Liebe Tesla-Fahrer, I get it. Ihr mögt sie, eure Autos. Sie sind euch ans Herz gewachsen. Verständlich – denn sie sind nun mal gute Autos (ausser der Cybertruck, der eine komplette Bänne ist – aber das ist ein Thema für ein andermal). Nein, mir geht es hier nicht um Autotests oder Qualitätswertungen. Hier geht es darum, wofür Tesla steht.
Tesla steht für Elon Musk. Es gibt keine Automarke auf der Welt, deren Image so sehr an die öffentliche Person ihres Chefs gekoppelt ist. Wer ist der CEO von VW? Von Toyota? Von Volvo? Keine Ahnung – müsste es nachschlagen. Wer der Chef von Tesla ist, weiss jedes Kind. Und jedes Kind weiss auch, dass Musk mega reich ist. Weil Mami und Papi sich einen Tesla gekauft haben.
Wenn Tesla also für Elon Musk steht, wofür steht Elon Musk? Er, dieser demokratieverachtende Technolibertäre, der seine Tochter für tot erklärt, weil sie trans ist, er, der mit Trump paktiert und dessen Wahlkampf mit Abermillionen unterstützt, er, der aktiv Arbeiterrechte in seinen Fabriken zu untergraben versucht, er, der Andrew-Tate-Versteher, der als Twitter-Chef seiner 190-Millionen-Followerschaft wiederholt Fake News retweetet und so irgendwelchen identitären Schwurblern eine Mega-Plattform sondergleichen bietet? Und wie war das, jüngst, mit der Frage, weshalb «niemand versucht, Biden und Harris zu erschiessen»? Nun, ganz offensichtlich steht Musk für eine ganze Reihe zutiefst verachtenswerter Haltungen. Mehr noch: Musk ist eine veritable Gefahr für Demokratie überall auf der Welt.
Musk hat Twitter (sorry, ich weigere mich, es «X» zu nennen) zu einem morastigen Sumpf aus rassistischen Influencern, Sex-Bots und von Russland finanzierten Pro-Trump-Fake-Accounts gemacht. Dies selbstredend unter dem Vorwand, ein «free speech absolutist» zu sein. Meinungsfreiheit über alles – auch wenn das bedeutet, dass rassistische Hetzer, die ohne ihn obskure Randerscheinungen wären, dadurch ein Megafon erhalten, um ihre Unwahrheiten in die Welt hinauszuschreien. Handkehrum hat Twitter unter Musk 83 Prozent aller Zensuranträge vonseiten autoritärer Regierungen genehmigt. Free speech my ass.
Nicht genug damit, dass er Verbreitern von Unwahrheiten eine Plattform bietet, nein, er, der reichste Mann der Welt, mit 190 Millionen Followern, teilt oder kommentiert fleissig Posts – etwa solche vom Pro-Putin-Influencer-Unternehmen Tenet Media – und steigert damit deren Reichweite. Man darf sich berechtigterweise fragen, ob die rassistischen Demos in England diesen Sommer derart aufgeflammt wären, hätte nicht Musk die mit Falschmeldungen versetzten Tweets des Rechtsaussen-Hetzers Tommy Robinson geteilt.
Und wie war das nochmals mit Trump? Trump, der offen damit prahlt, dass nach seiner Wiederwahl weitere Wahlen unnötig sein würden und so mehr oder minder unverhohlen zugibt, die Verfassung unterwandern zu wollen? Genau: Musk macht mit ihm einen auf good buddy und schlägt vor, dass er – ein ungewählter Hyperkapitalist – die Finanzverwaltung einer Trump-Regierung übernehmen würde. Womit für uns alle die Prämisse etlicher dystopischer Sci-Fi-Filme Realität werden würde: Ein übermächtiger Tech-Konzern, gesteuert von einem megalomanischen, menschenverachtenden Schurken, thront über den armen Plebs, der ein bemitleidenswertes Dasein ohne jeglichen Rechte führt.
Und so einen unterstützen wir, indem wir seine Autos kaufen?
Der Einfluss von Musk ist umso problematischer, weil ein Grossteil seiner – zum Teil fast religiös hörigen – Follower auf eine Zeit zurückgeht, als seine absolutistischen Absichten noch nicht evident waren. Damals vermochten sich Tech-Fans mit Öko-Gewissen zu begeistern ob einem innovativen Unternehmer, der unnachgiebig auf Alternativen zu fossilen Brennstoffen setzte. Während die etablierten Autokonzerne träge auf umweltschädigende Antriebssysteme beharrten oder – schlimmer noch, im Falle von VW und Co. – gar Emissionswerte fälschten, mischte da ein zukunftsgläubiger «disruptor» die Industrie auf, indem er den endgültigen Beweis lieferte, dass E-Autos funktionierten. Mehr noch: Seine E-Autos waren sexy. Grünliberale Mac-User in aller Welt wurden zu Konvertiten.
Und weil er uns allen ein Produkt verkauft hat, das nun mal verdammt verführerisch und geil ist, sind nun Millionen Tesla-Stans zögerlich, ihre Sympathie für Musk aufzugeben.
Nochmals: Im Falle von Elon Musk und Tesla kann man das Produkt nicht von der Person des Firmenchefs trennen. Musk selbst will es auch nicht anders. Er ist Tesla. Und als Tesla-Fahrer unterstützt man Musk.
In den USA, wo das Auto eine viel stärkere kulturelle Bedeutung hat, wo ein Auto seit jeher nicht bloss ein Gefährt ist, sondern eine Aussage des Fahrers darstellt, ist die Image-Wandlung von Tesla eindeutig: Noch vor wenigen Jahren verband man mit Tesla-Fahrern eine linksliberale politische Haltung, ein ökologisches Gewissen und einen höheren Bildungsstand. Coastal Elites. Gays. Die Art von Leuten, die von Rednecks in ihren Pickups den Stinkefinger gezeigt bekämen. Heute? Heute kann man als Tesla-Besitzer gleich einen MAGA-Hut anziehen, derart krass hat sich das Image der Marke gewandelt.
Ja, es ist hart: Etliche von euch Tesla-Besitzern erstanden eure Autos zu einer Zeit, als sich Musk bislang nicht als rabiater Technofaschist geoutet hatte (zur Erinnerung: 2020 unterstützte er Biden). Schuld seid ihr nicht, dass an Tesla heute ein negatives Image haftet. Aber dieses Image-Problem ist nun mal Realität. Ja, auch hier in Europa.
Derweil führt in Europa Tesla weiterhin die Liste der meistverkauften Autos an. Echt jetzt?
Nein, nicht jeder Tesla-Käufer ist ein Trump-Supporter.
Aber jeder Tesla-Käufer ist ein Musk-Supporter, alleine schon finanziell.
Ist das euch egal? Für mich ist die Antwort klar: niemals. Solange Elon in Control ist, gibt's keinen Tesla.