Herr Koller, Sie haben auch schon Angebote abgelehnt, beim FCB haben Sie zugesagt. Warum?
Marcel Koller: Ich bin ein Fussballverrückter, ich wollte zurück in den Klub-Fussball, wieder täglich auf dem Platz stehen. Und der FC Basel ist ein sehr interessanter Verein mit glorreicher Vergangenheit, einem wunderschönen Stadion, fantastischen Fans. Das hat mich gereizt. Und dann war natürlich das Interesse von Basel da. Das hat also sehr gut gepasst.
War es schon länger ein Traum beim FCB Trainer zu werden?
Nein, das könnte ich so nicht sagen. Ich habe meine Karriere nie so ausgelegt, dass ich an einen bestimmten Punkt kommen wollte. Wenn ich irgendwo bin und es passt, dann haue ich dort alles rein, bin täglich am Arbeiten, um weiter zu kommen. Das ist für mich wichtig. Nicht irgendwelche Träume.
Sie gelten als Ur-Zürcher. Zürcher Trainer wurden hier nicht immer herzlich empfangen. Wie gehen Sie damit um?
Natürlich anders, als noch als Spieler und Gegner des FCB. Aber schauen Sie, ich wurde auch in Österreich nicht mit Begeisterung überhäuft, als man mich vorstellte. Am Schluss haben Sie mich geliebt. Ob das hier auch so kommt, das kann ich nicht vorhersagen. Ich versuche einfach, einen guten Job abzuliefern, keine Vorurteile zu haben und auf die Menschen zuzugehen.
Sie kehren nach fast zehn Jahren in den Klubfussball zurück. Haben Sie ihn vermisst?
Als ich in Österreich angefangen habe, hatte ich richtige Entzugserscheinungen. Mir hat die tägliche Arbeit gefehlt, die Möglichkeit der Nachbesprechung, das Loben und Kritisieren nach den Spielen. Nach der Analyse waren die Jungs meist schon wieder bei ihren Vereinen. Aber man gewöhnt sich daran.
Wie?
In dem man sich anpasst, mehr administrativ arbeitet und dann die Zeit nutzt, wenn die Mannschaft zusammenkommt für zehn Tage. Da hat man drei, vier Trainingseinheiten, um eine Idee zu entwickeln.
Jetzt haben Sie noch weniger Zeit. Haben Sie nie in Betracht gezogen erst nach dem nächsten Meisterschaftsspiel zu übernehmen?
Mir war wichtig, dass ich mit meinen beiden Assistenten, Carlos Bernegger und Thomas Janeschitz, beginnen kann. Der Klub und wir haben uns die ganze Nacht auf Donnerstag ins Zeug gelegt, um eine Einigung zu erzielen. Wir haben wenig Zeit, das stimmt. Aber je früher wir beginnen können, desto besser. Das war unser Ziel.
Es geht ausgerechnet gegen GC, wo Sie Ihre gesamte Spieler-Karriere verbrachten.
Ich hatte eine wunderschöne Zeit mit GC, wir feierten grosse Erfolge. Aber ich habe den Klub vor 15 Jahren verlassen. Man kann kaum ein Leben lang beim gleichen Klub sein.
Sie erwähnten Ihre Assistenten. Warum haben Sie sich für Carlos Bernegger und Thomas Janeschitz entschieden?
Carlos war mein Assistent, als wir mit GC den Meistertitel holten. Er weiss, wie ich arbeite, kennt meinen Fussball. Da verlieren wir keine Zeit. Thomas war mein Co-Trainer bei Österreich. Er war U18-Trainer, als ich kam. Ich habe ihn hochgeholt und wir hatten eine sehr gute Zeit.
Zugleich haben Sie sich entschieden, nicht mehr mit Matias Delgado zusammenzuarbeiten. Warum?
Wir wollten keinen aufgeblasenen Trainerstab. Mit Thomas Häberli haben wir ja einen weiteren Assistenten, der eine Trainerausbildung hat. Wir dachten, dass es vielleicht besser wäre, wenn er im Nachwuchs seine Erfahrungen machen würde und seine Qualitäten später mal einbringen kann.
Sie haben knapp zwei Tage Zeit, um das Ruder herumzureissen. Was können Sie der Mannschaft in so kurzer Zeit vermitteln?
Auf dem Platz können wir nur minime Korrekturen vornehmen. Man kann in dieser kurzen Zeit keine grossen Wunder erwarten. Aktuell ist das Wichtigste, was wir tun können, mit den Spielern zu reden, damit wir uns ein Bild machen können. Intensive Trainings werden kaum möglich sein aufgrund des dicht gedrängten Terminplans. Es wird darum gehen, viel zu reden, den Spielern Selbstvertrauen zu geben, das Boot wieder herumzureissen.
Das ist ihr kurzfristiger Plan. Was haben Sie mittelfristig vor?
Man soll dann auch sehen, wie unser Fussball aussieht, man soll unsere Handschrift erkennen.
Wie sieht denn Ihr Fussball aus?
Ich stehe nicht auf langes Abwarten und vors eigene Tor Zurückziehen, sondern möchte, dass meine Mannschaft aktiv verteidigt, früh den Gegner stört. Ich will, dass wir Fussball spielen, mit flachen Pässen, schnellen Kombinationen und Präsenz im Strafraum.
Und welche Einstellung erwarten Sie von Ihren Spielern?
Ich erwarte, dass sie während 90 Minuten alles raushauen. So war ich auch als Spieler. Denn egal, wie viel spielerische Qualität wir haben, es braucht den vollen Einsatz von allen.
Sie gehen ein grosses Risiko ein.
Ich denke, es ist nicht grösser als anderswo. Und überhaupt denke ich nicht an irgendein Risiko, was sein könnte, wenn es nicht klappt. Sie gehen von einem Scheitern aus, oder?
Das Risiko, zu scheitern, gibt es überall. Es ist aber noch höher, wenn man ein Team in der Krise übernimmt, keine Vorbereitung hat und unverändert hohe Ziele.
Ja, das stimmt. Aber man muss es angehen. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen. Wir müssen versuchen so schnell wie möglich unsere Ideen zu vermitteln. Damit wir es dann auf dem Platz umsetzen können.
Sie kennen die Ziele, Sie kennen Ihr Team wenigstens ein bisschen. Gehen Sie davon aus, dass man diese Ziele mit dieser Mannschaft erreichen kann oder ist das illusorisch?
Diese Spieler können sicher anders Fussball spielen, als wir das zuletzt gesehen haben. Es fehlen die Ergebnisse. Das ist wie ein Rattenschwanz, den man mitzieht. Man beginnt zu studieren, sucht nach Gründen, erwartet viel von sich. Wir müssen es schaffen, dass sie davon wegkommen. Damit sie locker und frei spielen können.
Sie haben Erfahrungen in solchen Situationen. Von welchen Erfahrungen profitieren Sie jetzt besonders?
Zum Beispiel von jenen, die ich mit Bochum im Abstiegskampf gemacht habe. Das war hoch 3. Da kamen Mitarbeiter, die Angst um ihren Job hatten, und luden ihre Sorgen bei den Spielern ab. So einen Klub zusammenzuhalten, ist eine andere Herausforderung. Ich bin froh, dass ich diese Erfahrung machen durfte, aber ich wünsche so etwas niemandem. Das ist ein extremer Druck.
In Basel wird er kaum kleiner sein.
Nein, das nicht. Aber wir haben hier spielerisch doch andere Qualitäten, als es damals in Bochum der Fall war.
Davon hat man am Mittwoch beim 0:3 gegen Paok Thessaloniki wenig gesehen. Was hat dieses Spiel bei Ihnen ausgelöst?
Es ist natürlich eine grosse Enttäuschung. Aber jeder, der im Fussball tätig ist, weiss, dass dieses Geschäft kein Wunschkonzert ist. Es ist immer ein Auf und Ab. Aber man muss schauen, dass man mehr gewinnt, als verliert. Gerade beim FC Basel.
Was bedeutet es für den FCB, dass er nicht in der Champions League spielen kann?
Grundsätzlich gibt es in der Europa League ein paar Fränkli weniger zu verdienen. Trotzdem ist auch die Europa League attraktiv und wir müssen versuchen dort mit dabei zu sein. Die Chance haben wir immer noch.
Dafür bräuchte der FCB dringend Ruhe, hörte man von den Verantwortlichen zuletzt immer wieder. Was können Sie zur Beruhigung der Lage beitragen?
Bei einem Spitzenverein gibt es nie vollständige Ruhe. Wichtig ist vor allem, dass wir intern Ruhe haben, dass wir wissen, was wir wollen und offen miteinander kommunizieren. Was aussen passiert, können wir nicht kontrollieren, das ist auch nicht unsere Aufgabe. Natürlich wird es in erster Linie wichtig sein, dass wir gewinnen. Mit Siegen kann man am schnellsten für Ruhe sorgen.
Wie beurteilen Sie, was der FCB letzte Saison abgeliefert hat?
Das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe das eine oder andere Spiel gesehen. In der Champions League hat man gute Ergebnisse erzielt, in der Meisterschaft musste man YB vorbeiziehen lassen. Ich will jetzt nach vorne schauen, es sind neue Leute gekommen. Und das Ziel ist, wie es Massimo Ceccaroni anfangs Saison gesagt hat: Wir wollen den Kübel zurück nach Basel holen. Das ist unser grosses Ziel.
Wer wird Ihnen diesen Kübel streitig machen können?
Die grösste Konkurrenz wird uns ganz sicher Meister YB machen. Aber auch Sion hat eine interessante Mannschaft. Und was ich von Thun gegen Luzern gesehen habe, hat mir auch sehr gefallen. Sie waren sehr kompakt, sehr aggressiv, wie man sie kennt.