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Du willst nur das Beste? Voilà:
Sehr geehrter Herr Bundesrat Schneider-Ammann
Etwa im Jahr 1998, zwei Jahre vor der Matur hatte ich eine kleine Unterredung mit meiner Klassenlehrerin. Sie war der No-Bullshit-Typ und deshalb war es eine sehr kurze Unterredung. Sie lautete in etwa folgendermassen:
«Sie, Maurice, Herr Baumgartner kann Ihnen in Mathematik eine Eins geben, das wissen Sie. Jeder weiss, dass Sie nichts können da. Er wäre aber auch dazu zu bewegen, Ihnen eine Zwei zu geben, dann kommen Sie vielleicht bis zur Matur durch. Sie müssen mir aber jetzt versprechen, dass Sie nicht an die ETH gehen, keinen Numerus Clausus probieren und nicht Wirtschaft studieren.» – «Ok, keine ETH, keine Medizin, keine Wirtschaft, kein Problem. Versprech' ich.»
Obwohl die Unterredung kurz war, hatte sie entscheidenden Einfluss auf meinen weiteren Werdegang. Weil man in unserem Jahrgang die ungenügenden Noten noch nicht doppelt mit guten Noten kompensieren musste, konnte ich den Zweier in Mathematik mit guten Noten in anderen Fächern ausbügeln und erhielt ein Maturzeugnis.
15 Jahre später schloss ich an der Universität Zürich mit recht guten Noten ab und habe auch einen kleinen Beitrag zur Geschichte der Schweizer Armee und ihrer grössenwahnsinnigen Offiziere im Ersten Weltkrieg geleistet.
Wäre es nach Ihnen gegangen, Herr Schneider-Ammann, und nicht nach meiner Klassenlehrerin, dann wäre das nicht möglich gewesen. Und geht es jetzt nach Ihnen, dann ist es künftig auch nicht mehr möglich, mit einer ungenügenden Mathematik-Note an einer Universität Geschichte oder Literaturwissenschaften zu studieren. Und es wäre auch nicht mehr möglich, mit einer ungenügenden Deutsch-Note Elektrotechnik, Maschinenbau oder Molekularbiologie zu studieren.
Muss der Literaturwissenschaftler quadratische Gleichungen beherrschen? Oder der Molekularbiologe den deutschen Genitiv?
Natürlich nicht.
Zugegeben: Dem Problem, dass Studienanfänger in der Schweiz keine fehlerfreien Texte auf Deutsch verfassen können und nicht wissen, wie viele Nullen ein Mega hat, können Sie mit strengeren Kompensationsregeln vielleicht beikommen.
Trotzdem machen Sie damit einen Fehler.
Denn wenn Sie nur noch die in natur- wie geisteswissenschaftlichen Gebieten gleichermassen begabten Mittelschulabgänger an die Hochschulen lassen, dann lassen Sie das Potential aller derjenigen, die auf nur einem Gebiet talentiert und motiviert sind, brach liegen. Und die sind die klare Mehrheit.
Ich hätte deshalb zwei Bitten an Sie:
Es grüsst Sie hochachtungsvoll
Maurice Thiriet
Lic. Phil. I und Mathematik-Null