Am 21. Februar erklärte der russische Präsident Wladimir Putin Luhansk und Donezk als unabhängige Volksrepubliken an. Beide Gebiete liegen aber im Staatsgebiet der Ukraine. Drei Tage später, am 24. Februar, griff Russland erste militärische Ziel der Ukraine an. Es blieb nicht dabei.
>>> Alle Entwicklungen im Live-Ticker
Sechs Tage dauert der russische Angriffskrieg bereits. Zu lang. «Putins Angriff verläuft nicht nach Plan. Er wollte schnell siegen und mit wenig Aufwand und Streitkräften die ukrainische Regierung stürzen und die Bevölkerung ‹befreien›. Das ist ihm bislang nicht gelungen», sagt Benno Zogg. Er forscht am Center for Security Studies der ETH Zürich zu Sicherheitspolitik mit dem Fokus auf Osteuropa.
Warum hat Putin mehr Mühe als geplant? Zogg nennt drei Gründe:
In Putins Augen ist die Ukraine ein Staat ohne Daseinsberechtigung. Ein Gebiet mit willkürlich gezogenen Grenzen.
«Putin sieht sich als Befreier. In seinen Augen ist die Ukraine ein schwacher Staat mit einer noch schwächeren Regierung», erklärt ETH-Experte Zogg. «Aber Putins Narrativ widerspricht der Realität.» Die ukrainische Armee setze sich zur Wehr, die Moral in der Zivilbevölkerung sei unglaublich hoch. «Man ist bereit, zu kämpfen. Damit hat Putin wohl nicht gerechnet.»
Zwar sei es der russischen Armee gelungen, gewisse Gebiete und strategisch wichtige Ziele in der Ukraine einzunehmen. «Zum Teil wurden sie aber auch zurückgeschlagen. Das widerspricht der These von starken und potenten russischen Streitkräften. Auch die Moral vieler russischer Soldaten können tief sein», so Zogg.
Mit wem man im Kreml auch nicht gerechnet hat, ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi. Er mutiert zur Antithese von Putin. Während sich Selenskyi auf offener Strasse per Selfievideo propagandistisch wirksam direkt an die ukrainische Bevölkerung wendet, sitzt Putin mit viel Distanz zur Kamera. Spricht kühl und kontrolliert vor hölzernen Wänden, abgeschirmt von der Öffentlichkeit.
Selenskyi ist relativ neu auf dem politischen Parkett. Der ehemalige Schauspieler, Komiker und Regisseur ist erst seit Mitte 2019 Präsident der Ukraine. Und auch er wurde von Putin unterschätzt.
Experte Zogg sagt dazu: «Der Angriff auf die Ukraine ist Selenskyis Feuerprobe. Und er schlägt sich sehr gut. Er ist zum starken, widerstandsfähigen Regierungschef geworden. Er inspiriert und stärkt den Kampfgeist.» Mit Selenskyis Stärke habe Putin nicht gerechnet. «Er ist eine zweite Unbekannte, die Putins Rechnung nicht aufgehen lässt.»
Putin rechnete also weder mit einer geeinten und widerstandsfähigen ukrainischen Bevölkerung, noch mit Selenskyi als Moralträger der Nation. Was der russische Präsident ebenfalls falsch einschätzte, ist die Schlagkraft der westlichen Sanktionen.
Am schlagkräftigsten ist der Ausschluss bestimmter russischer Banken aus dem Finanz-Kommunikationssystem Swift. Damit werden die Banken von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt. Zudem beschloss die EU, alle Vermögenswerte der russischen Zentralbank in Europa einzufrieren. Auch die Schweiz schloss sich dieser Massnahme an. So soll verhindert werden, dass Putin seinen Krieg weiterhin finanzieren kann.
«Putin hat die westliche Entschlossenheit unterschätzt. Er hat die Meinungsverschiedenheiten des Westens stets ausgenützt. Der Kremlchef dachte, nur er habe machtpolitische Stärke. Auch damit hat er sich verkalkuliert», so Zogg.
Dass Putins Krieg nicht nach Plan verläuft, bedeutet aber nicht, dass er bereits vorbei sei. Im Gegenteil: «Es steigert wohl eher seinen Eskalationswillen. Die militärischen Vorteile in der Ukraine liegen immer noch bei Russland und das Eskalationspotenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft.» Das sagt Militär-Experte Niklas Masuhr. Auch er forscht am Center for Security Studies an der ETH Zürich.
Experte Benno Zogg ergänzt: «Mit einem Rückzug des Kremls ist kaum zu rechnen. Man hat längst nicht alle Kräfte genutzt. Noch warten zehntausende russische Truppen an der Grenze. Ich gehe davon aus, dass Russland den Einsatz seiner Streitkräfte ausweitet, um auf dem Schlachtfeld Ergebnisse zu erzeugen.»
Im Vergleich zu anderen Kriegen halten sich die zivilen Opfer in Grenzen. Aber wie weit ist Putin bereit, zu gehen? Zu Flächenbombardements oder Häuserkämpfen sei es bis jetzt nicht gekommen, sagt Zogg. «Das sind enorm verlustreiche Kriegsformen – daran ist man im Kreml eigentlich nicht interessiert. Putin geht es nicht um die Vernichtung der Bevölkerung.» Er stellt sich als Befreier der Ukraine dar und will wohl die Regierung absetzen, nicht die komplette Zerstörung des Landes. «Ein offener Krieg mit vielen Toten ist auch in Russland nicht populär», schliesst Zogg.
Am Sonntag versetzte Wladimir Putin die Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft. Konkret kann das heissen: Sprengköpfe werden in die Nähe ihrer Trägersysteme gebracht. Raketen könnten mit scharfen Sprengköpfen bestückt werden. So erklärt es ETH-Experte Benno Zogg. «Dieser Befehl Putins kam wenig überraschend. Die Atomwaffen sind einige der wenigen Stärken Russlands. Die Vorstellung eines Nuklearkonflikts ist furchtbar. Und ein klares Signal an die Nato, nicht weiter in den Konflikt einzugreifen.»
Die erhöhte Alarmbereitschaft sei wohl eine direkte Reaktion auf die Sanktionen aus dem Westen und dem EU-Beschluss, der Ukraine für 500 Millionen Euro Waffen zu liefern. «Aber auch Russland ist nicht an einem atomaren Krieg interessiert. Putin will politische und begrenzt militärische Ziele erreichen, mit möglichst wenigen Verlusten», schliesst Zogg.
Ali mini äntli
Seine Armee hat viel Angstpotential eingebüsst. Die Soldaten kannten nur Putins Propaganda.
"Ich bastle mir die Welt, wie sie mir gefällt" hält zum Glück nicht ewig.
Solatrix
Aber wissen wir den wirklich, was genau sein Plan war?
Majoras Maske