In drei Wochen soll in Singapur Geschichte geschrieben werden: Erstmals ist eine Begegnung zwischen einem amtierenden US-Präsidenten und dem nordkoreanischen Machthaber geplant. Eine US-Delegation sucht derzeit im Stadtstaat nach geeigneten Lokalitäten. Nun aber ist der Gipfel auf der Kippe. Nach Kim Jong Un stellt auch Donald Trump das Treffen in Frage.
«Es könnte sein, dass es nicht am 12. Juni klappt», sagte Trump am Dienstag vor einem Gespräch mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In im Weissen Haus. «Wenn es nicht passiert, passiert es vielleicht später.» Erst letzte Woche hatte Nordkorea seinerseits gedroht, den Gipfel platzen zu lassen, und dies mit einem Manöver der USA mit Südkorea begründet.
Die plötzlichen Drohgebärden nach Wochen der Entspannung – Kim Jong Un empfing den neuen US-Aussenminister Mike Pompeo zweimal in Pjöngjang und liess als Geste des guten Willens drei inhaftierte US-Bürger frei – scheinen das Weisse Haus auf dem falschen Fuss erwischt zu haben. Und Trump soll vor dem Gipfel, in den er spontan eingewilligt hatte, kalte Füsse bekommen haben.
Der Präsident habe Mitarbeiter und Verbündete «gelöchert», ob er das Risiko eingehen solle, berichtete die «New York Times» am Sonntag. Am Samstag führte er mit seinem Amtskollegen Moon Jae In ein 30-minütiges Telefongespräch, obwohl dieser am Dienstag ohnehin in Washington erwartet wurde. Auch dies wird als Zeichen von Trumps Nervosität gedeutet.
Offiziell werden solche Berichte zurückgewiesen. «Ich glaube nicht, dass der Präsident wegen irgendetwas kalte Füsse bekommt», sagte Finanzminister Steve Mnuchin am Montag vor Reportern. Aussenminister Pompeo betonte wenige Stunden nach Trumps Äusserungen vom Dienstag, die Regierung arbeite weiterhin auf ein Treffen am 12. Juni hin.
Donald Trumps erklärtes Ziel ist, dass sich Nordkorea zur vollständigen atomaren Abrüstung verpflichtet und er selbst im Gegenzug den Friedensnobelpreis einsacken wird. Nun wächst die Besorgnis, dass man von den Nordkoreanern über den Tisch gezogen wird. «Es wäre ein grosser Fehler, wenn Kim Jong Un glaubt, er könne Donald Trump austricksen», sagte Vizepräsident Mike Pence am Montag auf Fox News.
US-Diplomaten erinnern daran, dass das nordkoreanische Regime wiederholt Vereinbarungen gebrochen hat, in denen es sich zur Aufgabe seines Atom- und Raketenprogramms verpflichtet hatte. Donald Trump, der laut ehemaligen Mitarbeitern eine Abneigung gegen detaillierte und differenzierte Briefings hat, habe diese Tatsache bei seiner übereilten Gipfelzusage ignoriert.
Nun überlegt man in Washington, wie man die Nordkoreaner zu verbindlichen Abmachungen bewegen könnte. Sicherheitsberater John Bolton schlug eine Lösung nach dem Vorbild Libyens vor. Diktator Muammar Gaddafi hatte sich 2003 verpflichtet, die Entwicklung von Atom- und Chemiewaffen einzustellen als Gegenleistung für die Aufhebung der gegen sein Land verhängten Sanktionen.
In Pjöngjang, wo der Hardliner Bolton ohnehin ein Feindbild ist, kam dieses Angebot gar nicht gut an. Man erinnerte sich daran, dass Gaddafi sein Entgegenkommen mit dem Leben bezahlt hatte. Donald Trump versuchte die Nordkoreaner deshalb am Dienstag nicht mit Zuckerbrot und Peitsche, sondern eher mit Gourmetmenü und Höllenfeuer zu überzeugen.
Einerseits stellte er weitreichende Garantien für den Machterhalt von Kim Jong Un sowie US-Investitionen in Aussicht. Kim wäre in diesem Fall «extrem glücklich». Das libysche Modell sei kein Vorbild, «an das wir denken, wenn wir an Nordkorea denken», sagte Trump und drohte gleichzeitig, es würde «sehr wahrscheinlich greifen, wenn wir nicht zu einem Deal kommen».
Ob man in Pjöngjang dafür ein Musikgehör besitzt, scheint zweifelhaft. Experten halten es laut der «New York Times» für möglich, dass ein Gipfel zwischen Kim und Trump mit einer Erklärung enden wird, in der die Denuklearisierung Nordkoreas als «langfristiges Ziel» bezeichnet wird. Das aber wäre weniger als das Atomabkommen mit Iran, das Trump als «schlechten Deal» geschreddert hat.
In Washington vermutet man Chinas Präsident Xi Jinping (laut Trump ein «Weltklasse-Pokerspieler») als eigentlichen Drahtzieher hinter dem härteren Kurs von Nordkorea. Er hatte Kim Jong Un kürzlich ein zweites Mal getroffen. Für den versierten Strategen Xi eröffne eine Verschärfung der nordkoreanischen Haltung zusätzlichen Spielraum im Handelsstreit mit den USA.
Donald Trump hatte diesen ähnlich unbedacht losgetreten, wie er dem Treffen mit Kim Jong Un zugesagt hatte. Nun deutet alles darauf hin, dass die USA am kürzeren Hebel sitzen, wie Experten stets betont hatten. Der impulsive Präsident und vermeintliche grosse Dealmaker erhält derzeit auf die harte Tour eine Lektion in Sachen Realpolitik auf dem internationalen Parkett.
Noch ist es möglich, dass der Gipfel am 12. Juni in Singapur stattfindet und mit einem Erfolg endet, etwa einem Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea. Für CNN jedoch ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die vom Weissen Haus bereits geprägte Gedenkmünze «zum Ladenhüter wird».