In Europa sinken die Asylzahlen, und plötzlich schafft es ein altes Thema zurück auf die politische Agenda: legale Fluchtwege nach Europa. Letzte Woche hiess das Europäische Parlament in Strassburg einen Vorschlag gut, wonach Verfolgte künftig in den Krisengebieten direkt um Schutz in der EU bitten können. Etwa auf einer Botschaft. Die EU-Kommission muss nun einen Gesetzesvorschlag zu diesen sogenannten Humanitären Visa machen. Solche Visa sollen es Menschen erlauben, sicher in ein europäisches Land zu reisen und dort um Asyl zu bitten.
Einen anderen regulären Fluchtweg nach Europa und in die Schweiz bieten sogenannte Resettlement-Programme der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR. Resettlement steht für Umsiedlung, und genau das ist es: Flüchtlinge werden in den Krisengebieten ausgewählt, auf ein Leben im neuen Land vorbereitet und schliesslich dort neu angesiedelt.
Das letzte der in den vergangenen Jahren aufgegleisten Programme zwischen dem UNHCR und der Schweiz läuft Ende Jahr aus. Vor zwei Wochen hat der Bundesrat entschieden, dass es nahtlos weitergehen soll: Auch nächstes Jahr will er 800 Menschen, vorwiegend Opfer des Syrienkriegs, in die Schweiz einfliegen. In den Jahren danach sollen es pro Jahr rund 1000 Flüchtlinge sein.
Die Ausgewählten werden auf ihre neue Heimat, die Schweiz, über Monate vorbereitet. Dabei wird auch abgeklärt, ob sie willig sind, sich hierzulande auch tatsächlich zu integrieren. Und eine Sicherheitsprüfung durch den Nachrichtendienst des Bundes soll verhindern, dass auf diesem Weg Kriminelle, etwa Terroristen, in die Schweiz gelangen.
UNO-Flüchtlinge sind bei Kantonen und Gemeinden beliebt. Diese werden frühzeitig informiert, wer wann ankommt, und sie können so besser planen. Die Aufnahme von Menschen aus dem üblichen Asylprozess ist unberechenbarer: Einmal bitten mehr Geflüchtete an der Schweizer Grenze um Asyl, einmal weniger.
Doch es ist nicht nur die Planbarkeit, die UNO-Flüchtlinge beliebt macht. Unter ihnen befinden sich deutlich mehr Frauen und Kinder als unter denjenigen Menschen, die im normalen Asylprozess stecken. Und auch punkto Integration sind die Erwartungen hoch. Als der Bundesrat 2012 im Zuge des Syrienkriegs entschied, nach einer längeren Pause erneut an den Programmen des UNHCR teilzunehmen, initiierte er ein Pilotprojekt: Zwischen 2013 und 2015 sollten erst einmal 500 Flüchtlinge aufgenommen werden. Mit ihrer Hilfe testete der Bund ein speziell zugeschnittenes Integrationsprogramm.
Wichtigstes Ziel war die berufliche Integration. «Es wird davon ausgegangen, dass dank dieser speziellen Integrationsmassnahmen eine bessere berufliche Integration der Flüchtlinge erreicht wird», schrieb im Dezember 2016 das zuständige Staatssekretariat für Migration SEM in einem Zwischenbericht. Denn darüber herrscht hierzulande Konsens: Menschen, denen die Schweiz Schutz gewährt, sollen raschestmöglich auf eigenen Beinen stehen.
Nur arbeitende Flüchtlinge, die für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen, sind gute Flüchtlinge. Und Resettlement-Flüchtlinge mussten immerhin ihre Absicht erklären, sich integrieren zu wollen. So das optimistische Signal an Kantone und Gemeinden. Denn die Gemeinden sind es nach einer Übergangsfrist schliesslich, die für die Sozialhilfe aufkommen müssen, wenn die Aufgenommenen eben doch noch nicht auf eigenen Beinen stehen.
Nur: Sind die Hoffnungen in die Integrationsfähigkeit der umgesiedelten Flüchtlinge gerechtfertigt? Nicht ganz, wie eine vor kurzem veröffentlichte Evaluation des Bundes zeigt. Forscher haben das Pilotprojekt 2013 bis 2015 begleitet. Zwar zeigten sich die befragten Fachpersonen des Projekts generell zufrieden, gerade die durchgehende Betreuung durch Coachs habe eine Verbesserung herbeigeführt. Doch stellen die Autoren das Ziel des SEM infrage: «Es ist fraglich, ob es sinnvoll war, die Verbesserung der beruflichen Integration als einziges Hauptziel zu deklarieren.»
Der Grund liegt im gesundheitlichen und psychischen Zustand der Geflüchteten. Sie sind zum Teil traumatisiert, sassen jahrelang in Lagern fest. Durchschnittlich beträgt die Aufenthaltsdauer in Flüchtlingslagern des UNHCR 17 Jahre, sagte die noch zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga kürzlich.
Heisst das nun, mittels UNO in die Schweiz geflogene Flüchtlinge sind schwerer zu integrieren als Flüchtlinge, die irregulär in die Schweiz gereist sind?
Nein, schreibt das SEM. «Wenn die Integration von Resettlement-Flüchtlingen mit gezielten Massnahmen gefördert wird, haben sie eine sehr viel bessere Chance, sich erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren als ohne.» Ihre Aussicht auf einen Job sei nicht kleiner als bei «normalen» Flüchtlingen. Das Hauptziel des Programms sei jedoch zu ehrgeizig gewählt worden und deshalb realistischerweise nicht erreichbar, räumt das SEM ein. Das habe damit zu tun, dass es sich bei den UNO-Flüchtlingen meist um Familien handle. Das SEM weist darauf hin, dass bei Kindern und Jugendlichen zum Beispiel ja eben gerade nicht das primäre Ziel in der beruflichen Integration liegen könne.
Bei den umgesiedelten Flüchtlingen verhalte es sich gleich wie bei den anerkannten Flüchtlingen, die irregulär in die Schweiz gereist sind, so das SEM. Sie litten häufig an Traumata. Und darin liege auch einer der Gründe, weshalb die berufliche Integration bei den vorläufig Aufgenommenen etwas einfacher gelinge. Diejenigen Menschen also, welche die Kriterien für den Status als anerkannte Flüchtlinge nicht erfüllen. (aargauerzeitung.ch)