Der Must-read in den USA, der Artikel, den man unbedingt gelesen haben muss, ist derzeit eine Geschichte der Washington Post. Darin wird detailliert geschildert, wie der Präsident über das vergangene Wochenende anlässlich der Feier zum Ende des Ersten Weltkrieges mehrmals die Nerven verlor.
Schon auf dem Hinflug beschimpfte Trump die britische Premierministerin am Telefon aufs Übelste. Das Vereinigte Königreich unternehme nicht genug, um die Sanktionen gegen den Iran durchzusetzen, tobte Trump.
Dann stellte er ihre Brexit-Verhandlungen in Frage und jammerte einmal mehr darüber, dass Europa von unfairen Handelsverträgen mit den USA profitiere. Selbst Trumps Mitarbeiter seien seine Ausfälle peinlich gewesen, schreibt die «Washington Post», zumal May ihn angerufen habe, um ihm zu dem Erfolg bei den Midterms zu gratulieren.
Trumps Paris-Trip entwickelte sich in der Folge von schlimm zu katastrophal. Zu einer Ehrung der amerikanischen Gefallenen auf einem Militärfriedhof tauchte er nicht auf, weil es zu stark geregnet habe und der Helikopter nicht habe landen können, wie die offizielle Begründung lautet. Es war ein PR-Desaster erster Güte, denn Angela Merkel und Emmanuel Macron liessen sich vom Wetter nicht abschrecken.
Später liess sich Trump in der Limousine chauffieren, während Merkel & Co. trotz strömendem Regen zu Fuss erschienen. Schliesslich legte sich Trump auch noch mit dem Gastgeber Emmanuel Macron an. Dieser hatte in seiner Feierrede den aufkommenden Nationalismus stark kritisiert. Trump empfand dies als persönliche Attacke und reagierte wie immer: mit einer Serie von Tweets gegen den französischen Präsidenten.
Zurück im Weissen Haus hellte sich die Laune des Präsidenten keineswegs auf. Er musste erfahren, dass seine Entlassung des Justizministers Jeff Sessions und die Einsetzung des dubiosen Matthew Whitaker massiven Widerstand ausgelöst hatte. Sein Plan, die Homeland-Security-Ministerin Kirstjen Nielsen ebenfalls zu feuern, stösst anscheinend auf energischen Widerstand seines Stabschefs John Kelly.
Schliesslich hat die First Lady durchgedrückt, dass die stellvertretende Sicherheitsberaterin Mira Ricardel strafversetzt wird. Sie ist eine enge Vertraute des neuen Sicherheitsberaters John Bolton.
Der Hauptgrund für Trumps miese Laune sind jedoch die Ergebnisse der Midterms. Zunächst schien es, als ob die Demokraten nur einen bescheidenen Sieg im Abgeordnetenhaus einfahren konnten. Je mehr Stimmen ausgezählt werden, desto klarer wird, dass es tatsächlich eine «blaue Welle» gegeben hat.
Die Demokraten könnten mittlerweile bis zu 40 zusätzliche Sitze gewonnen haben. Auch der vermeintliche Sieg der Grand Old Party im Senat hat sich relativiert. Ob Rick Scott die Senatswahlen in Florida tatsächlich gewonnen hat, ist unsicher. Fakt ist jedoch, dass in Arizona die Demokratin Kyrsten Sinema gewählt ist. Sie hat sich gegen die Republikanerin Martha McSally durchgesetzt.
Sinemas Sieg ist kein gewöhnlicher. Der «New Yorker» spricht vom «wahrscheinlich wichtigsten Triumph der Demokraten in der Ära Trump». Die Begründung dafür lässt sich wie folgt zusammenfassen: Arizona war ein halbes Jahrhundert lang eine konservative Bastion. Mit Sinema hat sich nun eine Frau durchgesetzt, die offen bisexuell ist, sich für einen Ausbau von Medicare einsetzt und die Abschaffung der Grenzschutzbehörde ICE fordert.
Trump hatte sich stark für die Republikanerin und ehemalige Kampfjet-Pilotin McSally eingesetzt. Dass er ihr nicht zum Sieg verhelfen konnte, ist ein Zeichen, dass auch im Süden die Mittelschicht in den Vorstädten sich von den Republikanern abzuwenden beginnt. Trump ist offenbar nur noch für die Landbevölkerung attraktiv. Für die Wahlen 2020 ist das ein ganz schlechtes Omen.
Schliesslich dämmert es Trump auch, dass die neuen Machtverhältnisse im Kongress ihm ganz persönlich gefährlich werden können. Die Demokraten haben unmissverständlich erklärt, dass sie seine Machenschaften untersuchen wollen.
Wahrscheinlich wird sich auch Sonderermittler Robert Mueller bald wieder melden. Es wird mit neuen Anklagen gerechnet. Am meisten genannt werden dabei die Namen des langjährigen Trump-Vertrauten Roger Stone – und Donald Trump jr. So schnell dürfte sich die Laune des Präsidenten nicht bessern.