Thun überrascht alle – und nun wird sogar das Undenkbare denkbar
So langsam muss man sich die Frage stellen: Marschiert dieser FC Thun jetzt einfach durch?
Ganz ernst gemeint ist das natürlich nicht, aber trotzdem wirkt der Aufsteiger enorm gefestigt, souverän und resilient. Oder wie Lucien Dähler, Torschütze zum 1:0, nach dem 3:0-Sieg gegen Winterthur bei Blue sagte: «Was wir heute auf den Platz gebracht haben, war mehr als Leader-würdig.» Obwohl die Thuner ab der 39. Minute in Unterzahl agierten, war der Sieg gegen das Schlusslicht nie in Gefahr – wobei natürlich half, dass sie zu dem Zeitpunkt bereits 2:0 führten.
Weil St.Gallen zeitgleich in Sion unterlag, steht Thun nach einem Drittel der 33 Runden bis zur Ligateilung mit vier Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze. Acht Siege fuhr das Team von Trainer Mauro Lustrinelli aus bisher elf Partien ein. Nur gegen YB (2:4), Basel (1:3) und GC (1:1) ging Thun nicht als Sieger vom Platz. Und das ist absolut verdient.
Offensiv und defensiv top
Die Berner Oberländer stellen nämlich die zweitbeste Offensive und die beste Defensive. 2,09 geschossenen Toren pro Spiel stehen 1,18 kassierte entgegen. Dies liegt auch daran, dass Thun nach Basel die meisten Schüsse abgibt und immerhin die viertmeisten Grosschancen erspielt. Währenddessen muss Goalie Niklas Steffen die zweitwenigsten Schüsse abwehren – und erledigt dies bisher sehr gut. Selbst in Unterzahl liessen seine Vorderleute nur wenige Chancen zu.
«Die Rote Karte hat uns nicht aus der Ruhe gebracht, wir haben weiter unseren Job erledigt», sagte Aussenverteidiger Michael Heule danach. Lucien Dähler glaubte gar: «Die Rote Karte hat uns sogar in die Karten gespielt, weil sie uns noch stärker zusammengeschweisst hat.»
Der Teamgeist als grosse Stärke
Diese starke Einheit zeichnet Thun eben auch aus. «Wenn man in die Kabine läuft, merkt man jeden Morgen, wie die Mannschaft lebt, dass es jeder mit jedem gut hat», berichtet Michael Heule, «das ist eine grosse Stärke von uns.» Dähler fügt an: «Jeder geht für jeden und das ist Gold wert. Es macht umso mehr Spass, wenn man mit einem solchen Team auf dem Platz stehen darf.»
Nach dem Sieg trotz langer Unterzahl gegen Winterthur geriet Trainer Lustrinelli ebenfalls ins Schwärmen: «Es ist schwierig, die Worte dafür zu finden, was diese Mannschaft wieder geleistet hat … hervorragend, fantastisch.» Er sei unglaublich stolz auf seine Mannschaft, «auf den Teamspirit, das Zusammenstehen, die gemeinsame Freude». Selbst mit einem Mann weniger habe diese ihr Spiel durchgezogen: «Grosse Intensität, Kampfbereitschaft, Leidenschaft, Energie und Dynamik.»
Diese gewisse Giftigkeit und Aggressivität sind wichtig für Thun, das meist aus einer stabilen Defensive heraus agiert und auf Konter setzt. Nur beim Unentschieden gegen die Grasshoppers hatte der FCT mehr Ballbesitz. Gegen Winterthur bewies der Leader aber auch gegen tiefer stehende Defensiven Chancen herausspielen und nutzen zu können. «Wir wissen, was wir am Ball können, was wir gegen den Ball können», stellte Dähler fest. Und wenn es im Fussball mal läuft, dann läuft es richtig, wie auch Leonardo Bertones Hammer zum 2:0 zeigte. Dähler: «Wenn man als FC Thun Erster der Super League ist, hat man Selbstvertrauen.»
Und davor strotzt Thun gerade nur so. «Wir wollen gegen jeden Gegner auf den Platz bringen, was wir uns vornehmen. Und wenn uns das gut gelingt, ist die Chance hoch, dass das Resultat positiv ist», sagt Goalie Niklas Steffen. Selbst bei Fragen nach der Meisterschaft weicht beim FC Thun derzeit niemand so recht aus. Präsident Andres Gerber sagte im Sportpanorama beim SRF am Sonntagabend über einen möglichen Titel: «Wir sind nach zehn Runden Erster, und das nicht nur mit Glück. Darum würde ich es nicht kategorisch ausschliessen.»
Im Berner Oberland träumen sie gross
Aussenverteidiger Dähler sagte am gestrigen Dienstagabend dann: «Träumen muss erlaubt sein und wir träumen gross hier. Wenn man diese Leistungen zeigt, darf man das.» Dem stimmt auch Trainer Mauro Lustrinelli zu, auf die Euphoriebremse tritt der 49-jährige Tessiner nicht: «Als Kinder träumen wir alle, wenn wir älter werden, geht das manchmal etwas vergessen. Deshalb lassen wir uns träumen.»
Bis zum ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte ist es noch ein weiter Weg, doch macht der FC Thun so weiter, besteht zumindest eine realistische Chance darauf, dass er als erster Aufsteiger der Super League den Titel holt. Nach dem vierten Sieg in Serie ist nicht mehr zu verneinen, dass der Aussenseiter ein echter Anwärter ist. Zumal Klubs wie der FC Basel und YB immer wieder Schwächen zeigen.
Und so könnte Lucien Dähler am Ende der Saison mit seiner Aussage recht behalten. Was Thun zeigt, wäre tatsächlich «mehr als Leader-würdig». Nämlich «Meister-würdig».
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