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Das Wundermittel Ketone macht die Fahrer an der Tour de France schnell

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French Christophe Laporte of Jumbo-Visma and Belgian Wout Van Aert of Team Jumbo-Visma pictured in action during the third rest day of the Tour de France cycling race, in Carcassonne, F ...
Das Team Jumbo-Visma auf einer kurzen Trainingsfahrt am Montag, einem Ruhetag der Tour.Bild: imago

Das (legale) Wundermittel, welches das Top-Team der Tour de France so schnell macht

Vor der entscheidenden letzten Woche der Tour de France ist die Ausgangslage für das Team Jumbo-Visma glänzend. Jonas Vingegaard trägt das Maillot Jaune des Gesamtleaders, Wout van Aert führt überlegen in der Punktewertung. Ein Puzzle-Teil für den Erfolg der Equipe ist der Konsum von Ketonen.
18.07.2022, 17:4918.07.2022, 17:49
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Wie erfolgreich ist das Team Jumbo-Visma derzeit?

Jonas Vingegaard liegt nach 15 von 21 Etappen in Führung. Der 25-jährige Däne hat einen Vorsprung von 2:22 Minuten auf den Slowenen Tadej Pogacar, den Tour-Sieger der Jahre 2020 und 2021.

epa10075868 The Yellow Jersey Danish rider Jonas Vingegaard of Jumbo Visma before the start of the 15th stage of the Tour de France 2022 over 202.5km from Rodez to Carcassonne, France, 17 July 2022. E ...
Vingegaard blickt dem Gesamtsieg entgegen.Bild: keystone

Wout van Aert führt in der Punktewertung hochüberlegen. Wenn der Belgier das Ziel in Paris erreicht, ist ihm das Maillot Vert nicht zu nehmen. Der Alleskönner Van Aert gewann zwei Etappen und führte vier Tage lang in der Gesamtwertung, Vingegaard gewann ein Teilstück, als Titelverteidiger Pogacar hinauf zum Col de Granon einen Einbruch erlitt und fast drei Minuten einbüsste.

epa10068986 The Green Jersey Belgium rider Wout Van Aert of Jumbo Visma crosses the finish line during the 11th stage of the Tour de France 2022 over 151.7km from Albertville to the Col du Granon Serr ...
Van Aert drückte vielen Etappen den Stempel auf.Bild: keystone

Wie schnell sind die Fahrer?

Schnell. Hinauf nach Mende kletterten Vingegaard und Pogacar am Samstag laut «climbing-records.com» so rasant wie Marco Pantani, Miguel Indurain und Bjarne Riis beim Rekord 1995. Die Alpe d'Huez bezwangen die zwei Erstklassierten mit der schnellsten Zeit im Rahmen einer Tour de France seit 2006. Damals war der danach aufgeflogene Floyd Landis schneller.

Das muss kein Hinweis für die Verwendung unerlaubter Mittel sein. Andere Faktoren wie die Etappengestaltung, Wind und Wetter oder das markant weiterentwickelte Material haben ebenso einen Einfluss auf die Leistung wie optimierte Trainingsformen und Ernährungspläne. Fragezeichen tauchen dennoch zwangsläufig auf, dafür hat der Radsport einfach einen zu schlechten Leumund. Das versteht auch Vingegaard, der laut der NZZ vor der Tour sagte: «Es wird immer Zweifel geben, und so sollte es auch sein. Ich hätte als Zuschauer auch Zweifel angesichts von allem, was früher passiert ist.»

Die Equipe des Gesamtführenden, Jumbo-Visma, trat bislang äusserst überzeugend auf. Es hatte das Geschehen fast jederzeit im Griff. Doch vor der letzten Woche erlitt das Team einen Rückschlag: Mit Primoz Roglic und Steven Kruijswijk fielen zwei enorm wertvolle Helfer Vingegaards nach Stürzen verletzt aus. Der Däne, im Vorjahr praktisch aus dem Nichts Zweiter der «Grande Boucle» geworden, wird bei Angriffen Pogacars vermehrt auf sich alleine gestellt sein.

epa10074563 The Yellow Jersey Danish rider Jonas Vingegaard (L) of Jumbo Visma and Slovenian rider Tadej Pogacar of UAE Team Emirates cross the finish line of the 14th stage of the Tour de France 2022 ...
Pogacar (vorne) wird Vingegaard weiter unter Druck setzen.Bild: keystone

Kein Roglic mehr und kein Kruijswijk – dafür hilft Jumbo-Visma vielleicht ein umstrittenes Nahrungsergänzungsmittel, auf das es setzt: Ketone.

Was sind Ketone?

Ein Stoff, den der Körper auf natürliche Weise produziert, wenn ihm mehrere Tage lang Kohlenhydrate vorenthalten werden. Der Körper bildet dann Ketone, die in dieser Situation helfen, aus den Fettreserven zu überleben.

Man geht davon aus, dass künstlich zugeführte Ketone intensive Belastungen länger ermöglichen und die Leistungsfähigkeit dadurch gesteigert werden kann. Ketone, so die Annahme, verstärken die Ausdauer und beschleunigen die Erholung. Trifft das wirklich zu, erhalten Ausdrücke wie «Wundermittel» oder «Zaubertrank» ihre Berechtigung.

Das «Global Cycling Network» hat Ketone selber getestet.Video: YouTube/Global Cycling Network

Wie legal sind Ketone?

Das in flüssiger Form erhältliche Nahrungsergänzungsmittel steht nicht auf der Dopingliste. Allerdings empfahl der Radsport-Weltverband UCI im vergangenen Herbst, auf den Einsatz des Produkts zu verzichten.

Der Grund dafür ist primär, dass mögliche längerfristige Konsequenzen nicht bekannt sind. Die UCI will die Wirkungsweise von Ketonen in einer Studie untersuchen und rät den Fahrern, die Substanz bis zum Abschluss der Untersuchung nicht einzunehmen.

Laut der WADA, der Welt-Anti-Doping-Agentur, erfüllen Ketone nicht die Kriterien, um auf die Dopingliste zu kommen. Dazu müssen zwei von drei Kriterien erfüllt werden: Eine Substanz muss das Potenzial haben, die sportliche Leistung zu steigern bzw. sie stellt ein tatsächliches oder potenzielles Gesundheitsrisiko für die Athleten dar bzw. sie verstösst gegen den Geist des Sports. Je nach Resultat der UCI-Studie wird die WADA neu darüber entscheiden.

Was sagt Jumbo-Visma?

Die niederländische Equipe kündigte nach der UCI-Empfehlung an, den Fahrern weiterhin Ketone anzubieten. Sportdirektor Merijn Zeeman verwies auf eigene Studien, wonach im Rahmen einer ausgeklügelten Ernährungsstrategie der Konsum von Ketonen empfohlen werde.

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Jumbo-Visma sports director Merijn Zeeman pictured during the media day of Dutch cycling team Jumbo Visma in Mutxamel, Alicante, Spain, Tuesday 11 January 2022, in preparation of the up ...
Zeeman sieht im Ketone-Konsum kein Problem.Bild: imago

Dessen Wert werde aber ohnehin überschätzt: Grundlage für den Erfolg der Mannschaft seien hartes Training und vernünftige Ernährung. «Es macht nicht einmal ein Prozent aus», sagte Zeeman gegenüber der Zeitung «L'Equipe». Die Debatte über Ketone bezeichnete er gar als «die unsinnigste, die es im Radsport je gegeben hat. Ketone sind fast nichts.» Aber solange sie erlaubt seien, habe das Team das Recht, sie zu testen und zu sehen, ob es einigen Fahrern helfe. Teamchef Richard Plugge behauptete in der Vergangenheit auch schon, man könne Ketone «wie Vitamine nutzen».

Was sagen andere?

Im «Mouvement Pour un Cyclisme Crédible» (MPCC) haben sich jene Profiteams zusammengeschlossen, die sich gemeinsam für einen glaubwürdigen Radsport einsetzen. Die MPCC rät ihren Mitgliedern, darunter sind die Teams Groupama-FDJ (mit dem Schweizer Stefan Küng), EF Education-EasyPost (Stefan Bissegger) oder Bora-Hansgrohe, vom Konsum von Ketonen ab.

Der Chef der niederländischen Anti-Doping-Agentur sprach von einer Grauzone. «Es ist nicht auf der Doping-Verbotsliste, aber wenn Athleten uns fragen, raten wir ihnen von der Benutzung ab», sagte Herman Ram.

epa10063475 The peloton go up the Cote de Bellevue during the 9th stage of the Tour de France 2022 over 192.9km from Aigle in Switzerland to Chatel Les Portes du Soleil in France, 10 July 2022. EPA/YO ...
Die einen nehmen Ketone, die anderen nicht: Blick aufs Peloton am Genfersee.Bild: keystone

Kein Geheimnis macht man bei Quick-Step Alpha Vinyl, der Equipe von Weltmeister Julian Alaphilippe. Es schloss vor der Tour einen Mehrjahresvertrag mit einem Ketone-Hersteller ab, der das Team unterstützt. Auch Lotto-Soudal teilte schon mit, auf Ketone zu setzen. Unklar ist, ob sie beim Team Ineos-Grenadiers noch verwendet werden. Die Briten gelten als erste, die (noch als Team Sky) mit dem Stoff experimentierten.

Vor allem französische Fahrer haben eine klare Meinung. Romain Bardet, Guillaume Martin oder Arnaud Démare setzen sich für ein Verbot von Ketonen ein. Sprinter Démare sprach auch vom «peloton à deux vitesses», dem Feld, das mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs ist. Der Begriff drückt aus, dass ein Teil gedopt ist und der andere, der saubere Teil, hinterher fährt.

Jumbo-Visma-Sportdirektor Zeeman zeigte sich von der Kritik wenig beeindruckt. «Der Verdacht kommt oft aus Frankreich», sagte er. «Den Franzosen gefällt vielleicht nicht, was ich jetzt sage, aber ich glaube nicht, dass sie mit der gleichen Professionalität arbeiten wie wir. Sie behaupten oft, dass unsere guten Ergebnisse auf Ketone, mechanisches Doping oder was auch immer zurückzuführen sind … aber ich denke, sie suchen nach Ausreden.»

Wie geht die Tour weiter?

Nach den Alpen stehen die Pyrenäen auf dem Programm. Vor allem am Mittwoch und Donnerstag könnte sich Entscheidendes ereignen. Die 17. Etappe am Mittwoch ist mit 130 Kilometern verhältnismässig kurz, beinhaltet aber inklusive Bergankunft vier schwere Pässe. Tags darauf steht in Hautacam erneut eine Bergankunft auf dem Programm.

Die 17. Etappe am Mittwoch.
Die 17. Etappe am Mittwoch.grafiken: ASO
Die 18. Etappe am Donnerstag.
Die 18. Etappe am Donnerstag.

Die letzte Gelegenheit für einen Verfolger, dem Leader das Maillot Jaune auszuziehen, bildet das Zeitfahren am Samstag. Es führt tendenziell meist leicht bergab, am Ende der 40,7 Kilometer wartet allerdings eine giftige, eineinhalb Kilometer lange Rampe.

Die 20. Etappe am Samstag.
Die 20. Etappe am Samstag.
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