Man sagt, Kinder können grausam sein. Das mag sein. Sie können vor allem aber auch, ich kann’s nicht anders sagen, dumm sein.
Sie stellen dauernd nervige Fragen, schreien an öffentlichen Plätzen laut rum, und weinen manchmal einfach so, ohne ersichtlichen Grund. Eigentlich, wie Jugendliche im Ausgang. Ich schliesse mich dabei nicht aus. Denn ich war ein durchaus dummes Kind. Zumindest manchmal.
Ich sitze mit meinen vier Mitbewohnern in der Küche. Sam, ein Amerikaner, isst sein Mittagessen. Chris, ein britischer Australier, spielt mit einem übergrossen Tennisball. Josh, ein britischer Brite, drückt auf seinem Smartphone rum und Aiman, ein malaysischer Emirati, versucht die drei Anleitungsschritte seines Fertig-Reises nicht durcheinander zu bringen. Der liebe Junge wohnt zum ersten Mal nicht bei den Eltern. Und das merkt man.
Jemand wirft die Frage in die Runde:
Wie wir drauf kamen? Keine Ahnung. Vermutlich via einen der tausend Witze, die wir täglich aufgrund unseres Altersunterschieds machen. Von einigen könnte ich glatt der Vater sein.
Okay, zugegeben ein enorm junger Vater, Primarschulalter, aber das hat es ja mittlerweile alles schon gegeben. Ich mache also meinem malaysischen Sprössling klar, dass er für den Schritt «Ziehen Sie den Einschnitt zu einer zwei Zentimeter langen Öffnung» keinen Lineal braucht (ich wünschte, dies wäre erfunden).
Während ich mit einem Auge drauf achte, dass sich Aiman beim Reiskochen nicht verbrennt, erzähle ich meine gefährlichste respektive dümmste Kindertat. Oder zumindest die, die ich noch am besten weiss:
Das war keine sorgfältig durchdachte Forschungsfrage, die mich aus kindlicher Neugier heraus plagte. Vielmehr handelte es sich um eine sehr spontan entstandene Problematik. Ich stand mit einer Schere in der Hand im Zimmer meiner Schwester. Vor mir ein laufendes Radio. Ich fragte mich, was wohl passiert, wenn ich das Kabel durchtrennen würde? Hört die Musik dann auf zu spielen? Wird sie leiser? Wechselt der Song? Oder passiert gar nichts?
Nur fürs Protokoll, die Lösung: Das Radio hörte auf zu spielen.
Es gab einen grossen Knall, funken sprühten und die Schere wurde beinahe entzweit. Zurück blieb ein grosses Brandloch in der Klinge, ein baumelndes Kabel und ein zugegebenermassen leicht schockiertes Kind.
Doch egal wie dumm sie sind, sie haben einen sechsten Sinn dafür, wenn Ärger in der Luft liegt. Mir wurde sofort bewusst, dass gleich ein grosses Gewitter aufzieht. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, ein fast schon idyllisch-ruhiger Augenblick, in dem man die letzten Atemzüge voller Freiheit geniesst, bevor die trampelnden Schritte erzürnter Elternteile schneller und lauter werden.
Rückblickend hätte ich es so erklären sollen:
Oder so:
Ich sah mich als Edison der Moderne, als Visionär, als Elon Musk der Kinderstube. Doch leider war ich damals bloss fünf Jahre alt und brachte nach dem «Zämeschiss» keinen geraden Ton mehr raus. Mir gingen die Argumente aus und ich musste ohne fairen Prozess auf schuldig plädieren.
Mit einem einzigen Schnitt zog ich den Zorn meiner ganzen Familie auf mich:
Ich blieb an dem Tag ziemlich unbeliebt. Die MythBusters hingegen wären stolz gewesen. Aber noch nicht mal die gab es zu der Zeit. Ich tröstete mich damals damit, ein verkanntes Genie zu sein. Doch heute muss ich eingestehen: Ich war einfach ziemlich bescheuert.
Aber ich war nicht das einzige bescheuerte Kind.
Meine Mitbewohner erinnern sich an ihre Geschichten ...