Am besten, wenn es drauf ankommt – Murat Yakin ist ein Phänomen
Als die WM-Qualifikation nach der Pflichtaufgabe im Kosovo unter Dach und Fach war, stand Murat Yakin «überglücklich» am Mikrofon des SRF. «Stolz auf das Team und den Staff», war der Nati-Trainer, «dass wir ungeschlagen sind. Was soll man da noch mehr sagen als Trainer?»
Die Schweiz hat die Qualifikation souverän als Gruppensieger abgeschlossen: 14 Punkte aus sechs Spielen mit einem Torverhältnis von 14:2. Im ganzen Jahr 2025 blieb die Nati ungeschlagen, gewann sieben von zehn Spielen.
Das ist ein toller Erfolg, auch wenn nicht die ganz grossen Gegner dabei waren. Und auch das Verdienst von Trainer Murat Yakin. Trotzdem wischt dieser die Frage nach seinem Anteil daran weg: «Das zu beantworten, überlasse ich gerne anderen.»
Auf Nachfrage strahlt hinter der Bescheidenheit dann aber doch auch der Stolz auf das Geleistete hervor. «Wir haben viel Detailarbeit gemacht, anfangs Jahr, vieles ist wohl aufgegangen», so Yakin. Aus der schwachen Nations-League-Saison im letzten Herbst, die im Abstieg aus der höchsten Liga mündete, habe man die richtigen Schlüsse gezogen. «Die Spieler sehen die Freude, die ich habe, und auch, dass viele Sachen im taktischen Bereich aufgehen. Auch die Auswahl der Spieler ist nicht einfach aus dem Lostopf gezogen, das ist alles durchdacht.»
Es sind selbstbewusste Worte, und das ist auch gut so. Murat Yakin soll sich ruhig etwas feiern lassen. Gerade zu Beginn der WM-Qualifikation zeigte die Schweiz mitreissenden Fussball, dominierte alle drei Gruppengegner und hatte nach der Hälfte der sechs Spiele drei Siege und 9:0 Tore auf dem Konto. Dass die Nati das WM-Ticket so souverän löst, ist noch immer – trotz des aufgeblähten Turniers – keine Selbstverständlichkeit. Doch Yakin beendete auch seine zweite WM-Qualifikation ungeschlagen.
«Es ist für jeden Spieler ein Privileg, Murat als Trainer zu haben», sagte Captain Granit Xhaka nach dem 1:1-Unentschieden im Kosovo. «Wie er mit uns umgeht und welche Freiheiten er uns gibt. Die Ergebnisse sprechen für ihn. Wir lernen jeden Tag von ihm, ob das taktisch ist oder defensiv.» Die Aussagen sind umso eindrücklicher, hatten Xhaka und Yakin das Heu nicht immer auf derselben Bühne. Aber es spricht eben auch für die beiden, dass sie sich zusammenraffen konnten, schliesslich ist es bei so starken Charakteren völlig normal, dass es einmal kracht.
Es zeigt auch, dass Yakin mit Spielern wie Xhaka oder auch Breel Embolo, der neben dem Platz mehrmals für Schlagzeilen sorgte und darauf auch Krisen durchlebte, umgehen kann. Ohnehin scheint er zu den verschiedensten Charakteren einen guten Draht zu haben. In der Nati zeigen sich die Stars regelmässig von ihrer besten Seite. Man denke auch an die ruhigeren Ricardo Rodriguez, Ruben Vargas oder Spieler aus der zweiten Reihe wie Michel Aebischer.
Was beim 51-jährigen Trainer ebenfalls auffällt: Wenn es zählt, ist er am besten. Das 1:6 im WM-Achtelfinal 2022 gegen Portugal, früh in Yakins Amtszeit, blieb bisher die traurige Ausnahme.
Steht er mit dem Rücken zur Wand, zaubert Yakin einen Masterplan hervor – in der Hinsicht ist er ein Phänomen. Das war an der Europameisterschaft im letzten Sommer der Fall, als der Nati-Trainer aufgrund der holprigen Qualifikation mit verpassten Siegen gegen Belarus, Israel und Kosovo sowie einer Niederlage in Rumänien in die Kritik geraten war. An der EM erreichte die Schweiz mit begeisterndem Fussball den Viertelfinal, wo sie bitter an England scheiterte. Yakin stellte sein Team regelmässig hervorragend auf die Gegner ein.
Nach der sieglosen Nations-League-Kampagne sowie den wenig inspirierten Auftritten in den Freundschaftsspielen in Nordirland (1:1) und gegen Luxemburg (3:1) wurden wieder Rufe nach einer Entlassung von Murat Yakin laut. Der sagte nun: «Dass wir die EM-Euphorie verspielt haben, war auch selbst verschuldet.» Doch dann drehte und schraubte Yakin wieder – «Detailarbeit» nennt er das – und führte die Schweiz zum ersten Jahr ohne Niederlage seit 1945.
Welche Gegner im nächsten Jahr nun auf die Nati warten, ist Yakin egal. «Ich glaube eher, dass die Gegner uns nicht haben wollen», sagt er selbstbewusst, «wir haben uns diesen Ruf erarbeitet und spielen einen komplexen, vertikalen Fussball. Das Team steht vor einer goldigen Zukunft.»
Man darf gespannt sein, was Murat Yakin für die Spiele in Nordamerika ausklügelt. Sicher ist: Das Vertrauen, dass er das Maximum aus dieser Nati herausholen wird, hat er sich von allen Seiten verdient.
