Japans Ministerpräsident Shinzo Abe hat sich die Rückendeckung der Wähler für eine weitere Amtszeit und seinen harten Kurs gegenüber Nordkorea gesichert. Abes konservative Regierungskoalition gewann bei den Parlamentswahlen am Sonntag laut Prognosen 311 der 465 Sitze.
Abe steuere auf einen «Erdrutschsieg» zu, berichtete die japanischeZeitung «Yomiuri» nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse. Der 63-Jährige dürfte nun zum vierten Mal zum Regierungschef gewählt und damit der am längsten regierende Ministerpräsident des Landes werden. Die Wahlbeteiligung lag nach Medien-Schätzungen mit 53.7 Prozent nur leicht über dem Rekordtief beim Votum von 2014.
Abes Liberaldemokratische Partei (LDP) profitierte auch von der Schwäche der Opposition. «Der Sieg der LDP ist ganz einfach darauf zurückzuführen, dass die Opposition keine gemeinsame Front bilden konnte», sagte der Politikwissenschaftler Mikitaka Masuyama.
Die Partei Kibo no To (Partei der Hoffnung) von Tokios populärer Bürgermeisterin Yuriko Koike, die Abes LDP bei der Regionalwahl im Juli noch eine herbe Niederlage bereitet hatte, kam bei der Parlamentswahl den Prognosen zufolge lediglich auf 50 Sitze. Dies sei ein «sehr schlimmes Ergebnis», sagte Koike dem Sender NHK.
In japanischen Medienberichten hiess es am Sonntag, Abe könne sich im Parlament eine Zweidrittelmehrheit sichern. Nachwahlbefragungen für den Fernsehsender TBS zufolge könnte das Bündnis von Abes LDP mit der Komeito 311 der 465 Sitze im Unterhaus gewinnen. Auch der öffentlich-rechtliche Sender NHK sah die Regierungskoalition auf dem Weg zu einer erneuten Zweidrittelmehrheit.
In Erhebungen anderer Sender allerdings lag die Koalition knapp unter dieser Marke. Das Endergebnis der Wahl wurde am Montagmorgen erwartet.
Mit einer Zweidrittelmehrheit könnte eine Änderung von Japans Nachkriegsverfassung, die das Land unter anderem zum Pazifismus verpflichtet, in die Wege geleitet werden. Eine Verfassungsrevision ist Abes politisches Lebensziel. Er will an der Seite der Schutzmacht USA die Rolle des Militärs angesichts der Bedrohung durch Nordkorea und der wachsenden Macht Chinas stärken.
In Japan gibt es Befürchtungen, dass die älteste Demokratie Asiens nicht mehr das demokratische Land sein könnte, das es seit dem verlorenen Zweiten Weltkrieg bislang war, sollte Abes LDP ihre Ziele für eine Verfassungsänderung umsetzen können. Ein Entwurf der Partei von 2012 sieht neben einer Änderung des Pazifismusartikels 9 auch eine weitgehende Einschränkung grundlegender Bürgerrechte vor.
Abe vertritt die Ansicht, dass die Verfassung nicht der einer unabhängigen Nation entspricht, da sie Japan 1946 von der Besatzungsmacht USA aufgezwungen worden sei. Die Existenz der Selbstverteidigungsstreitkräfte will er in der Verfassung verankern.
Für eine Verfassungsänderung bedarf es jedoch nicht nur einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Parlaments, sondern auch eines nationalen Referendums. Ob Abe, der im Volk trotz des Sieges seiner Partei unbeliebt ist, damit durchkommt, ist ungewiss.
Im Wahlkampf hatten Oppositionspolitiker Abe vorgeworfen, mit der vorgezogenen Wahl mehr als ein Jahr vor dem regulären Termin von innenpolitischen Skandalen ablenken zu wollen. Der Ministerpräsident hatte Ende September das Parlament aufgelöst und damit den Weg für Neuwahlen geebnet.
Im Wahlkampf warb er für einen harten Kurs in der Nordkorea-Politik sowie für eine Fortsetzung seiner Strategie, die schwächelnde Wirtschaft mit Hilfe einer lockeren Geldpolitik und hohen Staatsausgaben anzukurbeln.
Insbesondere das Raketenprogramm Nordkoreas hatte in Japan zuletzt grosse Sorge ausgelöst. Binnen eines Monats hatte die Führung in Pjöngjang zwei Raketen zu Testzwecken über Japan hinweggefeuert. In dieser angespannten Lage war die Unterstützung für Abes Regierung gewachsen. Zuvor hatte sie wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft an Popularität verloren. (sda/afp/dpa/reu/kün)