Schon klar, über «Game of Thrones» schimpft man nicht. Immerhin ist es der heilige Gral der Fernsehserien. Der Heilsbringer, der uns von der erzählerischen Mittelmässigkeit bei Serien befreit hat. Da ist es doch geradezu ironisch, dass nun gerade «Game of Thrones» selbst zu dieser Mittelmässigkeit zurückkehrt.
Gut gezeigt hat das die letzte Folge, die nur so von Logiklöchern und an den Haaren herbeigezogenen Erklärungen wimmelt. Okay, vielleicht nicht gerade wimmelt, aber für «Game of Thrones»-Verhältnisse war das für mich die wohl schwächste Folge überhaupt. (Und wer es bis jetzt noch nicht gemerkt hat: Dieser Artikel enthält Spoiler.)
Folgende drei Aspekte haben mich besonders gestört:
Jon will also einen Wiedergänger fangen, um ihn Cersei als Beweis vorführen zu können. Dafür muss er wieder einmal hinter die Mauer. Nach Tagen der Wanderschaft treffen sie schliesslich auf die Weissen Wanderer und merken wohl langsam, was für eine dumme Idee das war. Also schicken sie Gendry los, um Hilfe zu holen. Und dieser spurtet mal eben in einem halben Tag oder so zur Mauer zurück. Ohne Pause.
Dort wird dann ein Rabe zu Daenerys geschickt. Dieser braucht ebenfalls nur wenige Stunden, um den halben Kontinent zu durchqueren. Wiederum nur wenige Stunden später, taucht die blonde Drachenlady dann hinter der Mauer auf und brutzelt Eiszombies. Da braucht ja jeder Zug von Zürich nach Luzern länger.
Jon Schnee bricht ins Eis ein, keine Chance auf Rettung. Was für ein Badass-Move! Das Hirn des Zuschauers rattert. Kann er das überleben? Niemals! Und doch tut er es.
Nicht nur befreit er sich aus eigener Kraft aus einem See, in welchem man eigentlich innert Minuten erfrieren sollte (Leonardo DiCaprio weiss das), er reitet auch noch kilometerweit durch die eiskalte Landschaft. Mit tropfnasser Kleidung. Und überlebt.
Und nein, seine dicken Mäntel haben ihn sicher nicht vor dem Erfrieren geschützt. Eher hätten sie sich mit Wasser vollsaugen und ihn in die Tiefe des Sees ziehen sollen.
Ah, und dann war da noch Onkel Benjen, der zufällig im richtigen Moment auftaucht, ihn rettet, nur um dann an Jons Stelle zu sterben. Praktisch, wenn man eine Menge Nebencharaktere auf Standby hat, die im richtigen Augenblick zur Rettung eilen können ...
Jetzt mal ernsthaft? Woher hatten die Weissen Wanderer diese riesigen Ketten? Wären sie aus Eis gewesen, hätte ich es ihnen vielleicht noch abgenommen. Aber auch dann: Wie haben sie die am Drachen festgemacht? Ist da ein Wiedergänger runtergetaucht? Die können doch gar nicht schwimmen ...
Und bitte kommt mir jetzt nicht mit: «Ah, eine Serie mit Drachen und dich stören riesige Ketten, die scheinbar aus dem Nichts auftauchen.»
Ja, die stören mich, denn jede Fantasy-Welt hat eine in sich geschlossene Logik und diese wurde vor allem von dieser letzten Folge ordentlich mit Fusstritten traktiert.
Natürlich kann man jetzt sagen, dass die Sache mit den Ketten ja nicht so schlimm ist und nur einen Bruchteil der Geschichte ausmacht. Aber zusammen mit den anderen Schwachstellen (und ich habe jetzt noch nicht einmal alle genannt), zeigt sich vor allem eines: «Game of Thrones» verschiebt sich immer mehr hin zu einer Serie, in der Spektakel wichtiger werden als Storytelling.
Bereits in Staffel sechs hat sich dies angedeutet. Gross wurde da die Folge «Schlacht der Bastarde» im Vorfeld beworben. Noch nie habe man solch einen Aufwand betrieben, um eine Schlacht darzustellen – zumindest bei «Game of Thrones». Als Ergebnis hatten wir eine Folge, die ihre erzählerischen Schwächen mit Kampfspektakel zu kaschieren versuchte.
Auch bei den Charaktertoden hält man sich plötzlich zurück. Gestorben wird nur noch, wenn es denn unbedingt sein muss, oder wenn es ein unwichtiger Nebencharakter ist, dessen Namen wir uns sowieso nie merken konnten.
Dafür schleppt sich dann eine Arya – mit eigentlich tödlichen Verletzungen – durch die halbe Stadt, springt über Mauern und Treppen, verliert literweise Blut und überlebt trotzdem. Auch wenn man der Serie eine gewisse Toleranz einräumt – das ist schlicht unglaubwürdig.
Und wieso lebt eigentlich der Bluthund noch? Sein Tod wäre doch so richtig schön gewesen. Dramatisch, gerecht und fies. Stattdessen zieht er jetzt durchs Land, gibt mürrische Kommentare ab und trägt nichts Wesentliches zur Handlung bei. Diesen Stein in der letzten Folge hätte auch ein anderer werfen können.
Immerhin, um den Blutzoll trotzdem hochzuhalten, haben die Macher in Staffel sechs wenigstens noch die grosse Septe gesprengt. Aber mal ehrlich: Die einzig wirklich wichtigen Personen, die dabei ums Leben kamen, waren Margaery Tyrell und der hohe Spatz.
In Staffel sieben trauen sich die Autoren nun überhaupt nicht mehr, irgendjemanden Relevantes umzubringen. Dabei haben wir doch genau diese Unvorhersehbarkeit an der Serie geliebt.
«Game of Thrones» hat das gemacht, was sich zuvor keine andere Serie getraut hat: Sie brachte die Sympathieträger um. Und zwar Reihenweise. Keine lange, dramatische Zuspitzung, in welcher der Todeskampf zelebriert wird, sondern einfach «Zack und tot. Und jetzt komm klar damit».
Dafür haben uns die Autoren unendlich lange die fiesesten Bösewichte vor die Nase gehalten und sie einfach nicht sterben lassen. Allen voran natürlich König Joffrey. Ich kann mich noch genau erinnern, wie mein Bruder damals, als die neunte Folge der zweiten Staffel vorbei war, ausrastete und sich weigerte, weiter zu gucken. Und das nur, weil «dieser scheiss Joffrey» schon wieder gewonnen hatte. (Wie er zwei Staffeln später dann endlich starb, hat er aber doch noch miterlebt).
Bis und mit Staffel fünf war einfach jede Episode die reinste Folter, denn wenn es für jemanden brenzlig wurde, hat man gewusst: Der stirbt jetzt vielleicht wirklich. Nichts mehr mit gemütlichem Zurücklehnen, weil man weiss, dass die den Hauptcharakter ja sowieso nicht umbringen. Stattdessen hat man auf dem Sofa gesessen, unfähig zu Blinzeln, aus Angst, etwas zu verpassen und hat vor Anspannung beinahe das Kissen erwürgt.
Und nun? Nun sitzt man auf dem gleichen Sofa, guckt ein bisschen «Game of Thrones» und das Kissen liegt unangetastet neben einem.
Vermutlich aus zwei Gründen. Zum Ersten wäre da die fehlende Vorlage seit Staffel sechs. Klar, Kenner der Bücher werden jetzt sagen, dass sich die Serie schon lange von der Storyline der Romane wegbewegt hat. Dennoch haben die Romane den Drehbuchautoren eine gewisse Richtung und Konsequenz vorgegeben. Sie konnten munter drauflos morden und dabei immer die Bücher als Entschuldigung heranziehen.
Nun ist diese Entschuldigung weg, also tötet man auch keine Hauptdarsteller mehr. Dabei müsste man doch meinen, dass sie nach fünf Staffeln munteren Abschlachtens Blut geleckt haben.
Der zweite Grund ist schlicht, dass den Autoren keine Zeit mehr bleibt, um grosse Handlungswechsel einzubauen. Staffel sieben hat ganze drei Folgen weniger als noch die Staffeln zuvor. Und auch Staffel acht wird voraussichtlich nur sechs oder sieben Folgen umfassen.
Oder anders ausgedrückt: Die Autoren haben jetzt noch sieben bis acht Stunden Zeit, die Geschichte zu einem Ende zu bringen. Und das, obwohl die Weissen Wanderer noch immer hinter der Mauer rumhängen und das Königreich Westeros weit davon entfernt ist, ihnen geschlossen entgegenzutreten.
Vielleicht wird das Ende dann aber wieder richtig grossartig, denn wenigstens bei dem haben sich die Drehbuchautoren mit George R. R. Martin abgesprochen.
Findet ihr die Serie noch immer so grossartig wie zu Beginn? Was haltet ihr von der letzten Folge? Schreibt es mir in die Kommentare.