Nach Christine Blasey Ford hat sich eine zweite Frau mit schwerwiegenden Vorwürfen gegen Brett Kavanaugh an die Öffentlichkeit gewandt. Der erzkonservative Kandidat für das Oberste Gericht der USA soll seine ehemalige Mitstudentin, Deborah Ramirez, an der Universität Yale bedrängt haben.
Another woman comes forward: https://t.co/99KxCs6beE
— Kathryn Schulz (@kathrynschulz) 24. September 2018
Der Vorfall soll sich im Schuljahr 1983/84 in einem Studentenheim ereignet haben. Ramirez, die Soziologie und Psychologie studierte, soll mit einer kleinen Gruppe von Studenten ein Trinkspiel gespielt haben und dabei reichlich Alkohol konsumiert haben. Gegenüber The New Yorker sagte sie, dass irgendwann jemand mit einem Plastikpenis auf sie gezeigt haben soll. Ramirez erinnert sich, dass sie betrunken auf dem Boden lag und zwei Männer neben ihr standen. Sie identifizierte die zwei Zuschauer, bat das Magazin aber, deren Namen nicht zu veröffentlichen.
Während sie immer noch auf dem Boden lag, entblösste sich die dritte Person vor ihr. «Ich erinnere mich, dass ein Penis vor meinem Gesicht war. Ich wusste, dass ich das nicht wollte – selbst in diesem Zustand», wird Ramirez zitiert. Sie soll aufgefordert worden sein, das Genital zu küssen. Gemäss eigenen Angaben stiess sie die Person jedoch von sich weg.
Ramirez erinnert sich weiter, dass Kavanaugh zu ihrer Rechten stand und lachend seine Hose hochzog: «Brett hat gelacht. Ich sehe immer noch sein Gesicht und seine Hüften nach vorne kommend, so wie wenn du deine Hose hochziehst.» Zudem soll ein anderer Student geschrien haben: «Brett Kavanaugh hat gerade seinen Penis in Debbies Gesicht gedrückt».
Der Vorfall von damals habe sie lange verstört, sagte Deborah Ramirez dem «New Yorker» und betonte: «Es war mir peinlich, ich habe mich geschämt und gedemütigt gefühlt.» Damit heute an die Öffentlichkeit zu gehen, falle ihr schwer. Sie hoffe aber, dass ihre Geschichte auch jene von Ford stütze.
Kavanaugh selber leugnet die Anschuldigungen und hat dazu ein Statement veröffentlicht. «Dieser angebliche Vorfall vor 35 Jahren hat nicht stattgefunden. Die Leute, die mich kannten, wissen, dass dies nicht geschehen ist und sagten dies auch. Das ist eine Verleumdungskampagne!» Das Weisse Haus steht ebenfalls zum Republikaner. Es handle sich hierbei um unbestätigte Vorwürfe und einen weiteren Versuch der Demokraten, «einen guten Mann zu zerstören».
Die Vorwürfe gegen den Richterkandidaten sind Gegenstand einer heftigen parteipolitischen Auseinandersetzung. Die Demokraten haben grosse Vorbehalte gegen den erzkonservativen Richter und sehen eine Chance, Kavanaughs Bestätigung hinauszuzögern, bis sich nach der Zwischenwahl am 6. November möglicherweise die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern und Kavanaugh verhindert werden könnte. Die Besetzung des Richterpostens ist in den USA ein grosses Politikum. Die Nachbesetzung mit Kavanaugh könnte dem obersten Gericht der USA auf viele Jahre ein konservatives Übergewicht geben.
Als Reaktion auf Ramirez' Vorwürfe forderten die Demokraten, den weiteren Prozess zur Berufung Kavanaughs zu unterbrechen und die Angaben der Frau von der Bundespolizei FBI untersuchen zu lassen.
Kavanaugh wird sich Blasey Ford und dem Senat stellen. Nach tagelangem Gezerre wurde schliesslich für Donnerstag eine Anhörung von Kavanaugh und Ford vor dem Justizausschuss angesetzt. Die beiden sollen dort zu Fords Anschuldigungen Stellung nehmen.
Mindestens zwei Büros von demokratischen Senatoren untersuchen momentan die jüngsten Vorwürfe von Ramirez gegen Kavanaugh. «Das ist eine weitere schwerwiegende, glaubwürdige und beunruhigende Anschuldigung gegen Brett Kavanaugh. Dies sollte vollständig untersucht werden», zitiert «The New Yorker» die demokratische Senatorin Mazie Hirono.
Tatsächlich. Der Anwalt der Porno-Darstellerin Stormy Daniels, Michael Avenatti, twitterte in der Nacht zu Montag, er vertrete eine weitere Frau, die «glaubwürdige Informationen» gegen Kavanaugh und dessen Schulfreund Mark Judge habe. Es gehe dabei um Hauspartys Anfang der 80er Jahre, bei denen Kavanaugh, Judge und andere daran beteiligt gewesen seien, Frauen mit Alkohol abzufüllen oder unter Drogen zu setzen, damit diese Frauen dann von mehreren Männern hintereinander missbraucht werden konnten.
I represent a woman with credible information regarding Judge Kavanaugh and Mark Judge. We will be demanding the opportunity to present testimony to the committee and will likewise be demanding that Judge and others be subpoenaed to testify. The nomination must be withdrawn.
— Michael Avenatti (@MichaelAvenatti) 23. September 2018
Der US-Senat müsse Kavanaugh dazu befragen, forderte Avenatti – ohne seine Anschuldigungen zu untermauern und ohne zu erklären, welche Rolle Kavanaugh bei alldem genau gespielt haben soll. Avenatti erklärte lediglich vage, in den kommenden Tagen werde er dem Senatsausschuss und der Öffentlichkeit Belege präsentieren.
Avenatti vertritt die Porno-Darstellerin Daniels, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heisst und die behauptet, 2006 mit Donald Trump Sex gehabt zu haben. Clifford liefert sich – vertreten durch Avenatti – heftige juristische Kämpfe mit dem Präsidenten in dieser Frage. Trump bestreitet die Affäre.
Der US-Präsident war in der Vergangenheit selbst mit Vorwürfen konfrontiert, er habe mehrere Frauen sexuell belästigt. Trump wies das stets zurück. In der Debatte um Kavanaugh löste er zuletzt einen Proteststurm aus, weil er die Glaubwürdigkeit von Ford öffentlich in Frage gestellt hatte. Für Trump ist Kavanaughs Berufung enorm wichtig. Er hat die Supreme-Court-Besetzung bei seinen Anhängern als grossen Erfolg verkauft und muss nun liefern - mit Blick auf die anstehende Zwischenwahl zum US-Kongress Anfang November. (sda/dpa/vom)