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Weniger Schutz für Arbeitnehmer: Ständeratskommission will Arbeitszeiten an die Wäsche

Weniger Schutz für Arbeitnehmer: Ständeratskommission will Arbeitszeiten an die Wäsche

04.09.2018, 11:2604.09.2018, 13:23
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Bild: KEYSTONE

Für Arbeitnehmende mit Vorgesetztenfunktion oder bestimmten Entscheidbefugnissen soll der Arbeitnehmerschutz gelockert werden. Die Wirtschaftskommission des Ständerates (WAK) schickt zwei Vorlagen dazu in die Vernehmlassung.

Zur Debatte stehen spezielle Regeln zu Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten sowie Ausnahmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Sie wolle den Änderungen in der Arbeitswelt Rechnung tragen, schreibt die WAK in einer Mitteilung vom Dienstag.

Wie viele Arbeitnehmende betroffen wären, ist umstritten: Nach Einschätzung der Befürworter wären es zwischen 13 und 19 Prozent, nach Einschätzung der Gegner bis zu 40 Prozent.

Betroffen wären in beiden Varianten Arbeitnehmende mit einer Vorgesetztenfunktion sowie Fachpersonen, die über wesentliche Entscheidbefugnisse in ihrem Fachgebiet verfügen. Die WAK hält fest, sie wolle diesen mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Arbeits- und Ruhezeit geben.

Keine wöchentliche Höchstarbeitszeit

Die beiden Entwürfe gehen auf parlamentarische Initiativen von Konrad Graber (CVP/LU) und Karin Keller-Sutter (FDP/SG) zurück. Beim Modell «Graber» kann der Arbeitgeber ein Jahresarbeitszeitmodell einführen. Damit fällt die gesetzlich festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit weg, und es darf unter dem Jahr Schwankungen bei der wöchentlichen Arbeitszeit geben.

Im Jahresdurchschnitt dürften jedoch höchstens 45 Stunden pro Woche gearbeitet werden, und per Ende Jahr dürften maximal 170 Mehrstunden resultieren. Diese wären mit einem Zuschlag von 25 Prozent auszuzahlen oder im Folgejahr zu kompensieren. Gelockert würden nach diesem Modell auch die Bestimmungen zur Ruhezeit und zu nach eigenem Ermessen geleisteten Sonntagsarbeit.

Heute beträgt die Höchstarbeitszeit je nach Branche 45 oder 50 Stunden. Für bestimmte Betriebe und Arbeitnehmende kann sie zeitweise um höchstens vier Stunden verlängert werden. Die Ruhezeit kann heute einmal in der Woche von elf auf acht Stunden herabgesetzt werden, sofern die Dauer von elf Stunden im Durchschnitt von zwei Wochen eingehalten wird.

Keine Arbeitszeiterfassung

Der Entwurf «Keller-Sutter» sieht vor, dass der Arbeitgeber für die gleichen beiden Arbeitnehmerkategorien und unter den gleichen Voraussetzungen auf die Erfassung der Arbeits- und Ruhezeit verzichten kann.

Damit würde eine Lockerung erweitert, die 2016 in Kraft getreten ist. Gemäss dieser entfällt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Arbeitnehmende, die einem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt sind, der dies vorsieht, sofern sie mehr als 120'000 Franken pro Jahr verdienen.

Eine Lockerung gab es auch für weniger gut verdienende Angestellte: Wer seine Arbeitszeiten zu mindestens 25 Prozent selber bestimmen kann, muss nur noch die Gesamtdauer der täglichen Arbeitszeit dokumentieren – und nicht mehr Arbeitsbeginn und -ende. Darüber war lange diskutiert worden, bis sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einigen konnten.

Schwächung des Arbeitsgesetzes

Die Kommission hat den beiden Modellen mit 8 zu 3 beziehungsweise 7 zu 3 Stimmen bei je 1 Enthaltung zugestimmt. Die Minderheit erachtet die vorgeschlagenen Änderungen als unnötig. In ihren Augen ist das geltende Recht bereits flexibel genug.

Die Änderungen würden das Arbeitsgesetz deutlich schwächen und sich auf sehr viele Arbeitnehmende auswirken, argumentieren die Gegnerinnen und Gegner. Die vorgesehenen Massnahmen könnten die Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmenden beeinträchtigen. (sda)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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In vino veritas
04.09.2018 11:38registriert August 2018
Diese Entwicklung ist äusserst bedenklich. Einerseits geben wir (und die Gewerkschaften😡) die hart erkämpften Errungenschaften unserer Eltern und Grosseltern auf im Glauben, dass die Wirtschaft es schon nicht ausnutzen wird. Wue naiv sind wir eigentlich? Und wer glaubt, dass ein paar Jahr später nicht auch der normale Arbeitnehmer an der Reihe ist, der wird eine böse Überraschung erleben. Ausserdem bezahlen wir alle die Folgen der Überarbeitung (Burn-Out, Herzinfarkt, Unfälle usw.) als Volk und) die Wirtschaft kassiert.
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mc_diver
04.09.2018 13:24registriert Mai 2017
Bürgerliche Parteien sind eben nicht nur gegen Ausländer, sondern auch gegen Arbeitnehmer. Ein kritischerer Blick bei den nächsten Parlamentswahlen täte allen gut.
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HeidiW
04.09.2018 12:35registriert Juni 2018
Mitglieder im WAK (Nationalrat)
Jean-Francois Rime (SVP)
Thomas Aeschi (SVP)
Céline Amadruz (SVP)
Bulllaume Barazzone (CVP)
Toni Brunner (SVP)
Dominique de Buman (CVP)
Hans Egloff (SVP)
Olivier Feller (FDP)
Sylvia Flückiger-Bäni (SVP)
Petra Gössi (FDP)
Christian Lüscher (FDP)
Magdalene Martullo-Blocher (SVP)
Thomas Matter (SVP)
Leo Müller (CVP)
Markus Ritter (CVP)
Daniela Schneeberger (FDP)
Beat Walti (FDP)
und noch 6 von der SP, 2 Grüne und Landolt von der BDP.

Ich hoffe Ihr merkt euch diese Namen, damit Ihr bei den nächsten Wahlen diese Namen streichen könnt.
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