen einer professionellen Hockeyfirma gewöhnen. Er ist nicht mehr das Zentrum eines Hockey-Universums und nur dem Präsidenten (und allenfalls den Hockeygöttern) Rechenschaft schuldig. Er ist «nur» noch ein wichtiger Angestellter. Mit Sportchef Sven Leuenberger, Manager Peter Zahner und Präsident Walter Frey als Vorgesetzte. So viele Chefs hatte er noch gar nie in seiner Karriere.
Das Bild, wie er da vorne sitzt, auf gleicher Höhe mit dem ZSC-Sportchef, mit dem ZSC-Manager, mit seinem Assistenten Michael Liniger und mit dem ZSC-Kommunikationschef spricht Bände: er ist nicht mehr der einzige, der etwas zu sagen hat. Erstmals seit 22 Jahren ist er der Primus inter pares. Der Erste unter Gleichen.
Der sechsfache HCD-Meistertrainer ahnt, dass solche Fragen im Raum stehen und bemüht sich bei seinem ersten offiziellen Auftritt für die ZSC Lions sichtlich um Normalität.
Nur ja jetzt nicht schon ins Fettnäpfen treten. Er sagt beispielsweise, er sei froh, dass er sich nun nicht mehr um alles kümmern müsse wie in Davos. «Das möchte ich nicht noch einmal erleben.»
Arno Del Curto spricht leise. Nicht nur wegen einer gerade auskurierten Erkältung. Er ist sichtlich beeindruckt von diesen ZSC Lions, die so gar nichts mehr gemeinsam haben mit dem Skandalclub ZSC bei dem er einst Anfang der 1990er Jahre seine Trainerkarriere begonnen hat.
Arno Del Curto ist sozusagen in einem Hockey-Wunderland angekommen. Wo er sich nur noch um das Training und Coaching der ersten Mannschaft kümmern muss. Gerne wird vergessen, dass ein Teil seines Erfolges in Davos die totale Kontrolle, dieses Kümmern um alles war.
Es ist nicht so sehr die Frage, ob man Arno Del Curto im Hallenstadion machen lässt wie in Davos oben, ob man ihm den Freiraum gibt, sich selbst zu sein. Viel wichtiger ist die Antwort auf die Frage, ob er es wagt, in dieser neuen Umgebung sich selber zu sein, zu sein wie in Davos.
Im Rahmen dieser denkwürdigen «Inthronisierungsfeier» für Arno Del Curto tauchte auch die Frage auf, ob es sich die ZSC Lions denn leisten können, so oft den Trainer zu wechseln. Wäre es womöglich nicht besser, für einmal die Mannschaft in die Verantwortung zu nehmen und den Trainer im Amt zu halten?
Diese Frage ist richtig und falsch zugleich. Eine Hockeyfirma wie die ZSC Lions kann es sich leisten, die Trainer häufig zu wechseln. Erstens spielt das Geld mit Milliardären im Verwaltungsrat keine Rolle und zweitens ist der Unterbau mit einer der besten Nachwuchsabteilunten Europas und einem gut funktionierenden Farmteam-System wirtschaftlich und sportlich rocksolid.
Die ZSC Lions sind ein Unternehmen der Unterhaltungsindustrie in der Unterhaltungs- und Medien-Hauptstadt des Landes. Von den ZSC Lions wird erwartet, dass sie erfolgreich sind, dass sie Abend für Abend eine gute Show bieten und dass sie handeln, wenn Erfolg und Show ausbleiben. Wie in jeder Firma werden Chefs und Personal ausgetauscht, wenn die Ziele nicht erreicht werden. Es kommt lediglich darauf an, die richtigen Leute zu feuern und zu heuern.
So gesehen haben die ZSC Lions diese Saison alles richtig gemacht und mit Arno Del Curto den richtigen Trainer geholt.
P.S.: die Frage ist, ob dieser Trainerwechsel am Ende die SCL Tigers die Playoffs kosten könnte. Die Behauptung dürfte richtig sein, dass die Emmentaler die beiden nun anstehenden Partien am Freitag in Langnau und am Samstag in Zürich mit Serge Aubin an der ZSC-Bande gewonnen hätten. Aber nun werden die Zürcher unter neuer Leitung ganz anders auftreten und es wird für die Langnauer schwieriger. Oder doch nicht? Der grosse Hockey-Weise Ueli Schwarz, der nicht im Ruch der Parteilichkeit steht, sagt: «Die Langnauer sind so gefestigt, dass es keine Rolle spielt, wer bei den ZSC Lions an der Bande steht.»
Seine Worte im Ohr der Hockey-Götter.