Im Remain-Lager sind die Meinungen schon lange gemacht: Der Brexit, seit Juni 2016 das Gesprächsthema Nummer 1 ist in Grossbritannien, wurde ihnen vom damaligen Premierminister David Cameron eingebrockt.
Die Erklärung geht so: Cameron, selber ein Gegner des EU-Austritts, setzte im im Winter 2016 ein Referendum an – um seiner Partei, den Tories, im Wahlkampf Auftrieb zu verschaffen. Das Referendum ging unerwartet verloren, die Nation war gespalten, Cameron nahm den Hut, und seither schlägt sich seine Nachfolgerin, Theresa May, mit der Abwicklung herum.
Diese Sichtweise erhält nun durch ein Interview mit EU-Kommissionspräsident Donald Tusk neues Futter. Tusk plaudert in einer BBC-Dokumentation aus dem Nähkästchen und liefert ein pikantes Detail: Cameron verschätzte sich nicht nur beim Ausgang der Abstimmung – er dachte laut Tusk offenbar auch, das Referendum werde gar nie zustande kommen.
Cameron habe sich sicher gefühlt, so Tusk, weil er dachte, die Referendumspläne würden von seinem Koalitionspartner, den Liberalen, vereitelt. «Aber dann haben die Tories überraschend die Wahlen 2015 gewonnen und es gab keinen Koalitionspartner mehr. David Cameron wurde also paradoxerweise Opfer seines eigenen Erfolgs.»
«Ich habe David Cameron gefragt: Wieso hast du dich für dieses Referendum entschieden ... es ist so gefährlich, so dumm sogar, und er sagte mir – und das hat mich richtig erstaunt und sogar geschockt – dass der einzige Grund seine eigene Partei war.»
Tusk erzählt weiter, wie er Cameron im Vorfeld des Referendums gewarnt habe:
«Ich habe ihm ganz offen gesagt, komm schon David, mach die Augen auf. Ich weiss, dass alle [EU-]Premierminister versprochen haben, dir zu helfen, aber glaub mir, die Wahrheit ist: Niemand hat Lust auf eine Revolution in Europa wegen deines dummen Referendums.»
Die Aussagen stammen aus einem Trailer der BBC-Serie «Inside Europe: Ten years of Turmoil,» die am 28. Januar ausgestrahlt wird. (wst)