Soldaten bewachen ein von Gangs kontrolliertes Quartier in Ilopango, El Salvador.Bild: Salvador Melendez/AP/KEYSTONE
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In El Salvador,
Guatemala und Honduras sind Mord und Totschlag an der Tagesordnung.
Wer kann, versucht vor dem Blutvergiessen zu fliehen. Einfache Lösungen für das Gewaltproblem gibt es nicht.
22.08.2017, 12:1923.08.2017, 16:23

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Wo lebt es sich am
gefährlichsten? In Syrien? Im Kongo? Es ist eine Region, die
selten in den Medien erscheint. El Salvador, Guatemala und
Honduras seien «praktisch Kriegsgebiete geworden, wo Leben
entbehrlich zu sein scheint», sagte Salil Shetty, Generalsekretär
von Amnesty International, im letzten Oktober in der honduranischen
Hauptstadt Tegucigalpa.
In den drei erwähnten Ländern lebten Millionen «in ständigem Schrecken», was
Bandenmitglieder oder staatliche Sicherheitskräfte ihnen oder ihren
Liebsten antun könnten. Diese Millionen
sind Protagonisten in einer der am wenigsten sichtbaren
Flüchtlingskrisen. Laut dem UNHCR haben 2015 rund 48'000 Menschen
aus den drei Staaten Asyl in anderen Ländern
beantragt. Zahlreiche weitere sind illegal eingereist, vor allem in
die USA.

Eine Gruppe von Migranten aus El Salvador und Honduras wurde beim Versuch erwischt, illegal in die USA einzureisen.Bild: AP/AP
Der amerikanische
Kontinent weist laut dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen-
und Verbrechensbekämpfung (UNODC) die weltweit höchste Mordrate
auf, mit 16,3 Toten auf 100'000 Einwohnern. Das ist fast das
Dreifache des globalen Durchschnittswerts von 6,2 Mordopfern. Die
meiste Gewalt gibt es in Lateinamerika und in der Karibik. Und
nirgends ist sie so schlimm wie im «nördlichen Dreieck», zu dem El Salvador, Guatemala und Honduras gehören.
Mehr als 150-mal so viele Morde wie in der Schweiz
In El Salvador lag
die Mordrate 2015 gemäss UNO-Statistik bei 109 Opfern pro 100'000
Personen, womit das kleine, aber dicht besiedelte Land mit weitem
Abstand an der Spitze lag. Der nach dem «Heiland» benannte Staat
hat fast so viele Einwohner wie die Schweiz, ist aber nur halb so
gross. In Honduras (64) und Guatemala (31) war die Mordrate tiefer,
aber immer noch weit über dem Durchschnitt. Zum Vergleich: In der
Schweiz betrug sie 0,69 Todesopfer auf 100'000 Leute.
Gleich geht's weiter mit der Analyse, vorher ein kurzer Hinweis:
Wer ist für all diese Morde verantwortlich?
El Salvador ist geprägt von kriminellen Jugendbanden. Auf ihr Konto gehen die meisten Morde. Wie sie die Bevölkerung terrorisieren und was das für Kinder in El Salvador bedeutet, erfährst du hier:
pablos-zukunft.chUnd nun zurück zum Text ...
Ausserhalb von
Kriegsgebieten kommen nirgendwo so viele Menschen gewaltsam ums Leben
wie in den drei Ländern Zentralamerikas. Bereits in den benachbarten
Staaten Nicaragua und Costa Rica, das seine Armee 1948 abgeschafft
hat, ist die Mordrate wesentlich tiefer. In Mexiko, wo die brutalen
Drogenkartelle immer wieder für Schlagzeilen sorgen, lag sie 2015 bei 16,3 Opfern.
Die brutale Gewalt
wirkt sich auf die Bevölkerung aus. Wer kann, versucht zu fliehen.
Fast zehn Prozent der rund 30 Millionen Einwohner des «nördlichen
Dreiecks» haben laut dem Council on Foreign Relations ihre Heimat
verlassen. Die USA sind das bevorzugte Ziel. Längst haben die
Salvadorianer, Guatemalteken und Honduraner die von Präsident Donald
Trump ins Visier genommenen Mexikaner als grösste
Einwanderergruppe aus dem Süden abgelöst.
Fotos aus Zentralamerika: Der Tod auf der Strasse
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Zentralamerika: Der Tod auf der Strasse (Kopie für Native)
Für die Morde sind
in erster Linie die berüchtigten Mara-Gangs verantwortlich. Die
tätowierten Männer wurden zu Symbolfiguren der Gewalt in
Zentralamerika. Die hohe Mordrate ist aber nur ein Teil des Problems.
Nicht weniger schlimm sind die Schutzgelderpressungen. Sie können
jeden treffen und betragen laut lokalen Medien mehrere Dutzend bis
Hundert Millionen Dollar pro Jahr.
95 Prozent werden nie aufgeklärt
Wen wundert es da,
dass die Menschen in diesen Ländern in ständigem Schrecken leben. Wie konnte es so weit kommen?
Die Gewalt unterscheidet sich von Land zu Land, doch laut der Studie
des Council on Foreign Relations gibt es Gemeinsamkeiten: Die
Jugendgangs, den Drogenschmuggel in die USA sowie das
geringe Risiko, für ein Verbrechen bestraft zu werden. Bis zu 95
Prozent der Straftaten werden nie aufgeklärt.
So geschah es auch
im Fall der jungen María aus El Salvador. Zehn Jahre lang hatte sie
die Häuser reicher Menschen geputzt, um gemeinsam mit ihrer Mutter
die Schlepper für die gefährliche Reise Richtung USA bezahlen zu
können. Als es so weit war, nahmen sie ein Taxi, um die
Menschenschmuggler zu treffen – und wurden nie wieder gesehen.
Erbarmungslose Ganggewalt
Zum Verhängnis
wurde ihnen wohl, dass Maria eine Beziehung hatte mit einem Mitglied
der Gang Mara Salvatrucha (MS-13), erzählte ihr Cousin der Website
Vice. Das Treffen aber sollte auf dem Territorium der rivalisierenden
M-18 stattfinden. Die beiden Gangs, die ihre Wurzeln in Los Angeles
haben (MS-13 wurde in den 1980er Jahren von Salvadorianern gegründet,
die vor dem Bürgerkrieg geflohen waren), liefern sich einen
erbarmungslosen Krieg ohne Rücksicht auf Verluste.

Ein Mitglied der MS-13 präsentiert im Gefängnis von Honduras seine Tätowierungen.Bild: AP
Die Regierungen im «nördlichen Dreieck» versuchten lange, das Problem mit einer
Politik der «Mano dura», der harten Hand, zu «lösen».
Sie bewirkte das Gegenteil und verschlimmerte alles. 2012 gelang es
Mauricio Fuentes, dem ersten linken Präsidenten von El Salvador,
einen Waffenstillstand zwischen den Gangs zu vereinbaren. Die
Zahl der Morde ging danach deutlich zurück. Der Frieden hielt zwei
Jahre, danach ging das Gemetzel wieder los.
Verschiedene Ursachen
Beobachter sind sich
einig, dass die Gewalt verschiedene Ursachen hat: Eine extreme
soziale Ungleichheit, fehlende Aufstiegschancen, eine miserable
Steuermoral der Wohlhabenden und damit verbunden schwache
Institutionen. Eine Folge davon ist eine grassierende Korruption.
Häufig verdingen sich korrupte Polizisten als Söldner im Dienste
der Jugendbanden.
Die Bürgerkriege in El Salvador (1980 bis 1991) und Guatemala (1960 bis 1996) trugen das ihre zu einer Verrohung der Gesellschaft bei. In Honduras kam es nie zum Bürgerkrieg, allerdings bekämpften die rechtsradikalen, von den USA unterstützen Contra-Rebellen in den 1980er Jahren von dort aus die linke Sandinisten-Regierung in Nicaragua.

Die Zivilgesellschaft erwacht: In Guatemala führten Massenproteste zum Rücktritt des korrupten Präsidenten Otto Pérez Molina.Bild: EPA/EFE
Solange die Probleme nicht an der Wurzel bekämpft werden, wird die Region nicht
aus der Gewaltspirale herausfinden. Experten
hoffen auf ein verstärktes Engagement der Zivilgesellschaft. In
Guatemala führten Massenproteste 2015 zum Rücktritt und zur
Verhaftung des korrupten Präsidenten Otto Pérez Molina.
Unbegleitete Minderjährige
Bis die Bewohner der
drei Länder in Frieden leben können, wird es dauern. Weitere werden
zu fliehen versuchen. In den letzten Jahren tauchten immer öfter
unbegleitete Minderjährige in den USA auf. Ihre Eltern hatten sie
allein auf den Weg geschickt aufgrund eines Gerüchts, wonach solche
Flüchtlinge nicht zurückgeschafft würden. So gross ist die
Verzweiflung im «nördlichen Dreieck».
Alternativen zur kriminellen Karriere
Erfahre hier, wie es die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi schafft, in El Salvador jährlich Tausende Jugendliche für den Weg in eine Zukunft ohne Gewalt zu motivieren. Auch du persönlich kannst etwas dazu beitragen:
pablos-zukunft.chDonald Trumps Mauer
Video: watson
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