Spricht man vom Streik, sind auch immer die Arbeitgeber betroffen. Die Schweizerische Depeschenagentur (sda) fühlte deshalb 1991 den Puls bei zahlreichen Arbeitgebern. Und musste feststellen, dass das Thema bei den befragten Patrons und Personalchefs mehrheitlich auf Belustigung, Herablassung und Spott stiess. So meinte Marcel Naegler, Pressesprecher der Migros: «Frauenstreik? Doch, doch, das ist ein lustiges Thema.»
Wühlt man im Archiv alter Zeitungsartikel weiter, stechen vor allem viele Leserbriefe zum Frauenstreik ins Auge. So zum Beispiel die Zeilen von Herrn Hans Friedli aus Frauenfeld.
Friedli, vermutlich treuer Leser der Schweizerischen Bodensee-Zeitung, lebt anno 1991 in einem Umfeld, das sich primär aus «liebenswürdigen und netten Frauen» zusammensetzt, wie er schreibt.
Aber jetzt gerät Herrn Friedlis Lebenswelt plötzlich ins Wanken. Grund dafür: der Frauenstreik. Herr Friedli ist irritiert. So irritiert, dass er zu Stift und Papier greift (oder war es womöglich doch die Schreibmaschine?) und einen Brief schreibt. Denn sein Idealbild der Frau ist «etwas getrübt durch unsachliche Propaganda.»
Stossend fand Herr Friedli eine Karikatur einer schweissgebadeten Frau, die an einem Tau fünf Männer fortzubewegen versuchte. Man stelle sich das mal vor: TAU, SCHWEISS, FRAU – und das in Kombination!
Doch Herr Friedli schlägt darauf versöhnliche Töne an. Frauen hätten doch mit ihrem Charme, Liebreiz und ihrer Anmut so viel mehr zu bieten, um Männer zu bewegen. Dafür braucht man doch gar kein Tau. Und Herr Friedli braucht auch keine Emanzen und Feministinnen, sondern eine Partnerin, «die ihm eine Stütze ist» und seine Kinder wohl erzieht, schliesst er seinen Leserbrief ab.
Als ziemlich kreativ erwiesen sich die «Bassersdorfer Frauen des 14. Junis». Sie druckten für den 14. Juni 1991 500 Zeitungs-Exemplare unter dem Titel «Zürcher Unterländerin». Darin ist zu lesen, dass der Frauenstreik keineswegs von ein paar «frustrierten Emanzen» ins Leben gerufen wurde.
Im Gegenteil: «Dabei wird nicht selten vergessen, dass Frau Müller von nebenan genauso unter den Streikenden sein kann wie Frau Meier vom oberen Stock. Denn diese Frauen haben etwas gemeinsam: Sie haben gemerkt, dass es so nicht mehr weitergehen kann!»
Der Name der Zeitung stiess auf wenig Begeisterung. Kurz darauf publizierte der Zürcher Unterländer in einer Randnotiz einen Hinweis. Man habe nichts von der «Unterländerin», einer «mehrseitigen Schrift in Zeitungsmanier», gewusst. Der Druck der Zeitschrift und die Verwendung des Sujets sei ohne Wissen und Erlaubnis des «Zürcher Unterländers» durchgeführt worden.
Die nächste Archivperle ist ebenfalls ein Lesebrief. Dieses Mal sind die Gebrüder (davon gehen wir jetzt mal aus) Schenker aus Hüttwilen am Zug. Sie beginnen gleich mit einem Lob. Die Frauen? Die würden sie doch mögen, egal ob diese denn klug, dumm, hübsch oder kugelrund seien.
Der Mann sei hingegen klar im Nachteil, er bleibe ja immer kinderlos, da er gar keine gebären könne. Und überhaupt, dieser Streiktag sei doch nur dafür da, einen zweiten Muttertag zu erzwingen – und das noch an einem Nicht-Sonntag. Man stelle sich das einmal vor! Und sowieso, enden die Schenkers, solle doch nicht gegen das Naturgesetz demonstriert werden. Frauen seien schliesslich Mütter und Männer hätten Muskeln.
Im Gegensatz zu den Gebrüdern Schenker sah es im Hotel Mövenpick in Opfikon anno 1991 fortschrittlicher aus. «Kein einziges weibliches Wesen» wird am 14. Juni im Hotel zu sehen sein, heisst es im Artikel. Allen Mitarbeiterinnen gewährte der General Manager einen Freitag – aus Solidarität mit den Frauen packten dafür die Männer an und verrichteten alle Arbeiten. Vom Zimmerservice über die Küche bis zur Reinigung mussten die Männer übernehmen.
Dem Frauenstreik ebenfalls Positives abgewinnen konnte damals noch die «Weltwoche». Der Schweizer Journalist und Publizist Oskar Reck schrieb für das damals noch sehr progressive Blatt ein Meinungsstück zum Frauenstreik.
Bereits in den ersten Zeilen schiesst Reck gegen Kritiker des Textes. Ihm sei bewusst, dass diese Zeilen von den heute Siebzigjährigen als «Nestbeschmutzung» empfunden werden. Doch das sei ihm herzlich egal, er müsse es schliesslich «niemandem recht machen».
Reck erzählt, wie er in einem Umfeld aufwuchs, das schon immer von eigenwilligen und starken Frauen geprägt war. «Mir wurde früh bewusst, wie absurd das patriarchalische Gehabe in unserer Gesellschaft war und ist», schreibt Reck.
Und führt weiter aus, dass die faktische Gleichberechtigung der Frauen noch immer nicht erzielt sei. Mit den kämpferischen Worten «La lutte continue» schliesst der Journalist sein Essay ab.
Weniger begeistert vom Frauenstreik war die Zeitungsleserin Sylvia Wasslowski. Für sie bringt Streik nur Zwietracht, Ärger und Aggressivität. Man versuche doch bereits als Frau «respektive als schwächeres Glied angenommen zu werden». Mit einem Streik werde das nicht besser, führt Wasslowski aus. «Warum versucht denn nicht jede, im Gespräch mit dem Partner oder mit dem Arbeitgeber ihre Belange zu klären?»