Er war in mancher Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung in der Schweizer Politik. Oskar Freysinger polarisierte. Man fand den «Pissoir-Poeten» grossartig oder widerlich, etwas dazwischen gab es kaum. In seiner Walliser Heimat trieb er es auf die Spitze. 2013 schaffte Freysinger als erster SVP-Politiker die Wahl in die Kantonsregierung, mit dem besten Ergebnis aller Kandidierenden.
Nur vier Jahre später hatte das Volk genug von seinen Eskapaden und wählte ihn ab. Danach schien der heute 58-Jährige genug der Politik zu haben. Er schrieb Bücher und liess mitteilen, er wolle sich in Korsika niederlassen. Nun meldet sich Oskar Freysinger zurück, in alter Frische. Die Partei hat ihn zum Wahlkampfleiter für die Westschweiz ernannt.
Offenbar kann die SVP nicht auf ihn verzichten. «Keiner kann das besser als er», sagte Parteipräsident Albert Rösti der NZZ. Gleichzeitig offenbart seine Berufung die Misere der SVP in der Romandie. Dabei glaubte die Partei nach der Wahl des Waadtländer Nationalrats Guy Parmelin in den Bundesrat, sie werde durchstarten. Vom «Parmelin-Effekt» war die Rede.
Er erwies sich eher als Rohrkrepierer. Die SVP hat in den letzten vier Jahren jenseits des Saanegrabens fast nur durch Abstürze und Querelen von sich reden gemacht. In der Neuenburger Kantonalpartei etwa herrschte das nackte Chaos. Die Quittung folgte 2017, als die SVP-Fraktion 11 ihrer 20 Sitze im Kantonsparlament verlor, also mehr als die Hälfte.
Bis heute leidet die Neuenburger SVP unter den Nachwehen. Für die Nationalratswahl musste die Anmeldefrist verlängert werden, weil sich nicht genug Kandidaten gemeldet hatten. Einer von ihnen ist Yvan Perrin, einst ein Aushängeschild in der Westschweiz, bis seine politische Karriere wegen mehrerer Burnouts und Alkoholkonsum auf Grund lief. Nun wagt er ein Comeback.
In anderen Kantonen sieht es kaum besser aus. In der Waadt fiel Claude-Alain Voiblet in Ungnade, der einstige Westschweiz-Koordinator der SVP. Er war im Nationalratswahlkampf 2015 erwischt worden, wie er Plakate von Parteikollegen mit eigenen überklebt hatte. Im letzten August traten innerhalb weniger Tage die Kantonalpräsidenten in Neuenburg, Freiburg und Wallis zurück.
Praktisch gleichzeitig gab auch der 33-jährige Kevin Grangier sein Amt als Kampagnenleiter für die Romandie auf und wechselte in die Privatwirtschaft. Er sollte den Westschweizern die SVP-Politik «verkaufen» und neue Wählerschichten erschliessen. Nun muss es Oskar Freysinger richten. Ins Zentrum seiner Kampagne für die Wahlen im Oktober will er die Souveränität der Schweiz stellen.
Die NZZ bezeichnet sein Comeback als «riskant». Sie bezweifelt, dass es dem «polarisierenden Alphatier» gelingen wird, den Wähleranteil in der Westschweiz zu steigern. Dieser ist immer noch deutlich tiefer als im deutschsprachigen Landesteil. Dort hatte bei den Wahlen 2015 fast jeder Dritte die SVP-Liste ins Couvert gesteckt. In der Romandie war es nur jeder Fünfte.
In der Parteizentrale dürfte man froh sein, wenn man im Herbst den Besitzstand einigermassen halten kann. Selber zur Nationalratswahl antreten will Freysinger nicht, obwohl die Partei ihn gerne aufgestellt hätte. Er bleibt damit konsequent. «Ich werde nie mehr für irgendein Amt kandidieren», sagte er im letzten Oktober dem «Blick». Für seine neue Aufgabe will er im Hintergrund tätig sein.
Das ist vielleicht besser. Zum Verhängnis wurde ihm bei seiner Abwahl als Walliser Regierungsrat nicht zuletzt die Tatsache, dass er sich oft und gerne unter rechtsradikale und nationalistische Gruppierungen im Ausland mischte. So hielt er in Berlin eine Rede an einer Konferenz des Magazins «Compact», einer Plattform für Verschwörungstheoretiker und Putin-Verehrer.
Der SVP bereiteten diese Aktivitäten einiges Bauchweh. Getreu ihrem Neutralitätsdogma ist sie auf Distanz zu ausländischen Rechtspopulisten und Nationalisten bedacht, obwohl sie von ihnen teilweise angehimmelt wird. Oskar Freysinger aber will auch in Zukunft auftreten und reden, wo er will. «Das darf man sich nicht vorschreiben lassen», sagte er gegenüber «10vor10».