Weil der arbeitslose Thurgauer D.M.* sich bei einer Bewerbung vertippte – er schickte die Unterlagen an @buewin statt @bluewin – strich ihm das kantonale Amt für Arbeit und Wirtschaft die Taggelder für eineinhalb Monate. M. kämpfte bis vor Bundesgericht um seine Arbeitslosenentschädigung und bekam zumindest teilweise recht: Statt 31 wurde er «nur» 18 Tage gebüsst. Das kantonale Versicherungsgericht hatte sein Vergehen von schwer auf mittelschwer heruntergestuft, das Bundesgericht bestätigte diesen Entscheid.
M. ärgert sich trotzdem über die Behörde. «Ich wurde schikaniert», sagt er – und erzählt seine Geschichte. Ende 2014 wurde dem bald 30-Jährigen aus gesundheitlichen Gründen gekündigt. Man hatte dem Automobildiagnostiker eine visuelle Wahrnehmungsstörung attestiert und ihm den Führerschein auf unbestimmte Zeit entzogen – in seinem Beruf ein grosses Handicap. «Ich kümmerte mich danach selber um einen neuen Job und um meinen Führerschein», sagt M. heute. «Ich wollte nicht auch noch IV beziehen müssen.»
Mindestens fünf Bewerbungen habe er auf Anweisung des RAV pro Monat geschrieben, «eher aber mehr, meistens selbstständig».
Am 27. Mai 2015 wies die zuständige RAV-Stelle M. an, sich als Werkstattleiter zu bewerben. Gesucht wurde ein Automechaniker – mit Führerschein. «Erstens wäre ich als Diagnostiker überqualifiziert gewesen, zweitens verfügte ich ja nicht über einen Führerschein», sagt M. Obwohl er seine Chancen als äusserst gering einschätzte, bewarb sich M. Wohl nicht mit der grösstmöglichen Sorgfalt, denn bei der Mailadresse unterlief ihm der folgenschwere Tippfehler.
Später lautete der Vorwurf des Amts für Wirtschaft und Arbeit, das sich um die Auszahlung der Taggelder kümmert, M. hätte – wenn er schon den unsicheren Weg des Mail-Verkehrs wählte – die Adresse nachprüfen und bei der Arbeitsstelle nachfragen sollen, als er keine Antwort bekam. «Von unzähligen Arbeitgebern habe ich nichts gehört – warum sollte ich genau bei diesem Job misstrauisch werden? Zumal ich wusste, dass ich die Anforderung an den Besitz eines Führerscheins nicht erfülle», enerviert sich M.
Nach fünf Tagen erst sei die Fehlermeldung des Servers gekommen. M. schickte die Bewerbung noch einmal. Doch das Amt für Arbeit und Wirtschaft zeigte keine Gnade und strich dem Arbeitslosen 31 Taggelder – knapp 7000 Franken.
Immerhin: Weil M. den Rechtsschutz einschaltete und bis vor Bundesgericht ging, wurde ihm ein Teil der Busse erlassen. Das Bundesgericht begründete den Entscheid (Reduktion der Busse ja, Erlass nein) damit, dass der Tatbestand auch dann erfüllt sei, wenn der Versicherte die Arbeit zwar nicht ausdrücklich ablehne, es aber durch sein Verhalten in Kauf nehme, dass die Stelle anderweitig besetzt werde. M. hätte die Mailadresse besonders sorgfältig kontrollieren müssen, was er aber nicht getan habe.
Darauf beruht auch die Kritik des zuständigen Amts für Arbeit und Wirtschaft. «Auch eine Mailbewerbung muss sauber abgefasst sein. Das erwarten wir einfach – genau so, wie dass jemand nicht betrunken an ein Vorstellungsgespräch geht», sagt die Amtsleiterin ad interim Judith Müller. Beim Jobprofil habe es sich um eine gemeldete Stelle gehandelt, eine also, bei der das RAV eine Vorselektion vornimmt und diejenigen Versicherten auswählt, die Chancen auf den Job haben. «Ein qualifizierteres Vorgehen als die selbstständige Bewerbung», sagt Müller.
Auch der tadellose Leumund des Versicherten tue nichts zur Sache. «Das ist wie im Strassenverkehr: Auch wenn ich immer korrekt fahre – ein Fehlverhalten ist ein Fehlverhalten», fährt Müller fort. Und das sei in diesem Fall so gewesen.
Ganz so streng sahen es Versicherungs- und Bundesgericht dann aber doch nicht. Ein schweres Vergehen sei das Ganze nicht, hiess es im Urteil weiter, weil der Versicherte möglicherweise nicht alle Voraussetzungen des Stellenprofils erfüllte und bisher ein tadelloses Verhalten gezeigt habe. «Weder der Tippfehler bei der Adresseingabe der elektronischen Bewerbung noch der Zeitpunkt der Zustellung der zweiten Sendung vermöchten eine Haltung zu belegen, welche auf eine fehlende Absicht der Annahme der Stelle schliessen lasse.»
Für M. ein kleines Trostpflaster – auch 18 Tage bedeuten für den 29-Jährigen viel Geld. Immerhin muss er sich nicht mehr mit der Behörde rumschlagen: Im März dieses Jahres wurde M. als Kundendienstleiter in einer Auto-Garage angestellt.