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Als sie ihre Karriere begann, war Fraueneishockey in der Schweiz eine exotische Leibesübung. Florence Schelling bringt es im Herbst 2003 als 13-Jährige – da spielt sie noch mit den Buben der ZSC Lions in der Junioren-Meisterschaft – bereits zum ersten Länderspiel. Gegen Österreich. Sie sagt: «So jung in der Nationalmannschaft zu spielen, wäre heute ganz und gar unmöglich. Die Entwicklung des Fraueneishockeys ist einfach unglaublich.»
Die kecke Juniorin von einst ist inzwischen die beste Torhüterin der Welt. Sie war schon im All-Star-Team bei der WM und bei Olympischen Spielen. Beim olympischen Turnier von 2014 in Sotschi gar MVP – die wertvollste Spielerin. Die Männer wären längst Weltmeister und Olympiasieger, wenn sie einen Goalie dieser Klasse hätten.
An eine grosse Karriere oder gar olympische Spiele habe sie damals, als alles begann, nicht gedacht. «Es ist einfach immer weitergegangen, von Länderspiel zu Länderspiel.» Sie war bald so gut, dass sie nach Nordamerika wechseln konnte – dorthin, wo Frauenhockey wirklich zählt. Die Amerikanerinnen und Kanadierinnen haben in der ganzen Geschichte bei einem Titelturnier erst ein einziges Spiel gegen eine europäische Mannschaft verloren.
Fünf Jahre lang spielte und studierte Florence Schelling in Nordamerika (2008 bis 2013), in der Schweiz bewährte sie sich bei Bülach in der 1. Liga und kam als erste Frau in der NLB zum Einsatz. In einem Testspiel mit den GCK Lions. Diese Saison spielt sie in Schweden. Der Vertrag läuft Ende Saison aus. «Aber über meine Zukunft machte ich mir keine Gedanken. Ich lebe im Hier und Jetzt.»
Mit Florence Schelling hat sich unser Frauennationalteam stetig entwickelt. 2006 gelingt erstmals die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Seither sind die Schweizerinnen immer dabei. 2014 in Sotschi holten sie als vorläufige Krönung Bronze. Nun haben sie hier soeben gegen Schweden den dritten Sieg hintereinander gefeiert (2:1) und stehen im Viertelfinale.
Florence Schelling ist ein Beispiel dafür, wie sehr eine grosse Torhüterin eine ganze Mannschaft besser macht. Eine kleine Geste zeigt, wie sehr alle wissen, was sie ihrer «letzten Frau» zu verdanken haben. Wenn die Schweizerinnen ein Tor erzielen, dann fahren die Spielerinnen, die sich auf dem Eis befinden, zum Abklatschen nicht nur an der Spielerbank vorbei, wie dies die Männer tun. Sie kurven auch alle zu ihrer Torhüterin. «Ich schätze das sehr» sagt Florence Schilling. «Ich bin ja auch ein Teil des Teams.»
Der Zusammenhalt ist die vielleicht grösste Stärke dieses Teams. Was sich an einem weiteren, bemerkenswerten Ritual zeigt: Wenn die Schweizerinnen einen Treffer kassieren, dann fahren alle Spielerinnen zur Spielerbank und gruppieren sich dort zu einem Rudel. Als wollten sie die Hockeygötter beschwören, Energie auftanken und sich gegenseitig aufmuntern. «Für uns ist dieses Ritual selbstverständlich», sagt Nationaltrainerin Daniela Diaz, die Schwester von Zugs Verteidigungsminister Raphael Diaz. «Wir haben gegen Kanada ein Testspiel 0:10 verloren und haben es nach jedem Tor so gemacht.»
Die Männer haben keinen Goalie vom Format von Florence Schelling. Das ist mit der Grund, warum die Schweizer bei einem olympischen Turnier gegen Schweden noch nie ein Spiel gewonnen haben, bei dem es um alles ging. Die Schweizerinnen haben hingegen in Sotschi im Bronze-Spiel Schweden 4:3 besiegt. Und jetzt hier im letzten Vorrundenspiel 2:1. Es ist für Florence Schelling der 9. Sieg bei einem olympischen Turnier.
Keine andere Torhüterin hat so oft auf der olympischen Bühne gewonnen. Auch keine Kanadierin oder Amerikanerin. Ihre Fangquote hier beim olympischen Turnier liegt nach drei Partien bei sagenhaften 97,50 Prozent.
Was macht die Stärke der Schwester von Lausannes Verteidiger Philippe Schelling aus? Sie ist eine perfekte Stilistin mit eleganten Bewegungsabläufen. Kein wilder Spektakelgoalie. Vielmehr eine unheimlich ruhige «Blockerin», die praktisch keine Abpraller zulässt. Und wenn doch, dann weiss sie immer, wo der Puck ist. Wie eine Kombination von einem Martin Gerber der allerbesten Tage mit Leonardo Genoni.
Und wenn sie nach dem Spiel vom Eis kommt, wirkt sie bei Interviews frisch und fröhlich, als komme sie gerade von einer Party. Es ist ein Zeichen für die grosse Leidenschaft, die alle grossen Spieler und Spielerinnen auszeichnet.
Ein vorwitziger Chronist sagte nach der Partie gegen Schweden zu Nationaltrainerin Daniela Diaz, sie habe hier gegenüber Nationaltrainer Patrick Fischer einen riesigen Vorteil. «Welchen denn?», fragt sie sichtlich neugierig. «Sie müssen nie überlegen, welchen Goalie Sie nominieren sollen.» Sie mag zwar nicht widersprechen und rühmt Florence Schelling.
Aber sie betont, dass auch die Ersatztorhüterinnen bereit seien. Die Trainerin hat die beste Torhüterin der Welt zur Verfügung und vergisst nicht, die Nummer zwei (Janine Alder) und drei (Andrea Brändli) zu erwähnen. Das ist vorgelebter Teamgedanke.
Dank Florence Schelling haben die Schweizerinnen gute Aussichten, das Viertelfinale zu überstehen und nach einer Niederlage gegen die nach menschlichem Ermessen unbesiegbaren Amerikanerinnen oder Kanadierinnen um Bronze zu spielen.
Florence Schelling ist erst 28. Sie hat bereits elf WM- und vier Olympiaturniere (2006, 2010, 2014 und 2018) hinter sich. Sie war schon bei der WM (2012) und bei olympischen Spielen (2014) die beste Torhüterin und im All-Star-Team. Bei den Männern hat es noch keiner in ein All-Star-Team geschafft. Sie hat noch mindestens zehn gute Jahre vor sich. Ein Torhüter mit ihrer Klasse wird auch noch mit 40 noch ihr bestes Hockey spielen und noch weitere drei olympische Turniere bestreiten.
Florence Schelling hat alle Chancen, auf der Torhüterposition zu werden, was Wayne Gretzky bei den Männern war: eine absolute Ausnahmeerscheinung, die bald nur noch ihre eigenen Rekorde übertrifft.