Renzi tritt zurück ++ Fünf-Sterne-Chef Di Maio will Italien regieren
Das Wichtigste in Kürze:
- Hochrechnungen gehen von einem klaren Rechtsrutsch aus. Die Europakritiker haben triumphiert. Allerdings haben die Wahlen keine klaren Sieger hervorgebracht.
- Die 5-Sterne-Bewegung wird offenbar stärkste Partei. Sie holt
32,4 Prozent im Senat. - Der Mitte-Rechts-Block von Berlusconi kommt in der grossen Kammer demnach auf 36,4 Prozent. Davon entfallen 17,5 Punkte auf die Lega und nur 14,5 Punkte auf Berlusconis Forza Italia, der Rest auf zwei kleine Rechtsparteien.
- Eine Abfuhr gibt es für die Linken: Die Sozialdemokraten (PD) von Ministerpräsident Paolo Gentiloni und Parteichef Matteo Renzi kamen demnach auf nur 22,9 Prozent.
- Politologen befürchten, dass es aufgrund der zersplitterten Parteien und dem komplizierten Wahlsystem kaum zu einer regierungsfähigen Mehrheit kommen wird.
- Die Wahlbeteiligung liegt aut vorläufigen Angaben bei 72 Prozent.
- Die Endresultate werden am Montagvormittag erwartet.
Renzi kündigt Rücktritt an
«Berlusconi ist die Vergangenheit»
«Berlusconi ist die Vergangenheit, Lega-Chef Salvini ist die Zukunft. Ich bezweifle, dass es in ein oder zwei Jahren Berlusconis Partei noch geben wird», meinte Orsina, Politologe an der römischen Universität LUISS, im Gespräch mit Medien in Rom.
«Die politische Stärke Berlusconis war seine mitreissende Kraft bei Wahlkämpfen. Wenn er diese Fähigkeit verliert, hat Forza Italia kaum Chancen mehr», meinte Orsina.
Fünf-Sterne-Chef: Wir übernehmen Regierungsverantwortung
Der 31-Jährige zeigte sich offen für mögliche Koalitionen. «Wir sind offen für alle politischen Kräfte», sagte Di Maio. Im Vordergrund stünden unter anderem die Themen Arbeit, Sicherheit, Migration und Steuern. «Heute beginnt die Dritte Republik und es wird eine Republik der italienischen Bürger sein.» (sda/dpa)
Lega-Chef will Italien regieren
Die Märkte hätten nichts zu befürchten, sagte Salvini. Er hatte sich im Wahlkampf als EU-kritisch präsentiert und angekündigt, rund 600'000 Migranten in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Zugleich bezeichnete er den Euro als eine «grundfalsche Währung.» Ein Referendum über den Euro nannte er aber undenkbar.
Kontroverse um Renzis Rücktritt
Schweiz-Italiener bevorzugen Renzi
Gemäss Teilergebnis des italienischen Innenministeriums vom Mittag erhielt Renzis Partei in der Schweiz fast 32,7 Prozent, während sie Zuhause eine schwere Niederlage einstecken mussten. An zweiter Stelle in der Schweiz folgt die rechtsextreme Lega mit einem Stimmenanteil von 30,3 Prozent.
Die in Italien siegreiche Fünf-Sterne-Bewegung kommt auf den dritten Platz und erhält den Zuspruch von 25,7 Prozent der Italienerinnen und Italiener, die in der Schweiz gewählt hatten. (sda)
Totalblockade, Ratlosigkeit, Improvisation – und was bedeutet das für Europa?
Das sind auch für Europa denkbar schlechte Aussichten. Italien bräuchte eine starke Regierung, damit das überschuldete Land erneuert werden könnte. Dieses Ziel hätten, schreibt «die Welt» zwar alle auf ihre Fahnen geschrieben, aber nicht als gemeinsames Projekt, sondern in Form von Alleingängen.
Für Italien bedeuten diese Alleingänge alles andere als ein Vorwärtskommen. Und: Die Zukunft des Landes liegt in der EU, schreibt «die Zeit», doch die Sieger der Wahlen wenden sich dezidiert gegen Europa. Das Land sei, so das hoffnungslose Verdikt, verloren.
Euro und Italien-Anleihen fallen
Auch den Anleihen des Landes macht die Lage zu schaffen. Die Kurse der zehnjährigen italienischen Bonds fielen am Montag, im Gegenzug stieg die Rendite im frühen Handel um neun Basispunkte auf 2,127 Prozent.
«Für die Finanzmärkte und Europa wäre eine Koalition zwischen 5-Sterne-Bewegung und Lega das Schlimmste aller möglichen Szenarien», sagte Ökonom Carsten Brzeski von der Bank ING. Der Wahlausgang bedeute vor allem, dass neue Reformen für mehr Wachstum in Italien erst einmal in den Sternen stünden. (aeg/sda)
Die Titelblätter der italienischen Presse
«Das Italien von M5S und Lega, PD k. o., auf Wiedersehen Renzi»
L'Italia di #M5S e #Lega. #Pd ko, #Renzi all'addio - La #primapagina di Repubblica di oggi https://t.co/TCRoJN3oz2 pic.twitter.com/79oEV5ZzqZ
— la Repubblica (@repubblica) 5. März 2018
«M5S fliegt»
La prima pagina del Corriere delle Alpi oggi in edicola #gedi pic.twitter.com/Ey1KsfIfZ0
— Corriere delle Alpi (@CorriereAlpi) 5. März 2018
«Klatsche für die PD»
La #primapagina della provinciapavese oggi in #edicola #Pavia #Vigevano #Voghera #gruppoGedi pic.twitter.com/yQXIoO3KdM
— La Provincia Pavese (@provinciapavese) 5. März 2018
«Italien unregierbar»
Pikant ist: Die rechtspopulistische Lega dürfte stärker aus der Wahl hervorgehen als Bündnispartner Forza Italia von Berlusconi. Für den Fall einer ausreichenden Mehrheit könnte sie somit den Ministerpräsidenten stellen. Die beiden Parteien hatten im Vorfeld erklärt, das dies dem stärkeren Partner zufalle. Berlusconi könnte die Regierung allerdings ohnehin nicht anführen, er hatte Antonio Tajani vorgeschlagen.
Regierungschef Gentiloni hatte vor der Wahl eine grosse Koalition nach deutschem Vorbild ins Spiel gebracht. Ob Mitte-rechts oder Mitte-links bei einer von den Fünf Sternen angeführten Regierung koalieren würde, scheint äusserst fraglich.
Buongiorno, ecco la prima pagina di oggi.
— La Stampa (@LaStampa) 5. März 2018
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Drei Szenarien, wie es in Italien weitergeht
- Die Fünf-Sterne-Bewegung, die stärkste Einzelpartei geworden ist, hat bisher eigentlich Koalitionen mit wem auch immer ausgeschlossen. Im Wahlkampf hatte sie diese Position allerdings revidiert. Es bleibt also abzuwarten, ob die Partei nicht doch noch koaliert, um an die Regierung zu kommen. Auch wenn die Parteien das verneint haben: Immer wieder wird über ein mögliches europakritisches Bündnis der ausländerfeindlichen Lega mit den Sternen spekuliert.
- Die Protestpartei, die immer wieder betont, weder links noch rechts zu sein, könnte aber auch mit den abgestraften Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) sprechen. Ziel einer solche Koalition könnte sein, die Rechten zu verhindern. Allerdings hatte Parteichef Matteo Renzi noch kurz vor der Wahl gesagt: «Besser in der Opposition als mit Extremisten verbündet.» Als solche hatte er in der Vergangenheit auch die Fünf-Sterne-Bewegung bezeichnet.
- Die beiden Kammern des Parlaments kommen erstmals am 23. März zu einer Sitzung zusammen. An diesem Tag sollen die Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses gewählt werden.
- Erst danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen. Hier kommt Staatspräsident Sergio Mattarella eine tragende Rolle zu, der alle parlamentarischen Gruppen zu Gesprächen einlädt - das könnte Ende März oder Anfang April passieren. Er muss dann abwägen, wer die besten Chancen hat, eine Regierung zu bilden. Er wählt dann eine Person, die diese Aufgabe übernehmen soll. In Italien muss ein Regierungschef nicht notwendigerweise Parlamentsmitglied sein. Falls sich keine Lösung findet, kann Mattarella das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. (sda)
Mitte-Rechts-Bündnis zieht weiter davon
Mitte-rechts um Silvio Berlusconis Forza Italia und der fremdenfeindlichen Lega holt laut Angaben des Rundfunksenders RAI vom Montagmorgen 36 Prozent der Stimmen, Fünf Sterne 32,5 Prozent. Das Mitte-links-Bündnis um den bisher regierenden Partito Democratico (PD) sackt auf 22,9 Prozent ab.
Italy, Tecné projection:
— Europe Elects (@EuropeElects) March 5, 2018
M5S-EFDD: 34%
PD-S&D: 18%
FI-EPP: 14%
LN-ENF: 16%
LeU-S&D: 4%
FdI-*: 4%
+E-*: 2%
NcI-*: 1%#Elezioni #Elezioni4Marzo2018 #ItalyElection2018
Die «Vergöttlichung» der Fünf-Sterne-Bewegung
Die Fünf Sterne, die ohne Bündnispartner ins Rennen gegangen waren, liegen laut Hochrechnungen bei 32,3 Prozent im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments. Mitte-rechts kommt demnach auf 37,3 Prozent. Davon entfallen 17,5 Punkte auf die Lega und nur 14,5 Punkte auf Berlusconis Forza Italia, der Rest auf zwei kleine Rechtsparteien.
Die Reaktionen
La mia prima parola: GRAZIE! pic.twitter.com/DRXiWVAHQp
— Matteo Salvini (@matteosalvinimi) March 4, 2018
Zufrieden erklärte sich auch Berlusconis Forza Italia. «Nach fünf Jahren Mitte-links-Regierung ist der Mitte-rechts-Block und nicht die Fünf Sterne-Bewegung die erfolgreichste Alternative für die Italiener», hiess es in einem Communiqué der Forza Italia.
Berlusconi räumt im Senat ab
Laut den Hochrechnungen dürfte die fremdenfeindliche Lega mit 17,4 Prozent der Stimmen besser als Berlusconis Forza Italia im Senat abgeschnitten haben. Damit kann Lega-Chef Salvini den Premierposten beanspruchen, sollte es zu einer Mitte-rechts-Regierung in Rom kommen.
Berlusconis konservative Partei muss sich laut Hochrechnungen mit 14,1 Prozent der Stimmen begnügen. Die postfaschistische Partei «Brüder Italiens», die dritte Gruppierung in Berlusconis Bündnis, dürfte lediglich 4,0 Prozent der Stimmen erhalten haben.
«Ein historisches Ergebnis»
Die Fünf Sterne kommen auf 33,1 Prozent, wie aus der Hochrechnung des Senders La7 in der Nacht zu Montag hervorgeht. Das Rechtsbündnis von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi kommt auf 36,6 Prozent, wobei darin die fremdenfeindliche Lega-Partei Berlusconis Forza Italia mit 17,3 Prozent überholt. Die regierenden Sozialdemokraten (PD) stürzten demnach auf 18,7 Prozent ab.
Bei der Parlamentswahl in Italien wurden sowohl Abgeordnetenhaus als auch Senat gewählt. Die Stimmen für den Senat wurden zuerst ausgezählt.
«Es steht fest, dass die Fünf-Sterne-Bewegung ein Eckpfeiler der nächsten Legislaturperiode sein wird», so der Fünf Sterne-Parlamentarier Alfonso Bonafede. «Sollte dieses Wahlergebnis bestätigt werden, wäre dies ein historisches Ergebnis für uns.»
Italiens Sozialdemokraten gehen wohl in die Opposition
«Die Prognosen sind erfahrungsgemäss elastisch, aber wenn das das Endergebnis wird, dann ist die Sache klar: Für die PD ist das ein negativer Wert, wir werden in die Opposition gehen», sagte Ettore Rosato, Chef der PD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, laut der Nachrichtenagentur Ansa.
Bei der Wahl am Sonntag kam der PD (Partito Democratico) in Nachwahlbefragungen nur auf 20 bis 23 Prozent der Stimmen. Sie hatte in der vergangenen Wahlperiode durchgehend den Ministerpräsidenten gestellt. (sda)
Klarer Rechtsrutsch und Absturz der Demokraten
Berlusconis Block laut Exit Polls vorn
Erste Hochrechnung zeigt: 5-Sterne-Bewegung wird die stärkste Partei im Land.
In wenigen Minuten schliessen die Urnen
Präsident des Italienischen Paralympischen Komitees: «Was für eine Schande!»
In fila per esercitare il mio diritto di voto .... la sezione al primo piano INACCESSIBILE ... io e tantissimi anziani costretti a votare in un seggio di fortuna e pregare qualche amico o parente di verificare l’apposizione nell’urna delle schede !!!! VERGOGNA !! pic.twitter.com/rme58DrpjA
— Luca Pancalli (@LucaPancalli) 4. März 2018
«In der Warteschlange, um mein Wahlrecht auszuüben...das erste Stockwerk ist nicht zugänglich...ich und viele ältere Personen müssen einen Freund oder Verwandten beten, den Wahlzettel in die Urne zu werfen. Was für eine Schande!», schreibt Pancalli.
querschnittgelähmte 42-jährige Römer Anwalt Luca Pancalli. Der neue Übergangskommissar war bisher Vorsitzender des Behindertensportverbandes
In Süditalien beteiligen sich deutlich weniger Stimmberechtigte an den Wahlen
Um 19 Uhr liegt die Wahlbeteiligung bei 58,5 Prozent.
Chaos bei der Ankunft der Wahlzettel der Auslanditaliener
Femen-Aktivistin protestiert gegen Berlusconi
Hohe Wahlbeteiligung
Die Urnen sind seit 7 Uhr morgens bis um 23 Uhr geöffnet.
Wie wird gewählt?
Kompliziertes Wahlsystem sorgt für lange Schlangen
Panne in Palermo
A Palermo alcuni seggi sono ancora chiusi in attesa di ricevere le schede elettorali corrette. Nel giorno più importante di una democrazia sono ritardi ed errori inaccettabili. Spero che questo non scoraggi la partecipazione dei cittadini. #Elezioni2018
— Pietro Grasso (@PietroGrasso) 4. März 2018
Schafft es Berlusconi erneut an die Macht?
Stärkste Einzelpartei ist nach allen Umfragen die Fünf-Sterne-Protestbewegung mit ihrem Spitzenkandidaten Luigi Di Maio, die vor allem für Oppositionspolitik steht. Den regierenden Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) von Ministerpräsident Paolo Gentiloni und Parteichef Matteo Renzi droht wie in anderen europäischen Ländern ein Debakel.