Viola Amherd ist die Grösste. In Umfragen kommt die Verteidigungsministerin bei Beliebtheit und Kompetenz auf Spitzenwerte. Bei ihrer Wiederwahl als Bundesrätin am letzten Mittwoch erzielte die Oberwalliserin mit 201 Stimmen ein sehr gutes Ergebnis. Bestenfalls durchschnittlich waren hingegen die 158 Stimmen als Bundespräsidentin für 2024.
Das Resultat war besser als die 140 Stimmen, die Alain Berset vor einem Jahr erhalten hatte. Aber es war sicherlich nicht «glanzvoll», wie es in einer offenbar vorab verfassten Medienmitteilung ihrer Mitte-Partei hiess. Auch wenn der Saal nach dem Wahlmarathon nicht mehr voll besetzt war, muss man von einem Denkzettel für Amherd ausgehen.
Einen solchen erhielt auch SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider verpasst. Sie wurde im ersten Wahlgang wiedergewählt, doch ihre 151 Stimmen waren das schlechteste Ergebnis der sechs Bisherigen. Tags darauf sorgte die Jurassierin mit dem überraschenden Wechsel vom Justiz- ins Innendepartement zusätzlich für Stirnrunzeln.
Die Wahlresultate von Amherd und Baume-Schneider lassen auf ein gewisses Unbehagen im Parlament über die Performance der beiden Bundesrätinnen schliessen. Tatsächlich haben sie sich angreifbar gemacht. Im Verteidigungsdepartement gibt es einige Baustellen, und bei Baume-Schneider stellt sich die Frage, ob sie der neuen Aufgabe gewachsen ist.
Nach ihrer Wahl vor fünf Jahren musste Mitte-Politikerin Viola Amherd gegen ihren Willen das VBS übernehmen. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aber wurde das «Mauerblümchen» unter den Departementen erheblich aufgewertet. Das Parlament hat eine Verdoppelung des Armeebudgets beschlossen. Gestritten wird noch über den Zeitrahmen.
Die Verteidigungsministerin ihrerseits, unter starkem Druck aus dem Ausland wegen der verweigerten Weitergabe von in der Schweiz gekauften Rüstungsgütern an die Ukraine, treibt die Annäherung an die NATO voran, zum Ärger rechtsbürgerlicher «Neutralitäts-Hüter». Dazu gehört die Beteiligung am Luftverteidigungssystem Sky Shield.
Gleichzeitig baut Amherd ihr Departement um und aus. Das sorgt ebenfalls für Kritik. Der «Sonntagsblick» hat eine Art «Sündenregister» erstellt. Einige Vorwürfe sind diffus, weil anonym formuliert. Anderes wie absehbare Komplikationen bei der Beschaffung der F-35-Kampfjets kann man Amherd nur bedingt ankreiden. Und doch gibt es Probleme.
So hat Viola Amherd die Schaffung eines Staatssekretariats für Sicherheitspolitik (Sepos) «durchgeboxt». Die Begründung mit der zunehmend unberechenbaren geopolitischen Lage und neuen Herausforderungen etwa durch Künstliche Intelligenz ist nachvollziehbar. Doch bei der Besetzung des Chefpostens lief bis jetzt alles schief, was schieflaufen konnte.
Im September wurde Jean-Daniel Ruch, bisher Botschafter in der Türkei, als Staatssekretär vorgestellt. Dann erfolgte der Rückzieher, wegen Bedenken bezüglich des Privatlebens. Aus dem gleichen Grund fiel Thomas Greminger durch. Die gebürtige Finnin Pälvi Pulli, Chefin Sicherheitspolitik im VBS, passt SVP und Co. wegen angeblicher NATO-Affinität nicht.
Die Zeit drängt, denn das Sepos soll am 1. Januar an den Start gehen. Am nächsten Freitag, in der letzten Bundesratssitzung vor den Feiertagen, dürfte der Chefposten vermutlich vergeben werden. Für einen «Übungsabbruch», den SVP-Nationalrat und Sicherheitspolitiker Mauro Tuena im «Sonntagsblick» forderte, ist es aber zu spät.
Ebenfalls 2024 soll das neue Bundesamt für Cybersicherheit (Bacs) an den Start gehen. Viola Amherd konnte damit einen Coup landen und es faktisch dem Finanzdepartement «entreissen». Doch exakt der Transfer des bisherigen Zentrums für Cybersicherheit ins VBS sorgt für einen Aderlass. Gemäss Radio SRF haben 10 von 48 Angestellten gekündigt.
Darunter sollen sich auch absolute Topshots befinden, was angesichts des umkämpften Marktes für Cyberspezialisten schmerzhaft ist. Laut SRF wollten sie nicht unter dem gleichen «Dach» arbeiten wie der Nachrichtendienst des Bundes (NDB). Das VBS beschwichtige gegenüber dem «Sonntagsblick». Man habe bereits fünf Stellen neu besetzt.
Unruhe gibt es ebenfalls beim NDB, wegen einer Reorganisation. Und auch in der Abteilung für Sicherheitspolitik kam es gemäss der «NZZ am Sonntag» zu Abgängen. Diese Häufung mag Zufall sein. Und man könnte die Baustellen im VBS als Ausdruck von Amherds Gestaltungswillen interpretieren. Denn auch die Armee steht vor grossen Veränderungen.
Gleichzeitig wollen die Gerüchte über einen baldigen Abgang der Bundesrätin nicht verstummen. Letzte Woche liess Amherd zum zweiten Mal in Folge die Gelegenheit aus, in ein «gewichtiges» Departement zu wechseln, konkret ins EDI. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die 61-Jährige nach ihrem Präsidialjahr ins heimatliche Wallis zurückkehren wird.
Nur ein Jahr hat es Elisabeth Baume-Schneider im Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ausgehalten. Ein derart schneller Wechsel ist ungewöhnlich und verpönt. Von «Flucht» war deshalb verschiedentlich die Rede. Die SP-Bundesrätin begründete ihn mit ihrer Nähe zur Sozial-, Gesundheits- und Kulturpolitik aufgrund ihrer beruflichen Vergangenheit.
Das ist nachvollziehbar, denn im EJPD tat sich Baume-Schneider schwer. In der Asylpolitik stand sie unter Dauerbeschuss durch die SVP. Der Besuch im «Migrations-Hotspot» Chiasso wurde als «zu wenig und zu spät» bezeichnet. Kritiker wie der Politgeograf Michael Hermann bezweifeln jedoch, dass die Jurassierin den Herausforderungen im EDI gewachsen ist.
Am notorischen Reformstau in der Altersvorsorge und der Gesundheitspolitik hat sich Alain Berset die Zähne ausgebissen. Es gibt Fragezeichen, ob die konziliante Baume-Schneider dem knallharten Lobbying vor allem im Gesundheitswesen gewachsen ist. Ausserdem muss sie einen «Kaltstart» hinlegen und 2024 mindestens fünf Abstimmungsvorlagen vertreten.
Eine 100-Tage-Schonfrist gibt es nicht, denn schon am 3. März muss sie von Amtes wegen die Volksinitiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente bekämpfen. Im Juni dürfte die Prämienentlastungs-Initative der SP folgen, und spätestens im September muss sie die BVG-Reform gegen Widerstand von links verteidigen. Und das ist vielleicht nicht alles.
Die seit 14 Jahren hängige Vorlage für eine einheitliche Finanzierung aller Leistungen im Gesundheitswesen (Efas) scheint am Ziel zu sein. Ein Absturz in der Schlussabstimmung am Freitag ist möglich, aber wenig wahrscheinlich. Doch auch in diesem Fall gibt es Referendumsdrohungen von links. Eine Abstimmung würde wohl im November stattfinden.
Vier Vorlagen in einem Jahr gegen die eigene Klientel zu vertreten, wäre vermutlich ein Novum. Und harte Kost für Baume-Schneider, die an Heiligabend 60 Jahre alt wird. «Das Risiko, dass so ein Abstimmungskampf gegen die eigenen Leute nachhaltige politische Verstimmung hinterlässt, ist auf beiden Seiten gross», sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth der «NZZ am Sonntag». Es gibt schönere Weihnachts- und Geburtstagsgrüsse.
Amherd hat Dinge Angepackt die vorher über Jahrzente liegen geblieben sind. Pälvi Pulli passt den SVPlern nicht? Umso besser! Hudem ist der nicht Wechsel Nachvollziehbar. Wäre sie jetzt gegangen, so würden viele Reformen einfach zurückgedreht.
Auch der Wechsel von Baume Schneider ist logisch. Der Vorsitz des EDI wird halt nicht einmal die Woche neu Vergeben. Wenn Jans in einem Jahr zum Beispiel ins UVEK wechseln könnte, würde er es genau gleich machen.