Wenn das mal kein schlechtes Omen ist: Ausgerechnet am 1. April übernimmt der neue Mitte-Bundesrat Martin Pfister das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Die symbolische Schlüsselübergabe von Vorgängerin und Parteikollegin Viola Amherd fand am letzten Freitag statt, samt Austausch von Geschenken.
Sie gehe «leichten Herzens», sagte die Walliserin, was man ihr sofort abkaufte. Bei der ersten Gelegenheit nach Ablauf ihres Präsidialjahres hatte Amherd ihren Rücktritt erklärt. Allein dieser Vorgang zeigte, wie sehr ihr das Amt «verleidet» ist. Die Aufwertung des VBS vom «Abstellgleis» zum Schlüsseldepartement war für sie am Ende mehr Last als Lust.
Es sind keine einfachen Voraussetzungen für den neuen Verteidigungsminister. Der Zuger stieg als «Verlegenheitskandidat» ins Rennen und schaffte die Wahl, weil sein vermeintlich unschlagbarer Kontrahent Markus Ritter im Bundeshaus (zu) viele Feinde hat. Es war weniger eine Wahl für Pfister als eine gegen den machtbewussten «Bauernkönig».
Immerhin hat Martin Pfister stets seine Bereitschaft bekundet, die schwierige Aufgabe zu schultern. Als Oberst mit rund drei Jahren Militärdienst verfügt er über den «Stallgeruch» für das weitläufige und schwierige Departement, in dem sich zuletzt die Probleme aufgestaut haben. An Herausforderungen für Bundesrat Martin Pfister mangelt es jedenfalls nicht:
Im Verteidigungsdepartement warten zahlreiche Baustellen auf den neuen Chef. Dazu gehören Verzögerungen bei diversen Projekten, von der IT bis zur Beschaffung von Kriegsmaterial. Hinzu kommen Fragezeichen um den Kampfjet F-35, dessen Kauf gemäss einer watson-Umfrage heute von einer klaren Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt würde.
Ein weiteres Problem ist der «Skandalkonzern» RUAG, bei dem sich die Frage stellt, ob er wieder ins VBS integriert werden soll. Schnelle Lösungen gibt es in diesen Punkten nicht. In erster Priorität muss Bundesrat Pfister deshalb offene Personalien regeln. Mit den Chefs von Armee, Luftwaffe und Nachrichtendienst müssen zentrale Posten neu besetzt werden.
Oberste Priorität hat dabei der Nachrichtendienst des Bundes (NBD). Kaum jemand glaubt, dass der heutige Vorsteher Christian Dussey noch ein Jahr im Amt verbleiben wird, wie er angekündigt hat. Auch in der neuesten Personalbefragung erhielt er gemäss der NZZ eine miserable Bewertung. Ein solches Arbeitsklima kann sich ein Geheimdienst nicht leisten.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat die bürgerliche Mehrheit im Parlament wiederholt ihren Willen bekundet, die seit den 1990er-Jahren «kaputtgesparte» Armee wieder aufzurüsten. Über das Wie aber scheiden sich die Geister, und die ungeklärte Finanzierung ist nur ein Teil des Problems. So wurde Viola Amherd vorgeworfen, keine klare Strategie vorgelegt zu haben.
Ein stramm bürgerlicher Ständerat und Armeeoffizier erklärte im Gespräch, er müsse in diesem Punkt sogar der SP recht geben. Also einer Partei, die sich in ihrem Programm die Abschaffung der Armee zum Ziel gesetzt hat. Amherd hat eine langfristigere Planung aufgegleist, doch ihr Nachfolger und der neue Armeechef müssen sie konkretisieren.
Zu den parlamentarischen «Baustellen» gehört auch eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes, um den Reexport von Rüstungsgütern zu erleichtern. Es geht dabei auch um den Erhalt einer einheimischen Waffenproduktion. Zuständig dafür ist Kollege Guy Parmelin, doch Verteidigungsminister Pfister ist in dieser Frage ebenfalls gefordert.
Die vielleicht grösste Herausforderung für Martin Pfister ist der Gesamtbundesrat, bei dem man sich fragt, ob er die «Zeitenwende» durch die russische Aggression verstanden hat. Es trug dazu bei, dass sich Viola Amherd zunehmend frustriert und isoliert gefühlt hat. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, wie die Armee zu mehr Geld kommen soll.
An Vorschlägen mangelt es nicht, doch sie wurden allesamt «vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen», wie Amherd in einer denkwürdigen Einlage an ihrer letzten grossen Medienkonferenz lästerte. Noch einmal zeigte sie dem Gremium damit den Mittelfinger, ein Auftritt, den sie sich nur erlauben konnte, weil sie den Dienst ohnehin quittiert hatte.
Mit Einsparungen allein kommt man nicht ans Ziel, was selbst bürgerliche Politiker zunehmend anerkennen. Es braucht Mehreinnahmen, doch einfache Lösungen gibt es nicht. In diesem Punkt muss man Finanzministerin Karin Keller-Sutter, Amherds Widersacherin, recht geben. Die Geldfrage wird zu einer der grössten Knacknüsse für Bundesrat Pfister.
Eine weitere ist die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern wie der NATO. Pfister hat mehrfach betont, dass er Amherds Annäherungskurs weiterführen will. An der Wahlfeier im heimischen Baar erwähnte er explizit die Zusammenarbeit mit Europa. In einem auf die Neutralität fixierten Land wird der neue VBS-Chef viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Hat Martin Pfister das Zeug dazu? Als «Quereinsteiger» wird er Zeit brauchen, um sich in der Mechanik von Bundesbern zurechtzufinden. Bei seinen ersten Auftritten aber überraschte er positiv. So konnte man den 1,90 Meter grossen Bundesrat in Baar von seiner herzlichen Seite erleben. Nun muss er bloss den nötigen Willen zur Macht entwickeln.