Spirituelle Sucher und Esoteriker bekommen glänzende Augen, wenn sie an Indien denken. Ihre religiösen Träume und Sehnsüchte kristallisieren sich über dem Subkontinent.
Viele westliche Pilger reisen regelmässig in das gelobte Land, um in Ashrams ihren spirituellen Meistern und Gurus zu huldigen. Ihre Erwartungen wachsen dabei oft in den Himmel, denn sie erhoffen sich Glückseligkeit, Erlösung und Erleuchtung.
Der Ruf als mystisches Wunderland erlangte Indien schon in den 1960er-Jahren, als Hippies und Vertreter der Flower-Power-Bewegung nach Goa reisten und von dort die spirituelle Reise durch das Land starteten. Sie befeuerten die New Age Bewegung und läuteten das Wassermann-Zeitalter ein.
Dabei zelebrierten sie die Leichtigkeit des Seins, überzogen die Welt mit einem rosaroten Schleier, drehten gern einen Joint oder rauchten mit den Sadhus, den Bettelmönchen, schon mal eine Opiumpfeife.
Anfänglich haben sich die spirituellen Meister und Gurus über die enthusiastischen Gäste aus dem Westen gewundert. Es dauerte aber nicht lang, bis manche ihre grosse Chance witterten, Kapital aus der spirituellen Neugier der westlichen Klientel zu schlagen. Sie fühlten ihnen den Puls und erkannten rasch ihre Bedürfnisse. Instinktsicher passten sie ihr spirituelles Konzept und ihre Meditationen den Erwartungen der Gäste aus dem Westen an und starteten durch.
Ein Meister seines Faches war Bhagwan, der Tantra, freie Sexualität und spirituelle Therapien kombinierte und bald eine weltweite Anhängerschaft und 99 Rolls Royce hatte. Ein schlauer und erfolgreicher Fuchs war auch Sai Baba, der angeblich Wunderkräfte besass und ganze Städte materialisieren konnte, sprich: Aus dem Ärmel zaubern.
Die sexuelle Freizügigkeit der Westler war für ihn im prüden Indien offensichtlich eine Offenbarung, weshalb er sich zwischendurch mal seiner Anhängerinnen bediente. Wie manche anderen Gurus, die ihre spirituelle Autorität ausnutzen, um westliche Sucherinnen sexuell zu missbrauchen.
Die erfolgreichsten Gurus wurden von ihren Devotees zu Tourneen rund um die Welt eingeladen. Sie füllten grosse Hallen und gründeten im Westen eigene Ashrams. Ihre Liste ist lang. Der Star unter ihnen war der bereits genannte Bhagwan Shree Rajneesh, der sich auch Osho nannte.
Erfolg hatte auch Maharishi Mahesh Yogi, der die Transzendentale Meditation TM gegründet hatte. Weitere Namen: Sri Chinmoy, Sri Sri Ravi Shankar, Balsekar, Amma, Prabhupada (Hare Krishna), Swami Onkarananda (DLZ), Ananda Marga, Brahma Kumaris und, und, und.
Die Anziehungskraft dieser Gurus ist in den letzten Jahren etwas erlahmt, sie haben an Faszination und Glanz verloren. Viele spirituelle Sucher sind ernüchtert, wenn nicht enttäuscht. Sie hatten jahrelang meditiert und ihren spirituellen Führern geholfen, Millionen anzuhäufen, doch die versprochene Glückseligkeit oder Erleuchtung blieben ein Mythos oder eine Illusion.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele, also indische spirituelle Schulen oder Bewegungen, die im Westen weiterhin erfolgreich sind. Dazu gehört die Akram-Vignan-Bewegung, die im indischen Jainismus verankert ist und von Dada Baghwan initiiert wurde.
Ihr Erfolgsgeheimnis bei westlichen spirituellen Suchern: Sie verspricht Wunder über Wunder. Weltliche wie spirituelle.
Aufschlussreich ist allein schon die Einladung zu einer mehrtägigen Veranstaltung am 10. April 2024 im deutschen Willingen. Im Titel heisst es:
Beim Begriff „spirituelle Wissenschaft“ läuten bereits die Alarmglocken, denn das ist ein Widerspruch in sich. Wer es nötig hat, seine spirituelle Lehre mit einem wissenschaftlichen Anspruch zu versehen, muss damit rechnen, als Schlangenfänger eingestuft zu werden.
Denn er sendet ein problematisches Signal an die spirituellen Sucher aus: Bei uns musst du nicht glauben, weil wir dir in unserer Akademie wissenschaftliche Beweise liefern. Die „spirituellen Wissenschaftler“ versprechen sich von dieser Taktik wohl einen Wettbewerbsvorteil.
Weiter verspricht der Flyer «das Erwachen zu deinem wahren Selbst» und «die Erfahrung der Natur ewiger Glückseligkeit». Nicht nur in diesem Leben, sondern auch in den zukünftigen.
Es kommt noch besser. Oder sollte man sagen: Noch dicker: «Dieses ‹Ich› ist ewiglich. Dieses ‹Ich› ist, wer Du wirklich bist. Dieses ‹Ich› ist Gott. Dieses ‹Ich› ist Selbst. Dieses ‹Ich› ist makellos und rein.»
Akram Vignan «erforscht» in ihrer Akademie die spirituellen Weisheiten, die dadurch zu «Wahrheiten» werden sollen. Wörtlich heisst es auf der Homepage: «Diese Wissenschaft hilft dir, tiefen Frieden und Stabilität zu finden, selbst in den unvorhersehbarsten Zeiten. Sie hat sich weltweit bewährt und erreicht jetzt auch den Westen.»
Ein bisschen viel wissenschaftliche Ignoranz für eine Akademie.