Er war der König der Lüfte, das grösste Passagierflugzeug der Welt: der A380. Als der europäische Flugzeughersteller Airbus den Riesenvogel 2005 erstmals abheben liess, löste er nicht nur in Aviatik-Kreisen Begeisterung aus.
Und zu Beginn schien der Erfolg garantiert. Insbesondere die arabische Airline Emirates sorgte mit riesigen Bestellungen für volle Auftragsbücher, und auch andere Airlines wie Lufthansa und Air France, nahmen das Flugzeug in ihre Flotte auf.
Doch nun wurden die hochfliegenden Pläne gegroundet: Die Produktion des über 500 Passagiere fassenden XL-Flugzeugs wird per 2021 eingestellt, wie Airbus gestern bekannt gab. Während Aviatikfans trauern, dürfte so mancher Kritiker der kerosinfressenden Branche jubeln.
Doch der Jubel kommt zu früh. Denn: Mit dem Ende des A380 ist ein Ende des Aviatik-Booms nicht in Sicht. Die Passagierzahlen steigen weiterhin rasant an, insbesondere in Asien, wo sich die wachsende Mittelschicht das Fliegen zunehmend leisten kann.
Gleichzeitig kann sich die Branche vor der Klimadebatte nicht verstecken. Sie ist laut eigenen Angaben für 2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Weltweit gehen Menschen auf die Strasse und fordern die Politik auf, Massnahmen für eine grünere Zukunft zu ergreifen. Auch in der Schweiz debattieren Politiker über eine Klimasteuer auf Flugtickets.
Dass die Aviatik-Branche in der Klimadebatte unter Druck gerät, hat sie frühzeitig erkannt – und mit einem selbstauferlegten Ziel zur Reduktion der Emissionen reagiert: Bis 2050 sollen nur noch halb so viel Schadstoffe durch den Flugverkehr in die Luft gepustet werden wie 2005. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis der Menschen nach Mobilität und billigen Flügen.
So stellt sich für die Airlines die Frage: Wohin geht die Reise? Im Fokus der Industrie stehen fünf Entwicklungen.
Die Abkehr der Industrie vom A380 ist keine Absage ans Wachstum. Im Gegenteil, sie ist viel eher ein Zeichen dafür, dass der Boom weitergeht. Denn die grossen Airlines setzen zunehmend auf mittelgrosse Typen wie den A350, Boeings «Dreamliner» oder wie die Swiss auf die «Triple 7», die alle rund 300 Passagieren fassen.
Stefan Eiselin, Aviatik-Experte und Chefredaktor des Branchenportals «Aerotelegraph», spricht von einer «grossen Fehleinschätzung von Airbus» bei der Entwicklung des A380. «Der Markt hat sich anders entwickelt, als es die Firma erwartet hatte.»
Insgesamt, inklusive der Entwicklungskosten, gehe das A380-Programm als Verlustgeschäft in die Geschichte ein. Airbus glaubte, dass die Airlines auf das Hub-Modell setzen, mit einzelnen Grossflughäfen als Drehkreuze für Umsteigeflüge – so wie bei Emirates in Dubai. «Doch inzwischen wurden die kleineren Flugzeuge effizienter und Nonstop-Flüge günstiger», sagt Eiselin. «Die Leute bevorzugen nun mal Direktverbindungen.» Zudem sei die Flexibilität mit kleineren Maschinen grösser: «Eine Airline bietet lieber sechs New-York-Flüge über den Tag hinweg an, als einen oder zwei Flüge mit dem A380.»
Der Schweizer Abenteurer Bertrand Piccard hat es vorgemacht und 2016 die Welt mit einem Solarflugzeug, der «Solar Impulse 2», umrundet. Die Maschine bot Platz für eine einzige Person. Die Maximalgeschwindigkeit lag bei 100 Stundenkilometern.
Das Unterfangen war zwar beste Werbung für eine grüne Zukunft, zeigte aber auch, wie schwierig es ist, mit Strom zu fliegen. Die «Solar Impulse 2» zog die Energie direkt von der Sonne.
Heutige elektrische Kleinflugzeuge sind mit einer Batterie ausgerüstet, bieten aber bloss Platz für zwei Personen und können kaum eine Stunde in der Luft bleiben.
Das Problem ist das Gewicht. Während herkömmliche Flugzeuge Kerosin verbrennen und so währen des Flugs leichter werden, bleibt eine entladene Batterie gleich schwer. Der Schweizer Aviatik-Professor und ehemalige Chefforscher bei Airbus, Oliver L. de Weck, glaubt deshalb, «dass sich grosse Flugzeuge nie rein elektrisch antreiben lassen».
Andere sind da deutlich optimistischer: Easyjet will dieses Jahr zusammen mit dem Start-up Wright Electric einen Testflug mit einer 9-Platz-Maschine unternehmen. Und dabei soll es nicht bleiben. Die Fortschritte in der Batterietechnologie sollen in Zukunft auch Flugzeuge mit über 100 Sitzen möglich machen. «Es ist vorstellbar, dass in zehn Jahren kleinere Flugzeuge mit elektrischem Antrieb kommerzielle Flüge durchführen werden, grössere Maschinen hingegen kaum», sagt Aviatik-Experte Eiselin. Dennoch ist es für ihn die verheissungsvollste Technologie der Zukunft.
Treibstoff für Flugzeuge lässt sich auch aus pflanzlichen Ölen wie Raps herstellen – bei dessen Verbrennung bedeutend weniger Schadstoffe anfallen. Erste Testflüge mit Biosprit gab es bereits.
So flog etwa die Lufthansa 2014 mit Biokerosin von Amsterdam nach Berlin. Der Treibstoff war aus Zucker gewonnen worden. Die Nutzung von Nahrungsmitteln für den Tank, ist aber umstritten.
Heute wird deshalb vor allem auf Algen gesetzt. Diese stehen nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und wachsen schneller nach. Für Eiselin besteht jedoch das Hauptproblem darin, «dass der grüne Sprit zurzeit noch viel zu teuer und kaum verfügbar ist». Dennoch glaubt er, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird.
Aviatik-Professor de Weck sieht im «Wasserstoff eine vielversprechende Alternative zum herkömmlichen Kerosin». Doch auch hier bestehen Herausforderungen: Wasserstoff in einem Tank zu speichern, ist kompliziert. Ausserdem sind die heutigen Brennstoffzellen recht ineffizient, etwa 50 Prozent der Energie gehen in Wärmeenergie verloren. Es sei noch viel Entwicklungsarbeit nötig, betont der Experte.
Verschiedene Firmen tüfteln am Comeback der Überschall-Technologie in der Aviatik, mit der die Concorde einst über den Atlantik düste. Das US-Start-up Boom Supersonic hat einen Jet namens Overture entwickelt, der 2.2 Mal so schnell wie der Schall sein soll. Investoren haben bereits über 140 Millionen Dollar in das Projekt eingeschossen.
Und der amerikanische Airbus-Konkurrenz Boeing hat kürzlich in die Entwicklung eines Überschalljets der Firma Aerion investiert, der 2023 abheben soll. «Überschallflüge werden aber auch in Zukunft enorm teuer sein und somit ein Nischengeschäft bleiben», sagt Eiselin.
In Städten könnten Lufttaxis in Zukunft den Strassenverkehr entlasten. In Dubai etwa wurden bereits die ersten Testflüge gemacht. Die Personen-Drohnen werden von Elektromotoren angetrieben und bieten Platz für wenige Personen.
Auf den Markt drängen verschiedene Start-ups, aber auch grosse Firmen wie Uber oder Airbus. Der Flugzeugbauer will spätestens 2023 mit den ersten Personen-Drohnen abheben. Wann die Lufttaxis zum Alltag in Grossstädten gehören, sind sich die Experten nicht einig.
De Weck glaubt, «dass es 20 bis 30 Jahre dauern wird, bis der Markt entwickelt ist». Für Eiselin sind derartige Projekte aber noch weitentfernte Zukunftsmusik.
Nicht all diese Trends führen dazu, dass sich die Emissionen verringern. «Am sinnvollsten wären leichtgebaute Grossflugzeuge, die immer voll sind», sagt Andreas Wittmer, Aviatik-Professor an der Hochschule St. Gallen. Doch das Bedürfnis der Passagiere ist ein anderes: Möglichst rasch und direkt an jeden erdenklichen Ort gelangen. Ob die Branche ihr selbst auferlegtes Ziel so erreichen wird, ist fraglich.
Klar ist zumindest, wohin die Reise des A380 zum Ende des 21. Jahrhunderts geht: ins Museum. (aargauerzeitung.ch)