Nach vielen Jahren in Schweden leben Sie nun seit acht Monaten in Zug. Wie unterscheiden sich die Schweizer von den Skandinaviern?
Dan Tangnes: Das ist schwierig zu beurteilen, weil Zug eine internationale Stadt ist. Ich glaube aber, dass sich Schweizer und Norweger ähnlich sind, sie vertreten gewisse traditionelle, patriotische Werte – vielleicht sind die Schweizer eine Spur reservierter. Meine Familie mag das Leben hier, wir wurden mit offenen Armen empfangen und sind gut integriert.
Also kein Kulturschock?
Mal abgesehen von der Sprachbarriere verlief für mich die Integration leicht, weil ich im EV Zug fest eingebunden bin. Meine Frau muss ein neues soziales Netz knüpfen, aber sie ist sehr eigenständig und hält sich auf Trab – derzeit absolviert sie einen Wein-Kurs. Die 8-jährige Tochter besucht die zweite Klasse und spricht schon sehr gut Deutsch, sie geht zum Geräteturnen und Tanzen, sie hat neue Freunde gefunden. Und langsam lernen wir alle auch besser Schweizerdeutsch. (lacht)
Was ist Ihr deutsches Lieblingswort?
Purzelbaum. Die Aussprache ist wirklich schwierig. Wir benutzen das Wort, wenn die Verlierer eines Trainingsspielchens Purzelbäume machen müssen. Keiner mag das, besonders nicht die 100-Kilo-Kerle mitsamt der Ausrüstung.
Können Sie noch unerkannt durch die Stadt flanieren?
Manchmal werde ich angesprochen. Das ist ein gutes Zeichen, weil es zeigt, dass die Zuger hockeyverrückt sind. Wir sind ein Teil von Zug, die Bevölkerung soll stolz auf uns sein und darauf, was wir jeden Dienstag-, Freitag- und Samstagabend leisten.
Als der EVZ im letzten Frühling Ihre Verpflichtung bekannt gab, war die Reaktion: Dan wer? Ein unbekannter Norweger, der es in Schweden nie über die Playoff-Viertelfinals hinausschaffte, stellte für Beobachter ein Risiko dar. Konnten Sie die Bedenken nachvollziehen?
Absolut, ich kam ja nicht mit einem Wohnzimmer voll von Trophäen nach Zug. Entscheidend ist, dass Klub und Trainer zueinanderpassen. Der beste Coach der Welt wird nicht viel bewirken, wenn seine Philosophie nicht mit jener der Organisation übereinstimmt. Ich lege Wert auf die Entwicklung von Spielern – und genau das suchte der EV Zug. Aber natürlich geht es ums Gewinnen. Ich hoffe, der Cupsieg im Februar stärkt unsere Glaubwürdigkeit.
Es war der erste Pokal seit 21 Jahren. Verläuft die Entwicklung des Teams so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Es ist eine gute Gruppe, sie tut alles für den Erfolg. Viele Spieler sind in dieser Saison besser geworden. Routiniers wie Reto Suri, Santeri Alatalo und Sven Senteler, aber auch jüngere Spieler wie Backup-Goalie Sandro Aeschlimann. Jeder muss sich weiterentwickeln, unabhängig vom Alter. Meine Aufgabe ist es, die Richtung vorzugeben und dafür zu sorgen, dass wir auf Kurs bleiben.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Auf die Tiefe des Kaders. Wir haben nur einen Spieler in den Top 15 der Skorerliste (Lino Martschini, Anm. der Red.), dennoch erzielten wir die meisten Tore. Viele Spieler können den Unterschied machen. Wir haben uns nie bemitleidet, weil Leistungsträger verletzt fehlten. Stattdessen sind andere in die Bresche gesprungen. Als etwa Goalie Tobias Stephan ausfiel, wurde man da und dort nervös. Aber Aeschlimann hat die Chance gepackt und sehr solide gespielt.
Zuletzt hat Zug aber nachgelassen. War das Team müde, weil es vor den Playoffs härter trainiert hat?
Möglich, aber das soll keine Ausrede für die Niederlagen sein. Die Mannschaft hat die ganze Saison lang hart gearbeitet, sie spielt ein intensives System. Zuletzt waren wir zu nachlässig und nicht diszipliniert genug. Innerhalb von sechs Partien kassierten wir vier Shorthander: ein klares Indiz dafür, dass der Fokus nicht stimmte. Darüber haben wir viel gesprochen. Wir mussten uns das Selbstvertrauen und den Respekt der Gegner in dieser Saison erarbeiten. Mit diesem Glauben an uns wollen wir in die Playoffs gehen.
Wie gefährlich ist eine solche Baisse so kurz vor der entscheidenden Phase in der Meisterschaft?
Vielleicht ist es gut, dass dies passiert ist. Es ist eine Lektion und erinnert uns daran, dass wir als Verlierer vom Eis gehen, wenn wir nicht unser Bestes geben. Wenn wir unsere Leistung abrufen, können wir eines der besten Teams der Liga sein. Aber klar: Es muss vieles zusammenstimmen, um Meister zu werden. Und es ist naiv, zu denken, dass Zug jedes Playoff-Spiel gewinnen wird. Wir müssen unsere Emotionen kontrollieren, wenn das Momentum hin- und herpendelt. Und den Fokus immer wieder nach vorne richten.
In Zug sehnt man sich nach dem zweiten Meistertitel seit 1998, die Erwartungen sind gross.
Das spricht dafür, dass wir vieles richtig machen, dass wir erfolgreich sind. Die höchsten Ansprüche haben wir selber.
Nächste Saison wird in Cham das innovative Sportzentrum OYM eröffnet, zudem stossen die Stars Leonardo Genoni und Grégory Hofmann zur Mannschaft. Gehört dem EV Zug die Zukunft?
Ich hoffe es. Wir haben eine klare Strategie, und das OYM wird uns einen Vorteil verschaffen. Aber andere Teams werden sich nicht zurücklehnen. Es ist wie bei einem Wein: Jeder Jahrgang ist anders. Und wir haben schon in diesem Jahr die Chance, einen speziellen Jahrgang zu kreieren. Wie er letztlich schmecken wird, werden wir sehen.