Mit einer Lebenserwartung von mindestens 400 Jahren sind Grönlandhaie einer Studie zufolge die langlebigsten Wirbeltiere der Welt. Sorge macht Experten die späte Geschlechtsreife der Tiere nach 150 Jahren. Dies könnte die Bewahrung der Art gefährden.
Da der Grönlandhai sehr langsam wächst – vermutlich nur etwa einen Zentimeter pro Jahr – glaubten Forscher schon lange, dass er sehr alt werden kann.
Eine konventionelle Altersbestimmung dieser Knorpelfische sei wegen ihrem Mangel an verkalktem Gewebe nicht möglich, schreibt eine internationale Forschergruppe um Julius Nielsen von der Universität Kopenhagen in der Fachzeitschrift «Science». Sie datierten das Alter stattdessen per Radiokarbonmethode anhand von Proteinen in der Augenlinse, die schon im Mutterleib gebildet werden.
Die Forscher untersuchten insgesamt 28 weibliche Haie, die bei mehreren Expeditionen gefangen worden waren. Die Tiere massen zwischen 80 Zentimeter und gut fünf Meter. Ihr durchschnittliches Alter betrug der Messung zufolge 272 Jahre. Das grösste untersuchte Exemplar war etwa 392 Jahre alt, bei einer Messunsicherheit von 120 Jahren.
Ein hohes Alter erreicht unter den Wirbeltieren auch der Grönlandwal, der älter als 200 Jahre werden kann. Die Langlebigkeit des Grönlandhais werde aber von der – auch in der Ostsee vorkommenden – Islandmuschel (Arctica islandica) noch übertroffen, schreiben die Autoren. Diese könne sogar über 500 Jahre alt werden.
Nach aktuellen Forschungen werden Grönlandhaie ab einer Länge von vier Metern geschlechtsreif. Mit der nun vorliegenden Altersbestimmung würde das bedeuten, dass die Tiere erst 150 Jahre alt werden müssen, ehe sie sich fortpflanzen können.
«Es war zu erwarten, dass Grönlandhaie langlebig sind», sagt Jürgen Kriwet vom Institut für Paläontologie der Universität Wien, der nicht an der Studie beteiligt war. «Aber dass sie so alt werden, ist doch überraschend. Nun wäre interessant zu ergründen, warum diese Haie so lange leben.»
Langlebigkeit werde oft mit Körpergrösse in Verbindung gesetzt. «Aber Grönlandhaie sind nicht die grössten Haie, und auch nicht die einzigen, die in so kalten Gewässern leben», so Kriwet. Ihre erstaunliche Langlebigkeit müsse also eine andere Ursache haben.
Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) wird der Grönlandhai als «potenziell gefährdet» eingestuft. Die neuen Ergebnisse unterstreichen, so Nielsen und seine Kollegen, dass der Hai vorsorglichem Schutzes bedürfe.
Denn Grönlandhaie sind ein häufiger Beifang der Fischerei nach Grundfischen und geraten durch deren kommerzielle Nutzung unter Druck. Dem pflichtet Kriwet bei: «Besonders ihre späte Geschlechtsreife macht die Grönlandhaie sehr anfällig.» (hot/sda/dpa)