Sein Leben ist wie ein Film. Der Flankengott, der das Spice Girl geheiratet hat, beim grössten Klub der Welt spielte und heute der Chef des für viele besten Fussballers der Geschichte ist.
David Beckham war der erste globale Popstar im Fussballtrikot. Vor ihm gab es zwar kickende Partylöwen wie George Best, der «der fünfte Beatle» genannt wurde. Günter Netzer besass die Disco «Lovers' Lane». Einige wie Kevin Keegan versuchten sich als Sänger. Es gab Fussballgötter wie Diego Armando Maradona, der ein Leben auf der Überholspur lebte. Doch erst mit dem Engländer David Beckham wurde der Fussball vom beliebtesten Sport der Welt plötzlich auch zu einem glamourösen Ereignis. Poliert und parfümiert.
Beckham war der Spieler, nach dem eine sich in ganz Europa im Umbruch befindende Fussball- und Medienlandschaft gelechzt hatte. 1992 war in England die Premier League aus der Taufe gehoben worden, gleichzeitig startete die neue Champions League und setzte die Sendung «Ran» mit ihrer Berichterstattung über die deutsche Bundesliga neue Massstäbe. Es ging nicht mehr nur um Tore und Paraden, dafür zunehmend um Inszenierung, Glamour und die Vermarktung der Stars.
Die Geschichte des globalen Phänomens Beckham beginnt mit einem Ball, der von der Mittellinie ins Tor fliegt. August 1996, erstes Meisterschaftsspiel, Manchester United gegen Wimbledon. 21 Jahre alt ist Beckham, das jugendliche Alter steht ihm ins Gesicht geschrieben. Beckham sieht den Keeper weit draussen – und zieht ab. Über 50 Meter. Direkt ins Netz. Das Tor macht aus einem Talent einen Hoffnungsträger für England.
Vielleicht sah auch Victoria Adams den Treffer. Wenige Wochen zuvor hatte sie mit ihren Kolleginnen der Spice Girls «Wannabe» veröffentlicht. Die Single schoss durch die Decke und gilt als einer der erfolgreichsten Songs der 90er-Jahre. «Posh Spice», so heisst es, habe Becks kicken sehen und ihn heiss gefunden. Er sah die Spice Girls im Fernsehen und sagte seinen Kumpels: «Die im schwarzen Kleid werde ich heiraten.»
Es war gewissermassen Liebe vor dem ersten Blick. Im Jahr darauf lernten sich die beiden Superstars kennen und lieben, 1999 wurde geheiratet. Trotz zwischenzeitlicher Seitensprung-Gerüchte hält die Ehe bis heute. Ein Leben wie ein Film.
Mit dem Spice Girl an seiner Seite und als ein Star des erfolgreichsten Fussballklubs des Landes war Beckham weit über den Sportteil der Zeitungen hinaus ein Popkultur-Phänomen, das den Fussball in die Mitte der Gesellschaft rückte. Zwar war er sportlich nicht der wichtigste Spieler von Manchester United, aber er war spektakulär. Ein Freistosskönig und Flankengott im flatternden Trikot mit der Rückennummer 7, die er bei Manchester United von George Best, Bryan Robson und Eric Cantona erbte.
Manchmal verblassen seine Leistungen im Rückblick, weil zu sehr auf die Stil-Ikone Beckham fokussiert wird und weniger auf den Fussballer Beckham. Dabei hätte er nie seinen Status erreicht, wäre er bloss der Typ mit den ständig wechselnden Frisuren gewesen. 1999 und 2001 belegte er jeweils Platz zwei bei der Wahl des Weltfussballers des Jahres (hinter Rivaldo respektive Luis Figo).
1998/99 war die erfolgreichste Saison seiner Karriere. Er wurde Meister, gewann den Cup und triumphierte in der Champions League. In einem Final für die Geschichtsbücher rang Manchester United im Camp Nou von Barcelona den FC Bayern München nieder: Beckham zirkelte beide Eckbälle vor Oliver Kahns Tor, die in der Nachspielzeit zu den Treffern zum 2:1-Sieg führten. Ein Leben wie ein Film.
Er war ganz oben – und das ein Jahr, nachdem er bös unten durch musste. An der WM 1998 wurde er zum Sündenbock für Englands Achtelfinal-Aus gegen Argentinien gestempelt, weil er mit Rot vom Platz flog. Becks wurde ausgepfiffen, beschimpft und beleidigt, man sah sogar eine Beckham-Puppe an einem Galgen baumeln.
Er rehabilitierte sich, spielte Pässe in die Tiefe, bereitete Tore vor – und war spätestens nach seinem Freistosstor in der 93. Minute gegen Griechenland, das die Qualifikation für die WM 2002 bedeutete, wieder Everybody's Darling. Ein Leben wie ein Film.
Nach elf Jahren verabschiedete sich Beckham als sechsfacher Meister aus Manchester. Er hatte genug vom Trainer Sir Alex Ferguson, der seinerseits die Extravaganzen und den Medienrummel um Becks schon lange satthatte.
Who buys a pen? #BECKHAM pic.twitter.com/PftEBMJsYF
— Netflix UK & Ireland (@NetflixUK) October 5, 2023
In die Geschichte ging die Episode ein, wie Ferguson in der Kabine einen Schuh trat und damit Beckham im Gesicht traf. Eher ein Versehen als pure Absicht, doch der Schuh hinterliess mehr Wunden als bloss die kleine über dem Auge, die genäht werden musste.
"We all did it once. Every player that was with Sir Alex for a long time told him to f**k off once. And you didn't do it again."
— Netflix UK & Ireland (@NetflixUK) October 4, 2023
The definitive story of what happened between David, Sir Alex Ferguson, and Ole Gunnar Solskjaer's boot. #BECKHAM pic.twitter.com/XFLRUbKlsX
Es kam zu einer Traum-Hochzeit. David Beckham wechselte zu dem Klub, der seinem Selbstverständnis entsprach wie kein anderer. Real Madrid, der berühmteste Fussballklub der Welt. Die «Königlichen» waren eine Ansammlung von Superstars: Zinédine Zidane, Ronaldo, Luis Figo. Und nun Beckham, über den hinter vorgehaltener Hand gemauschelt wurde, er sei primär als Werbeikone geholt worden, auf dem Feld hätte ihn Real Madrid gar nicht benötigt.
Der Wechsel war der Auftakt in ein neues Leben, das ihn in den folgenden Jahren in die Modemetropolen Mailand (AC Milan) und Paris (PSG) führte – und in die Vereinigten Staaten. Los Angeles Galaxy. In seiner fünften Saison – im letzten Spiel für den Klub – wurde er dort erstmals Meister. L.A., Hollywood, ein kitschiges Happy End: Viel mehr Film geht nicht, selbst in einem Leben wie ein Film. Beckham wurde in den USA mehr denn je zu einer globalen Figur, die weit über den Sport hinaus berühmt war.
Er definierte den Begriff «metrosexuell» – ein Mann, der sich für Mode und Pflege interessiert, ohne dass seine Männlichkeit darunter leidet. Bestimmt alles andere als ein Zufall, dass 2002 ein Kinofilm über eine junge indische Fussballspielerin nach ihm betitelt wurde: «Bend It Like Beckham». Eine bearbeitete Version wurde später – angeblich als erster westlicher Film überhaupt – sogar im staatlichen Fernsehen von Nordkorea ausgestrahlt.
Längst zierten zahlreiche Tattoos Beckhams Körper, er hatte Werbedeals mit weltweit prominenten Marken und war ein Influencer, bevor der Begriff allgemein bekannt war. So war der Übergang zum Leben nach der Profikarriere zwangsläufig fliessend. Beckham hörte zwar zu spielen auf, seine anderen Karrieren gingen aber weiter. Und eine neue Möglichkeit tat sich auf.
Clever hatte sein Manager – Simon Fuller, der Mann, der die Spice Girls gross machte – beim Transfer nach Los Angeles ausgehandelt, dass Beckham im Gegenzug für seine Bereitschaft, in ein «Fussball-Entwicklungsland» zu wechseln, später die Lizenz für ein MLS-Team kaufen kann. So wurde Beckham zum Mitbesitzer von Inter Miami. 2023 verpflichtete er mit dem argentinischen Zauberfloh Lionel Messi den für viele besten Fussballer der Geschichte. Es ging keine Nummer kleiner. Ein Leben wie ein Film.
Heute, mit 50 Jahren, ist David Robert Joseph Beckham aus London viel mehr als ein ehemaliger Fussballspieler. Er war nie der beste aller Zeiten – aber vielleicht der einflussreichste. Ein Brückenbauer zwischen Fussballstadion und Laufsteg, zwischen Old Trafford, Bernabéu und Hollywood, zwischen Sport und Show, mal mit Gel und Strähnchen in der Frisur und mal ganz ohne Haare.
Wenn man heute über Kylian Mbappé, Erling Haaland oder Jude Bellingham spricht, über Marktwerte, Modelverträge und Social-Media-Auftritte, dann sollte man nie vergessen: Becks war der Erste.
Er hat vieles Richtig gemacht der Herr Golden balls und war seiner Zeit voraus.
Jeder kleine Fussballfan wollte wie Beckham sein.