Das Weisse Haus hat am Dienstag mitgeteilt, der Präsident habe nun die Fragen des Sonderermittlers Robert Mueller schriftlich beantwortet. Er habe dies ohne Hilfe seiner Anwälte getan, prahlte Trump vor Journalisten und fügte hinzu, die Fragen seien ganz leicht gewesen.
Allerdings hat Trump nur Fragen zu einer möglichen Zusammenarbeit mit den russischen Geheimdiensten während des Wahlkampfs zugelassen. Strikt geweigert hat er sich, auf eine mögliche Behinderung der Justiz einzugehen. Dummerweise könnte gerade dort der Hund begraben sein.
(N.B.: Behinderung der Justiz ist seinerzeit Richard Nixon in der Watergate-Affäre zum Verhängnis geworden.)
Die «New York Times» hat nämlich soeben enthüllt, dass Trump dem Justizdepartement befehlen wollte, eine Untersuchung gegen Hillary Clinton und den ehemaligen FBI-Chef James Comey einzuleiten. Das wäre ein grober Verstoss gegen die Gewaltentrennung und den Rechtsstaat gewesen. Offenbar konnte ihn der damalige Anwalt des Weissen Hauses, Donald McGahn, nur mit Mühe von diesem Ansinnen abbringen.
Die Anzeichen, dass sich die Russland-Affäre ihrem Ende nähert, sind somit unübersehbar geworden. Es zeichnet sich auch ab, dass Trump dabei sehr schlechte Karten hat.
Robert Mueller ist ein Kriegsheld und ein über jeden Zweifel erhabener Gentleman. Er ist kein Linker, sondern nach wie vor eingetragenes Mitglied der Grand Old Party. Er hat das FBI nach dem Debakel von 9/11 wieder auf Vordermann und hat als Strafverfolger die schlimmsten Verbrecher hinter Gitter gebracht.
Mueller verfügt über ein breites Netzwerk im amerikanischen Geheimdienst und Justizwesen. Er hat genau gewusst, worauf er sich einlässt. Er hat ein erstklassiges Team von Strafverfolgern und Juristen zusammengestellt. Er muss sich nichts mehr beweisen. Wenn Mueller nicht überzeugt gewesen wäre, dass an der Russland-Affäre etwas dran ist, hätte er den Job niemals angenommen.
Trump und seine Speichellecker behaupten zwar stets, es gebe keine Indizien für eine Zusammenarbeit mit den Russen. Doch das ist lächerlich: Donald Trump jr. hat in einem E-Mail selbst zugegeben, dass er sich vom inzwischen legendären Meeting im Trump-Tower am 9. Juni 2016 von der russischen Anwältin Natalia Veselnitskaya «Dreck gegen Hillary» erhofft hat. Mueller hat dieses Meeting bis ins letzte Detail untersucht.
Ebenfalls mehren sich die Anzeichen, dass Roger Stone, ein langjähriger Vertrauter Trumps, aktiv mit Wikileaks und dem russischen Militärgeheimdienst GRU zusammengearbeitet hat. Stone rechnet nach eigenen Angaben täglich damit, von Mueller angeklagt zu werden.
Kaum im Amt, ist Trump auf Konfrontationskurs mit seinen Geheimdiensten gegangen. Beim CIA hat er anlässlich seines Antrittsbesuches eine katastrophale Rede gehalten. Neuerdings hat er die Erkenntnisse der CIA-Agenten im Fall Khashoggi in Frage gestellt.
Mit dem FBI streitet Trump sich ebenfalls. Er feuerte den damaligen Chef, weil dieser die Untersuchung gegen den ehemaligen nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn nicht einstellen wollte. Inzwischen hat er fast die gesamte Spitze des FBI ausgewechselt.
Doch auch mit Christopher Wray, dem von ihm selbst ernannten neuen FBI-Chef, liegt er im Clinch. Wray weigert sich, gegen Hillary Clinton vorzugehen.
Trumps Kleinkrieg gegen FBI und CIA könnte sich rächen. Es ist nie eine gute Idee, sich mit den eigenen Geheimdiensten anzulegen.
Angefangen hat es mit Michael Flynn. Der ehemalige Sicherheitsberater hatte sich mit dem russischen Botschafter abgesprochen, bevor er im Amt war, und hat dies gegenüber dem FBI geleugnet. Beides sind Straftatbestände. Flynn hat dies gestanden und ausführlich mit dem Team von Mueller zusammengearbeitet. Nun wartet er auf ein Urteil.
Nach Flynn sind eine ganze Reihe von ehemaligen Mitgliedern des Trump-Teams umgefallen: Der aussenpolitische Berater George Papadopoulos war dabei eher ein kleiner Fisch. Das gilt nicht für Paul Manafort. Er war zeitweise Chef des Wahlkampfteams und hat enge Kontakte zu Russland.
Michael Cohen, Trumps ehemaliger persönlicher Anwalt, war jahrzehntelang der Mann fürs Grobe und weiss, wo Trump seine Leichen vergraben hat. Auch er arbeitet mit Mueller zusammen. Schliesslich hat auch Allen Weisselberg, der langjährige Finanzchef der Trump-Organisation, sich bereit erklärt, mit den Strafverfolgungsbehörden zu kooperieren. Er soll alles über Trumps Finanzen wissen.
Michael Cohen sagt nicht vor dem Sonderermittler aus, sondern vor einem Team des Southern District of New York. Dabei handelt es sich um den Zweig der nationalen Strafbehörde, der am meisten Erfolge im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu verzeichnen hat.
Mueller hat zwei Fliegen auf einen Streich erlegt: Er hat sich gegen den Vorwurf immunisiert, seine Befugnisse eigenmächtig auszudehnen; und er hat seine Truppe mit ausgewählten Spezialisten ergänzt.
Unterstützung erhält Mueller auch von der Justizministerin des Bundesstaates New York, Barbara Underwood. Sie untersucht mögliche Straftaten der Wohltätigkeitsorganisation von Trump. Sie gilt als eine der fähigsten Juristinnen der Vereinigten Staaten. Mit ihr möchte man keinen Streit haben.
Der ehemalige Marine-Offizier Mueller hat damit seine Truppen in Stellung gebracht und wartet darauf, loszuschlagen.
Die Midterm-Wahlen sind zu einer empfindlichen Niederlage für Trump geworden. Weil die Demokraten nun über eine komfortable Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügen, können sie verlangen, dass Trumps dubiose Geschäfte unter die Lupe genommen werden. Sie haben bereits angekündigt, dass sie ausführlich von diesem Recht Gebrauch machen werden. Die Republikaner ihrerseits können nicht mehr wie bis anhin dafür sorgen, dass alles unter den Teppich gewischt wird.
Trumps zynische Haltung in der Affäre Khashoggi kommt selbst in den eigenen Reihen nicht gut an. Lindsey Graham, der einflussreiche Senator aus South Carolina, geht offen auf Distanz, ebenso der neu gewählte Senator Mitt Romney aus Utah. Das Trump-freundliche «Wall Street Journal» kommentiert: «Präsident Trump hat sich und dem Land mit seinen kruden Äusserungen bezüglich der Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien keinen Dienst erwiesen.»
Im Wahlkampf hat Trump die verschwundenen E-Mails von Hillary Clinton zu einem seiner Hits gemacht. Jetzt wird wieder «Lock her up!» gerufen, doch sind die Schreie ironisch gemeint und gelten Ivanka Trump. Die Präsidententochter hat ebenfalls einen privaten Server für ihre E-Mails verwendet. Dem Weissen Haus ist dies hochnotpeinlich. Wie die Khashoggi-Affäre untergräbt dies weiter die Glaubwürdigkeit von Trump – sofern das überhaupt noch möglich ist.
Trump hat Jeff Sessions als Justizminister gefeuert und ihn durch Matt Whitaker ersetzt. Dieses Manöver wird allgemein als sogenannter Hail-Mary-Pass interpretiert. Darunter versteht man einen Auf-gut-Glück-Pass, beispielsweise wenn der Torhüter in der letzten Sekunde den Ball nach vorne haut und hofft, dass ihn jemand irgendwie ins Tor spediert.
Trumps Hail-Mary-Pass wird kaum Erfolg haben. Whitaker sieht nicht nur aus wie ein Türsteher eines Stripclubs, er hat auch keinen Leistungsausweis. Selbst den Republikanern ist er peinlich. Kein Wunder: Comedians machen sich genüsslich darüber lustig, dass Whitaker Aufsichtsrat in einer Firma war, die unter anderem WCs für lange Penisse und Zeitreisen anpries. Die Strafbehörden ermitteln derweil wegen Betrug. Besagte Firma wurde bereits zu einer Busse von 25 Millionen Dollar verdonnert.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich Mueller durch Whitaker wird ausbremsen lassen. Stellt also Popcorn-Kübel bereit. Es wartet grosses Kino auf uns.