Die FDP demonstriert Volksnähe und schickt ihre drei Kandidierenden für den Bundesrat auf eine Roadshow. Letztes Jahr führte sie dieses Format erstmals durch, doch richtig zündend waren die drei Auftritte nicht. Nun scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Karin Keller-Sutter, Hans Wicki und Christian Amsler liessen sich auch beim zweiten Auftritt am Montag in Winterthur nicht auf die Äste hinaus.
Der Andrang hielt sich wie in der Vorwoche in Muttenz BL in Grenzen. Vermutlich lag dies auch daran, dass keine richtige Spannung aufkommen mag: Ständeratspräsidentin Karin Keller-Sutter war von Anfang an die klare Favoritin, und daran hat sich bislang nichts geändert. Das interne Prüfungsverfahren hat die St.Gallerin wie ihre beiden Mitbewerber problemlos überstanden.
Folglich hätten Amsler und Wicki allen Grund für einen angriffigen Auftritt in Winterthur gehabt. Wer darauf gehofft hatte, wurde jedoch enttäuscht, obwohl NZZ-Redaktor Daniel Fritzsche als Moderator durchaus bemüht war, die beiden Männer aus der Reserve zu locken. Doch keiner wollte den «Ladykiller» spielen, der die erste FDP-Bundesrätin seit 30 Jahren verhindert.
Der Schaffhauser Erziehungsdirektor Christian Amsler ist im Trio der Aussenseiter. Ihm fehlt im Gegensatz zu Keller-Sutter und Wicki die Vernetzung in Bern. Diesen Nachteil kompensierte der 54-Jährige in Winterthur mit einem engagierten Auftritt in eigener Sache. So hob er den «intensivsten» Austausch mit dem Nachbarn Deutschland hervor, mit dem Schaffhausen eine wesentlich längere Grenze (es sind 150 Kilometer) teilt als mit dem Rest der Schweiz.
Karin Keller-Sutter hingegen bestätigte ihren Ruf als «Kontrollfreak», der keine Fehler machen will. Erst gegen Ende wagte sie sich aus der Reserve, als ein Zuschauer mit Verweis auf die Selbstbestimmungs-Initiative die Nichtumsetzung von Volksinitiativen beklagte. «Verträge, die durch ein Referendum gingen, werden durch die Initiative nicht erfasst», konterte Keller-Sutter mit Verweis auf das Freizügigkeitsabkommen und die Masseneinwanderungs-Initiative.
Hans Wicki bekräftigte ebenfalls sein Nein zur SVP-Initiative. Ansonsten blieb der Nidwaldner Ständerat blass. Mehrfach hob er jenen Punkt hervor, in dem er sich von den beiden Mitbewerbern unterscheidet. Als ehemaliger Geschäftsführer eines weltweit tätigen Elektrotechnik-Unternehmens besitzt Wicki Führungserfahrung in der Privatwirtschaft.
Nur bei einem Thema traten in der ziemlich flauen Debatte klare Differenzen zu Tage: Bei der Frage, ob die Schweiz dem UNO-Migrationspakt zustimmen soll, der die Gemüter derzeit ziemlich erregt. Amsler outete sich als Befürworter («ich will nicht in einer Reihe stehen mit Orban und Trump»), während Wicki eine Unterzeichnung des «Schönwetter- und Schöngeistkonzepts» ablehnt.
Keller-Sutter vermied auch bei diesem Reizthema einen klaren Positionsbezug. Die Debatte im Ständerat findet am 29. November statt, kurz vor der Bundesratswahl. Sie habe «gewisse Fragen» zum Pakt, meinte die St.Gallerin. Es ist aber anzunehmen, dass Keller-Sutter ihrem Partei- und vermutlich künftigen Bundesratskollegen Ignazio Cassis kaum in den Rücken fallen wird.
watson hat im Anschluss allen drei Kandidaten die gleiche Frage gestellt:
Christian Amsler hat seine Aussenseiter-Chance in Winterthur gut genutzt. Trotzdem bleibt es fraglich, ob die Bundeshausfraktion den Schaffhauser am Freitag auf das FDP-Ticket für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann setzen wird – ausser sie entscheidet so mutlos wie vor einem Jahr und schlägt alle drei Kandidierenden zur Wahl am 5. Dezember vor. Karin Keller-Sutter ist ohnehin gesetzt, und Hans Wicki kann mit seiner Berner Vernetzung und seiner Wirtschaftserfahrung punkten.
Zuvor findet am Mittwoch der dritte und letzte Roadshow-Auftritt in Yverdon statt. Dann wird Wicki mit seinem holprigen Französisch gefordert sein («wenn man eine Sprache 20 Jahre nicht braucht, verliert man das eine oder andere Wörtchen»). Die gelernte Dolmetscherin Keller-Sutter kann dagegen eine Art Heimspiel absolvieren, und auch Amsler beherrscht die zweite Landessprache passabel.