SCB-General Marc Lüthi ist es gelungen, nach der sportlichen nun auch die politische Macht in Bern zu konzentrieren.
Ach, wie hat Michael Rindlisbacher (62) monatelang betont, dass er ganz, ganz, ganz, ganz sicher nicht Präsident werden wolle. Dass er nach dem Rücktritt von Marc Furrer den Verband bloss interimistisch führe, bis ein Nachfolger gefunden sei. Persönlich präsidierte er die Findungskommission. Und nun wird er doch Präsident. Er sagt: «Ich habe tatsächlich gesagt, dass ich nicht Präsident werden wolle. Aber der Nachsatz ist immer überhört worden: dass ich nicht Präsident werden wolle, wenn ich dann im Verwaltungsrat das Sportressort abgeben müsste.» Diesen Nachsatz hat der Chronist tatsächlich nie gehört.
Kein Schelm, wer nun sagt, der famosen Findungskommission sei es in erster Linie darum gegangen, nicht zu finden. Damit Michael Rindlisbacher definitiv zum Präsidenten gekürt werden kann. Sicherheitshalber, damit ja kein Verdacht aufkommen konnte, ist auch noch erklärt worden, der neue grosse Vorsitzende dürfe kein Berner sein. Und nun ist das Ziel erreicht: Michael Rindlisbacher wird, da niemand gefunden worden ist, doch Präsident und da er schon drin ist, gilt das «Mutzen-Verbot» nicht.
Wir verneigen uns vor dem neuen Präsidenten. Seine persönliche Integrität steht ausser Frage. Der ehemalige Krankenkassen-Manager hat inzwischen seine Vermögensbildung abgeschlossen und kümmert sich noch um fünf Verwaltungsratsmandate – das Präsidium des Hockey-Verbands-Verwaltungsrates ist sein wichtigstes.
Aber Michael Rindlisbacher hat ein Problem: seine nahe Nähe zu SCB-Mitbesitzer Marc Lüthi. Er sass einst im SCB-Verwaltungsrat und sein Bub Sven sitzt als Gastronomieleiter in der SCB-Geschäftsführung. Michael Rindlisbacher, sind Sie bloss eine SCB-Marionette? «Nein, ganz sicher nicht. Ich pflege mit allen Klubs eine offene Kommunikation.»
Und weil das noch nicht genug SCB ist, soll nun auch noch der ehemalige SCB-Junior Mark Streit im Verwaltungsrat die Position eines Hockey-Aussenministers und «Posterboy» der WM 2020 übernehmen. Der ehemalige NHL-Profi wohnt mit seiner Familie bereits in Bern und will sich bis Mitte März entscheiden. Er wird zusagen. Der vollendeten Form halber durfte ZSC-Manager Peter Zahner in der Findungskommission Mark Streit als Verwaltungsrat vorschlagen.
Wir sollten uns später nicht wundern, wenn Mark Streits Gattin Fabienne Assistentin von Verbands-Kommunikationschef Kick Janos wird. Sie ist als ehemalige Kommunikations-Chefin bei Swiss Ski für so ein Amt prädestiniert. Michael Rindlisbacher gibt allerdings zu bedenken: «Ein interessanter Gedanke. Aber zu viel Familie ist nicht gut …»
Die Kür von Michael Rindlisbacher zum Verbandsboss ist auch ein Triumph für Verbands-Geschäftsführer Florian Kohler. Er sass selber in der Findungskommission, die nicht finden durfte, und hatte alles Interesse an einer Wahl des neuen Präsidenten. Der Grossbub von SCB-Kultpräsident Werner Kohler ist nun der mächtigste Mann in unserem Hockey. Es spielt keine Rolle, wer unter ihm Präsident ist. Michael Rindlisbacher ist sein Kumpel.
Künftig können die Sitzungen des Verbands-Verwaltungsrates praktischerweise während eines SCB-Spiels in der Loge von Marc Lüthi abgehalten werden. Fast alle wichtigen Funktionäre unseres Hockeys werden sich dort heimisch fühlen. Denn mit Liga-Direktor Denis Vaucher, Cup- und Spielplanchef Willi Vögtlin, Ausbildungschef Markus Graf, Einzelrichter Oliver Krüger und Schiedsrichter-Co-Chef Andreas Fischer sind weitere Berner und Lüthi-Kumpel in einer Schlüsselposition.
Noch nie ist unser Hockey in der Führung und in der Administration von einem einzigen Klub so dominiert worden. Michael Rindlisbacher sieht darin kein Problem. «Wir müssen ja nicht wie der Bundesrat auf eine ausgewogene Vertretung der verschiedenen Landesteile achten. Wir hatten auch schon Zeiten, da dominierten Zuger im Verband und es hat unserem Hockey auch nicht geschadet.»
In guten Zeiten ist eine solche Machtkonzentration kein Nachteil. Es kann sogar effizienter gearbeitet werden. Aber Sportverbände sind dynamische Organisationen, die ständigen Veränderungen unterliegen, nicht nur gute Zeiten kennen und sich nur weiterentwickeln können, wenn es eine lebhafte Streitkultur gibt und wenn die verschiedenen Interessen – Amateurhockey, Juniorenhockey (Ausbildung), Schiedsrichter, Nationalteams, Profiliga – berücksichtigt werden. Ob das bei so viel SCB und «Berner-Filz» möglich ist, wird sich weisen.
Das Aufgebot für die Herren Nationalmannschaft / La sélection de Patrick Fischer pic.twitter.com/RQ04kYYKPK
— Swiss Ice Hockey (@SwissIceHockey) 22. Januar 2018
So viel SCB war es jedenfalls noch nie. Der SCB hat sogar das grösste Kontingent beim olympischen Hockeyturnier. 13 SCB-Spieler – acht Schweizer und alle fünf Ausländer – werden dort auf der Weltbühne auftreten. Alles SCB oder was? Im Mundartrock heisst Bern verächtlich «Züri-West». Im Hockey schrumpft Zürich hingegen zu «Bern Ost».
Unser Hockey ist eine grosse SCB-Familie geworden. Das befeuert die Hockey-Verschwörungs-Theoretiker und garantiert beste Unterhaltung.