Jarno Janssen ist ein erfahrener Teamchef. Der ehemalige Rennfahrer setzt diese Saison in der Moto2-WM Joe Roberts und Sven Odendaal ein. WM-Punkte haben die beiden noch keine eingefahren. Verwendet wird ein japanisches Fahrwerk (NTS). Das Team ist stabil finanziert, die technische Infrastruktur unter Cheftechniker Hans Spaan ist vorzüglich. Die Japaner werden nach dieser Einstiegssaison ihr Fahrwerk weiterentwickeln.
Jarno Janssen wundert sich: «Ich hatte mit Dominique Aegerters Manager Robert Siegrist einen Vertrag ausgearbeitet. Eigentlich hätten wir Anfang August in Brünn alles unterschreiben wollen. Aber Aegerter ist nicht mehr interessiert.»
Stimmt das? «Nein, sagt Dominique Aegerter. «Ich hatte nie eine konkrete Offerte.» Ob er sich wohl nicht mehr erinnern kann? Er hat schon vergessen, dass er kürzlich mit einer WhatsApp-Nachricht Robert Siegrist die Absage schriftlich übermittelt hat. Wörtlich lautete die Botschaft: «Wot nid bim Jarno unterschribe u ouno sövu Gäld bringe.» Wenn man nicht unterschreiben will, muss ja etwas zum Unterschreiben da gewesen sein.
Der Rohrbacher hätte bei Jarno Janssen für die Saison 2019 ziemlich genau 100'000 Euro in die Teamkasse einzahlen müssen. Immer noch ein gutes Geschäft: Im Gegenzug hätte er seinen Platz in der Moto2-WM 2019 bekommen und der Holländer hätte ihm drei Werbeflächen auf der Brust plus vier auf den Ärmeln des Lederkombis und dazu noch eine auf der Verschalung der Maschine überlassen, die Dominique Aegerter selber hätte vermarkten können. Damit hätte er nächste Saison zwischen 300'000 bis 400'000 Franken kassieren können.
Robert Siegrist versteht inzwischen die Welt nicht mehr. «Alles war geregelt und Dominique hätte ordentlich Geld verdienen können.» Obwohl der Zürcher Rechtsanwalt offiziell nicht mehr «Domis» Manager ist, hatte er sich noch einmal ins Zeug gelegt. «Ich konnte ihn ja nicht einfach hängen lassen.»
Jan Janssen hat nun mit seinem Landsmann Bo Bendsneyder einen Vorvertrag unterzeichnet. «Am nächsten Montag entscheiden wir, ob daraus eine Verpflichtung für nächste Saison wird.» So lange dieser Vertrag noch nicht stehe, sei die Sache nicht fix und Dominique Aegerter habe theoretisch eine Chance, auf das Angebot zurückzukommen. «Aber ich fürchte, es ist inzwischen zu spät.»
Was sagt nun Dominique Aegerter? Warum hat er abgesagt? «Ich bin von diesem Team nicht überzeugt. Deshalb habe ich nicht unterschrieben.» Hat er Alternativen? «Ja, Kontakte, aber keine konkreten Offerten.» Auch das Team von Fred Corminboeuf sei noch eine Option. Ein Wahnsinn. Im Herbst 2016 haben sich die beiden verkracht, Fred Corminboeuf hat Dominique Aegerter vier Rennen vor Saisonschluss auf die Strasse gestellt, weil der Rohrbacher schon für die Saison 2017 beim deutschen Kiefer-Team unterschrieben hatte. Beinahe wäre es zu einem Gerichtshandel gekommen.
Und was ist eigentlich mit dem aktuellen Team von Jochen Kiefer? Warum nicht dort 2019 eine dritte Saison anhängen? Es gibt dort offenbar gewisse atmosphärische Störungen. Ein mit den Finanzen des Teams bestens vertrauter Kenner vermutet, dass es um Geld geht: Der Aegerter-Clan versuche offenbar, die letzte Rate der vertraglich abgemachten Einkaufssumme von insgesamt 540'000 Euro für die Saison 2018 herunterzuhandeln. «Nein, nein» widerspricht Dominique Aegerter. «Alles ist in bester Ordnung.»
Item, vielleicht hat er ja auch diese Sache bloss vergessen. So wie er auch die Vertragsofferte von Jan Janssen vergessen hat. Auf diesen Einwand sagt er etwas unwirsch: «Ich bin Fahrer und nicht Manager. Ich kenne nicht alle Hintergründe.»
Tom Lüthi konnte sich trotz einer miserablen MotoGP-Saison 2018 ein Vertrags-Pokerspiel leisten. Weil er aus einer starken Position aus pokerte. Er hat 16 GP gewonnen, er war Weltmeister und er hat die Moto2-WM 2016 und 2017 auf dem zweiten Platz beendet. Er hat das Angebot von MV Agusta abgelehnt und nun für die Saison 2019 und 2020 in einem deutschen Team beste Voraussetzungen im Moto2-Titelkampf.
Dominique Aegerter hat einen einzigen anerkannten GP-Sieg und kam in den letzten beiden Moto2-Rennen nicht einmal mehr in die WM-Punkte. Er pokert aus einer schwachen Position und riskiert mit einem Pokerspiel das Karriereende. Ein intimer Kenner des Aegerter-Clans sagt, das Problem sei der Grössenwahn, der seit dem Sachsenring-Sieg 2014 Einzug gehalten habe und eine realistische Einschätzung der kritischen Situation unendlich erschwere.
Dem gibt es eigentlich nichts beizufügen.