Jetzt ist das EM-Abenteuer für Georgien vorbei. Mit einem beherzten Auftritt verabschiedet sich der Debütant nach dem Achtelfinal von seinem ersten grossen Turnier. Bei der 1:4-Niederlage gegen Spanien zeigte das Team um Napoli-Superstar Chwitscha Kwarazchelia nochmal alles, womit es die Herzen der europäischen Fussballfans erobert hat.
Es war klar, dass Spanien spielbestimmend sein und einen Grossteil des Ballbesitzes haben wird – über 75 Prozent waren es am Ende. Und doch hatte auch Georgien seine Momente, sorgte mit Tempo bei Kontern einige Male für Gefahr und ging durch ein Eigentor von Robin Le Normand gar in Führung. Das Team von Willy Sagnol kämpfte, trat als Einheit auf und holte sich so nicht nur bei den eigenen Fans grosse Sympathien.
Als möglicherweise krassester Aussenseiter der EM-Geschichte kam Georgien an das Turnier in Deutschland. Die Qualifikation schaffte es nur über den Playoff-Pfad der vier Gruppensieger der Nations League C mit Siegen über Luxemburg und Griechenland (im Penaltyschiessen). In einer EM-Gruppe mit der Türkei, Tschechien und Portugal gab der Nummer 74 der FIFA-Weltrangliste kaum jemand eine Chance. Und dann gelang Georgien das Unmögliche.
Das Auftaktspiel gegen die Türkei war aufgrund des berauschenden Offensivfussballs, den beide Teams zeigten, eines der besten Vorrundenspiele an dieser EM. Georgien unterlag jedoch erwartungsgemäss 1:3, bevor es dank eines 1:1-Unentschiedens gegen Tschechien wieder Hoffnung schöpfte. Auch hier begeisterten die Georgier mit einem beherzten und kämpferischen Auftritt. Das Meisterstück gelang jedoch in der dritten Partie.
2:0 wurde Portugal um Cristiano Ronaldo bezwungen. Natürlich rotierte der bereits als Gruppensieger feststehende Europameister von 2016 auf vielen Positionen, doch war die Qualität der portugiesischen Einzelspieler noch immer deutlich grösser als jene der meisten Georgier. Das war diesen jedoch egal – von ihnen erwartete niemand etwas, weshalb sie nichts zu verlieren hatten. Und so traten sie auch auf. Dank Toren von Kwarazchelia und George Mikautadze, aktuell noch Führender der Torschützenliste, erreichte Georgien sensationell die K.o.-Phase.
Die Bilder des Jubels der Spieler, aber auch der Fans in der Hauptstadt Tiflis gingen um die Welt und zeigten, was eine Europameisterschaft eben auch ausmacht. Aussenseiter, welche überraschen, sind das Salz in der Suppe. Langweilig hingegen die völlig ideenlosen Auftritte von Topfavorit England beispielsweise.
Natürlich ist es toll, zwei qualitativ hochwertig besetzten Kontrahenten beim Kräftemessen auf höchstem Niveau zuzusehen, wie wir das auch an der EM spätestens ab den Viertelfinals tun können. Aber den Reiz von Welt- und Europameisterschaften machen doch auch diese Teams voller Unbekannten aus, die über sich herauswachsen.
Deshalb: Vielen Dank, liebe Georgier! Es hat Spass gemacht, euch bei eurer EM-Premiere zu verfolgen. Hoffentlich sehen wir euch bald wieder bei einem grossen Turnier – auch wenn die Qualifikation nicht einfach wird – denn ein Farbtupfer, wie ihr es wart, tut jedem Turnier gut.
Würde mich freuen, diese Truppe bald wieder den europäischen Fussball aufmischen sehen! Extrem hoher Unterhaltungswert, Kampfgeist pur, gelebte Solidarität, kurzum eine grosse Bereicherung für das Turnier. Deshalb: Danke, Georgien!